Attraction

Blu-ray Review

Attraction Blu-ray Review Cover
Capelight, 25.08.2017

OT: Prityazhenie

 


In Frieden

Einer der erfolgreichsten russischen Filme der letzten Jahre kommt ins deutsche Heimkino.

Inhalt

Für Yulya ist klar: Dort oben in den Sternen gibt’s nichts außer die endlose Weite. Den Glauben an Leben außerhalb der Erde hat sie vor einigen Jahren schon verloren. Und so kümmert sie sich aktuell viel lieber um ihre romantischen Entwicklungen mit Artjom. Doch während sie mit ihm gerade ein kleines Schäferstündchen abhalten möchte, geht der angekündigte Meteoritenschauer nieder und trifft im All über der Erde ein dort gerade kreisendes Alien-Raumschiff. Vom Kurs abgebracht, dringt das Ding in die Stratosphäre über der Barentsee ein. Nachdem die Abfangjäger der Russen augenblicklich starten und auf das UFO feuern, geht es tatsächlich am nördlichen Rand Moskaus nieder. Dabei reißt es hunderte von Menschen in den Tod, die von einstürzenden Hochhäusern begraben werden. Nachdem man Kontakt aufgenommen hat, stellt sich die Frage, ob man die Wesen, die aus dem Objekt herauskommen, einfach abschlachten oder doch lieber abwarten und sich deeskalierend verhalten soll. Derweil erwacht Yulya im Krankenhaus, nachdem die Etage des Hauses, in dem sie sich befand, praktisch abrasiert wurde. Mit dem Dach, das zerstört wurde, hat auch ihre Freundin Sveta ihr Leben verloren, was in Yulya eine Mordswut auf die Außerirdischen hochkochen lässt. Also schnappt sie sich eine alte Knarre und ihren Freund Artjom und dringt mit ein paar anderen Kumpels in das Sperrgebiet ein. Doch dann geschieht das Unglaubliche: Das Wesen rettet ihr das Leben und macht ihr in dem Moment bewusst, dass sie in Frieden unterwegs waren, keine bösen Absichten haben. Von nun an setzt Yulya alles daran, dem Fremden zu helfen …

Fedor Bondarchuk, der zuletzt vor vier Jahren mit Stalingrad die Kriegsgeschehnisse aus russischer Perspektive betrachtete, legt nun mit einem Film nach, der zwar ebenfalls mit der Gefahr eines Kriegs-Szenarios spielt, ansonsten aber schon alleine vom Genre her kaum unterschiedlicher sein könnte. Denn wo Stalingrad in historisch verbrieftes Ereignis war, geht es in Attraction um Science-Fiction mit ein bisschen dystopischem Einschlag. Die Gegend rund um den Absturz sieht aus, als wäre man in New York kurz nach dem Einsturz der Twin Towers. Staub und Asche regnet herab und hat Boden, Autos und alles andere dick eingedeckt. Das Militär ist allgegenwärtig und außer der Farbe Grau scheint es keine andere zu geben. Das Setting passt also und stimmt auf gute 130 Minuten Spielzeit ein, die actionreich und fantastisch beginnen, dann von humorvollen Culture-Clash-Elementen abgelöst werden und ganz nebenbei eine Botschaft von Völkerverständigung erzählen.

Dass Attraction teuer geworden ist, sieht man ihm zu jedem Zeitpunkt der CGI-Effekte an. Denn die brauchen sich nicht mal im Ansatz vor jenen aus Hollywood verstecken. Schon das Raumschiff selbst und dessen Absturz sind toll getrickst. Und wenn man weiß, dass die Kampfpiloten in den Jets ebenfalls komplett animiert wurden, ist auch klar, dass sogar reale Objekte vorzüglich realisiert wurden. Geradezu sensationell und im Aussehen vor allem sehr individuell und einzigartig ist das Design des Kampf- und Bewegungsanzugs der Aliens. Sowohl dessen Facettenbewegung als auch die extrem fließenden Bewegungen erfreuen dabei zusätzlich das Auge. Dass nach diesen sehr intensiven und effektvollen ersten 30 Minuten das Tempo gedrosselt wird, um die eigentliche Geschichte zu erzählen, nimmt zwar etwas Schwung aus der Sache, wird aber vom besagten Humor abgelöst. Der Außerirdische kann zwar die russische Sprache, tut sich aber mit Ironie schwer und hat auch die örtlichen Gepflogenheiten nicht raus. Das sorgt für einige Lacher, die gemeinsam mit dem überdrehten Spiel des nerdigen Sidekick „Google“ einhergehen. Und so verwandelt sich der Film dann doch ein wenig zu dem, was sein englischer Name nahelegt. Denn eigentlich heißt der russische Originaltitel „Prityazhenie“ ins Deutsche übersetzt ja „Anziehung“ und hat damit durchaus auch eher einen physikalischen Hintergrund, während „Attraction“ doch eher auf eine Anziehung aus Sympathiegründen anspielt. Die entwickeln Yulya und der Außerirdische aber tatsächlich zueinander.

