Bang Gang

Blu-ray Review

Bang Gang Die Geschichte einer Jugend ohne Tabus Blu-ray Review Cover
Pierrot Le Fou/AL!VE, seit 15.07.2016

OT: Bang Gang (une histoire d’amour moderne)

 


Implosion eines Systems

Einen Frühsommer lang vögeln Jugendliche als gäbe es kein Morgen …

Inhalt

Es geht auf den Sommer zu und die beiden Freundinnen Laetitia und George möchten die warme Zeit gerne genießen. Während George recht frei mit ihrer Sexualität umgeht, wird George von zuhause aus nicht gerade unterstützt und bekommt für alles ein schlechtes Gewissen eingeredet. Erst gerade hat sie sich eine Ohrfeige eingefangen, weil sie später als verabredet zurück kam. Dannn machen die beiden die Bekanntschaft von Alex und Nikita machen. Die zwei Jungs feiern im feudalen Anwesen von Alex schon mal ausufernde Partys mit viel Sex und einigen Drogen, nennen sie treffend „Bang Gang“. Schon der erste Besuch in der Villa endet damit, das George und Alex miteinander schlafen. Laetitia schaut dabei zu und kann spüren, wie die Leidenschaft auch in ihr aufsteigt. Während sich George darauf in Alex verknallt, sieht der sie als kurze Eroberung. Als er sich auch noch für Laetitia zu interessieren beginnt, stellt das die Freundschaft der beiden Mädchen auf die Probe.

Was seinerzeit Larry Clarks Kids für die Jugend der 90er war, so ist Eva Hussons Bang Gang – Die Geschichte einer Jugend ohne Tabus eine Art Zustandsbeschreibung der Heranwachsenden in den 2010er Jahren. Nicht ganz zufällig gewählt ist der Titel des Films, denn dreht man die beiden Worte um, bekommt man eine Beschreibung für eine Gruppensexpraktik. Husson inszeniert hier zwar keinen expliziten Rudel-Beischlaf, geht ansonsten aber frei und ziemlich ungehemmt mit Erotik und verbaler Sprache um. Das ist nur konsequent, denn heute ist „normal“, was in der Vorgängergeneration noch anrüchig war. Bang Gang beschreibt aber auch, dass die heutige, oft übersexualisierte Jugend irgendwann die Nase voll hat und wieder zurück zum eher konservativen Kuscheln und echten Liebhaben möchte. Das freizügig-sexuelle Element bleibt im Film genauso oberflächlich geschildert, wie es am Ende ist. Sex wird mit dem Handy aufgenommen und konsumiert wie die Drogen auf der Party. Liebe, Zärtlichkeit, das „Besondere“ bleiben auf der Strecke. Das prangert Husson aber gar nicht über die Maßen an, sondern erzählt mehr deskriptiv als analytisch, dass junge Menschen körperliche und seelische Erfahrungen machen – ja machen müssen, um sich und ihren Weg zu finden. Die Integration sozialer Netzwerke (inklusive ihrer Gefahren) wird glaubwürdig eingebunden, ohne überstrapaziert zu werden.
Ihre Hauptdarsteller bleiben dabei stets glaubwürdig und erfrischend normal. Keine Spur von oberflächlichem Tussigehabe oder Supermachos. Nicht nur hier zeigt sich Bang Gang gut beobachtet und entfernt sich deshalb nicht zu sehr von seinem Publikum. Die erotischen Momente dienen hier ebenfalls eher der Darstellung, nicht der Anregung des Zuschauers. Trotz wirklich zahlreicher Nacktszenen ist Hussons Film kein Porno und auch kein Schmachtfetzen für David-Hamilton-Fans. Was Bang Gang am Ende herausragen lässt, ist das Fehlen eines moralischen Zeigefingers. Hier wird nicht durch prüde Eltern gemaßregelt, sondern schlicht die Existenz in all ihren (körperlichen) Facetten geschildert und als das genommen, was es ist: Leben und Erfahrung. Und wenn am Ende Gabriels Vater doch noch seinen Kommentar zum „Treiben“ seines Sohns abgibt, dann tut er das differenziert und nicht belehrend. Ohnehin ist es an den Kids selbst, herauszubekommen, dass nicht all ihr Tun sonderlich schlau gewesen ist.

Bild- und Tonqualität

Ziemlich dunkel präsentiert sich das Bild von Bang Gang, bei dem man oft ganz genau hinsehen muss, um Details zu erkennen. Dafür ist es von der Atmosphäre her bei Weitem nicht so schmuddelig wie jenes von Clarks Kids – im Gegenteil. Mit sauberer Filterung und sehr ruhigem Eindruck bleiben die Bilder stets klar und auf der optimistischen Seite. Der Kontrastumfang ist durch die reduzierte Helligkeit etwas beschränkt, dafür kommen Farben recht natürlich rüber.
Akustisch hält sich Bang Gang zumeist auf die Front beschränkt und lässt die Dialoge klar und deutlich erklingen. Räumlich wird’s immer dann, wenn der kongeniale Filmscore einsetzt, dessen wahlweise elektronische oder klassisch-percussive Klänge perfekt zum Geschehen passen. Dann gibt es auch schon mal dezenten Subwoofer-Einsatz.

Bonusmaterial

Das Featurette, das sich im Bonusmaterial von Bang Gang findet, ist mehr als kurzer Trailer zu verstehen. Das Making-of läuft knapp neun Minuten und blickt ein wenig hinter die Kulissen. Neben der Regisseurin kommen auch die Darsteller teilweise zu Wort und beschreiben, wie es war, die Nacktszenen zu drehen. Dazu gesellt sich dann noch eine entfente Szene sowie die Filmtrailer.

Fazit

Bang Gang ist ein authentisches und lebensnah gespieltes Drama, dessen Erotik nie selbstzweckhaft ist und das sich wohltuend von US-Produktionen mit ähnlichem Thema abhebt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 30%
Film: 75%

Anbieter: Pierrot Le Fou/AL!VE AG
Land/Jahr: Frankreich 2015
Regie: Eva Husson
Darsteller: Finnegan Oldfield, Marilyn Lima, Lorenzo Lefèbvre, Daisy Broom, Fred Hotier
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 98
Codec: AVC
FSK: 16

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