Da Yulya vor nicht allzu langer Zeit ihre Mutter verloren hat und Hakon ihr über den Verlust hinweghilft, gibt’s auf das typische Außerirdischen-Szenario auch noch individuelle Dynamiken obendrauf. Ein bisschen Coming-of-Age, eine Prise Dampfhammer-Zivilisationskritik und vor allem unverkennbare Motive von Fremdenhass gesellen sich hinzu – immer schön in Häppchen, versteht sich.
Dass man dennoch dran bleibt, obwohl die anfängliche Sci-Fi-Action bis kurz vor Schluss praktisch komplett in den Hintergrund gedrängt wird, liegt an den extrem natürlich und charmant aufspielenden Darstellern Irina Starschenbaum als Yulya und Rinal Mukhametov als Hakon. Die viel besagte Chemie zwischen den beiden stimmt und man nimmt ihnen sogar die Romanze ab. Das, sowie die erneut rasante und effektvolle letzte halbe Stunde von Attraction, entschädigen auch über die Logiklöcher und die arg stereotype Darstellung der russischen Jugend in den Moskauer Randbezirken hinweg. Besonders der Fight zwischen dem im Anzug steckenden Artjom und Hakon gerät höchst spektakulär und mit Sinn für modernste Ästhetik – unterstützt von Soundeffekten, die das Heimkino zum Epizentrum werden lassen. Etwas seltsam mutet die Diskrepanz zwischen den Untertiteln und der deutschen Synchronisation an. Da wird aus folgendem Untertitel „möglicherweise ein richtiges Zuhause zu finden“ (ein Satz, den man im Angesicht einer Alien-Begegnung sicherlich doppeldeutig interpretieren kann) in der Synchro ein „… was das Wort Heimat aussagt“. Inhaltlich liegt man da zumindest innerhalb eines Interpretationsraumes.

Bild- und Tonqualität

Attraction hat ein durchgängig relativ helles und eher kontrastschwaches Bild, das im Schwarz nicht sonderlich knackig ist und während der anfänglichen Außenszenen noch einen sichtbaren Grünstich in die dunklen Farben mischt (14’40). Viele Einstellungen in Innenräumen wirken außerdem, als wäre es neblig in den Zimmern (14’42). Recht gut gefällt die Bildruhe und das nur minimal vorhandene Korn. Auch kann die Schärfe in Nahaufnahmen überzeugen, die von einer recht guten Detailauflösung profitiert. Erstaunlich in diesem Fall: Die CGI-Shots sind in der Regel knackiger und plastischer als die real gefilmten Elemente – das ist ansonsten meist eher anders herum.
Die deutsche Tonspur von Attraction liegt im dts-HD-Master-Format vor und hält von Beginn an das Heimkino in Atem. Schon während des Vorspanns hagelt es Surround-Effekte. Dazu werden die Hip-Hop-Beats, die aus Tjomas BMW erschallen, über den Subwoofer mit sattem Druck wiedergegeben. Als dann das Raumschiff von Meteroritentrümmern getroffen wird, geschieht das derart imposant, dass man beeindruckt im Heimkino sitzt (8’07). Gleiches gilt für die startenden Jets kurz darauf sowie den finalen Niedergang des Flugobjekts. Wenn das in die Hochhäuser Moskaus einschlägt, bleibt nicht nur optisch kein Stein mehr auf dem anderen. Begleitet von heftigen Explosionen und herunterfallendem Schutt reißt es Strommasten um, bevor es kurz nach der totalen Demolierung eines Fußballstadions dröhnend zum Stillstand kommt. Die deutschen Dialoge halten da nicht ganz stand und bleiben bei der Lautstärke ein wenig zu sehr im Hintergrund. Hier hätte man ein wenig homogener arbeiten können. Das ist aber im Prinzip wirklich der einzige Kritikpunkt an einem ansonsten wunderbar lebhaften und direktional-effektvollen sowie dynamischen Ton, der auch während des Finales wieder zur absoluten Hochform aufläuft und die Auseinandersetzungen zwischen den Aliens und den Menschen sowie den Fight zwischen Atjom und Hakon extrem dynamisch wiedergibt.

Wer des Russischen mächtig ist (oder gerne Untertitel verfolgt), der wechselt auf die Originalspur. Denn die liegt tatsächlich in Dolby Atmos vor. Das ist natürlich einerseits schön, andererseits aber noch ein kleines bisschen ärgerlicher als bei englischsprachigen Titeln, die nur die Originalspur mit einem 3D-Sound ausstatten, weil der Großteil der hiesigen Bevölkerung bei Russisch dann tatsächlich komplett auf die Untertitel angewiesen ist.
Aber davon ab machen sogar Filme, bei denen man kein gesprochenes Wort versteht, wirklich Spaß, wenn man sie im Original schaut und der Ton dort außergewöhnlich ist. Es soll ja eine ganze Menge Leute geben, die sich auch fernöstliche Produktionen lieber im O-Ton ansehen. Bei Attraction liefert der Atmos-Sound erstmals griffige Höhensignale, wenn das Raumschiff nach acht Minuten vom Meteoriten getroffen wird (8’10). Auch die diffusen Durchsagen der Militär-Mitarbeiter über die Lautsprecher in der Zentrale kommen von oben. Und wenn die Jets das Schiff angreifen, fliegen sie hörbar über die Köpfe hinweg – ebenso wie die immer wieder auftauchenden Hubschrauber (12’36, 17’10). Beim Absturz des Raumschiffs gibt’s dann die zahlreichsten und coolsten 3D-Soundeffekte. Von rotzenden Feuerspratzeleien über herabfallende Trümmer und Staub – man sitzt hier wirklich mitten in einem Geräuschgefüge, das die Bruchlandung ins Heimkino verfrachtet.

Bonusmaterial

im Bonusmaterial von Attraction finden sich mit „Die Neuen im Team“, „Der Top Cast“, einer „Promo-Reel“ und dem „VFX-Breakdown“ vier Featurettes. In diesen bekommt man in jeweils kurzen Zwei- bis Dreiminütern etwas Einblick in die Arbeit am Sounddesign, an der Bewegung der Aliens sowie in das Casting. Etwas länger läuft der VFX-Breakdown, der größtenteils unkommentiert die gefilmten CGI-Shots „entlarvt“ und anschaulich aufschlüsselt.

Fazit

Attraction ist ein extrem effektvoller und visuell sehr gelungener Mix aus Independence Day und Der Tag, an dem die Erde stillstand, der zwar Optik über inhaltliche Tiefe stellt, das Herz aber am rechten Fleck hat. Wenn Saul der Menschheit in Person von Yulyas Vater am Ende zusammenfasst, wie gewalttätig die menschliche Zivilisation wirklich ist, darf man sich das ruhig mal auf der Zunge zergehen lassen – selbst wenn es arg plakativ und gewollt inszeniert wirkt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%

Tonqualität 2D-Soundebene (Originalversion): 85%
Tonqualität 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 80%
Tonqualität 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 85%

Bonusmaterial: 40%
Film: 65%

Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: Russland 2017
Regie: Fedor Bondarchuk
Darsteller: Irina Starschenbaum, Alexander Petrow, Rinal Mukhametow, Oleg Menschikow, Sergej Garmash, Darya Rudenok, Nikita Kukushkin, Rinal Mukhametov
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de // Dolby Atmos (True-HD-Kern): ru
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 133
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu Attraction

Teaser Trailer ATTRACTION (Deutsch)

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