David Cronenbergs Die Brut Mediabook

Blu-ray Review

Die Brut Limited Collector's Edition #3 Blu-ray Review Cover
Wicked Vision, seit 28.07.2016

OT: The Brood

 


Bienenkönigin

Wicked Vision bringt David Cronenbergs Die Brut in Deutschland erstmalig unrated und auf HD heraus.

Inhalt

Dr. Hal Raglan ist Psychiater, der mit einer neuartigen Methode, der psychoplasmatischen Therapie, in der Lage zu sein scheint, unterdrückte Ängste, Wut und Aggressionen an den Körpern seiner Patienten manifestieren zu können. Bei ihm in stationärer Intensivbehandlung ist seit einiger Zeit Nola Carveth, deren Mann Frank nicht viel von der Behandlung Raglans hält. Als die gemeinsame Tochter Candy von einem Besuch bei der Mutter mit blauen Flecken auf dem Rücken nach Hause kommt, beginnt Frank sich ernsthaft Sorgen zu machen und stellt Raglan zur Rede. Der jedoch wiegelt ab und lässt ihn nicht zu Nola. Kurze Zeit später werden Candys Großmutter und Großvater sowie ihre Lehrerin von kleinwüchsigen Wesen ermordet. Woher diese kommen und was Nola damit zu tun hat, wird Frank bald auf schmerzhafte Art und Weise erfahren …

1989 im Februar: Ein 14-jähriger Junge verabredet sich mit drei seiner besten Schulfreunde zu einer Videonacht. Auf dem Programm standen alle fünf Teile der ersten zwei Staffeln von V – Die außerirdischen Besucher kommen sowie ein Film, unter dem sich besagter „Knirps“ nichts vorstellen konnte: David Cronenbergs Die Brut. Wohl wissend, dass der Regisser mit Scanners einen etwas bekannteren Film im Repertoir hatte, war dem Schüler nicht bewusst, auf was er sich da einlassen sollte, denn diese „Brut“ erschütterte ihn nachhaltig. Die Tatsache, dass man zu Viert die Nacht „überstand“ half, nicht allzu traumatisiert aus dem Wochenende zurück zu kehren. Denn in einer Zeit als CGIs noch nicht wirklich existierten und handgemachte Bluteffekte für echten Grusel sorgten, war die Mischung aus Schocker und Gruselmärchen vom Meister des psychologischen Horrors nicht nur ausreichend brutal, sondern vor allem mental und emotional äußerst aufwühlend. Dass 14 Jahre für Die Brut seinerzeit deutlich zu jung war, ist nicht nur am nicht vorhandenen Siegel der FSK ersichtlich – doch wer hat seinerzeit nicht in diesem Alter Tanz der Teufel als Mutprobe geschaut? Der 14-jährige Bengel ist heute 41 und Verantwortlicher für diesen Blog. Seit 1989 hat er von Die Brut die Finger gelassen – und das lag nicht nur daran, dass es bisher erst eine DVD-Veröffentlichung zweifelhafter Qualität gab. Nun liegt das Mediabook also hier auf dem Tisch. Noch jungfräulich verschweißt wartet es darauf, von der Folie befreit und geschaut zu werden – nicht ohne Respekt, versteht sich. Respekt gleich auf mehreren Ebenen. Zum einen ist das Mediabook der erneute Beweis, wie akribisch, leidenschaftlich und fanorientiert die Mädels und Jungs von Wicked Vision arbeiten, die sich den bisher auf eine HD-Veröffentlichung in Deutschland wartenden Film als #3 in ihrer Collector’s-Edition-Reihe vornahmen. Mit Hatchet for the Honeymoon und Die Todeskarten des Dr. Schreck hatte man zuvor schon gezeigt, wie gut Neuabtastungen und -abmischungen von Klassikern aussehen und klingen können. Im Falle von Die Brut erhofft man sich nun einen noch größeren Erfolg, da die Limitierung des Mediabooks gegenüber 1.500 Exemplaren bei Todeskarten und derer 1.332 bei Hatchet auf 2.999 angehoben wurde. Dem Grundkonzept bleibt man sich natürlich treu, denn auch dieses Mediabook ist absolut wertig verarbeitet, verfügt über die Blu-ray UND DVD des Films sowie erneut ein hochwertiges 24-seitiges Booklet, dessen Text (wie schon bei Hatchet) vom Film- und Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Marcus Stiglegger stammt. Ein neues Feature weist das Cover indes doch auf, denn es glänzt (im wahrsten Sinne des Wortes) mit einem Titel-Schriftzug, der durch die Nutzung eines UV-Lacks bei bestimmten Lichteinfall sichtbar wird.

Abgesehen vom Respekt dem Anbieter gegenüber, ist es natürlich auch der Respekt den ich Cronenbergs Werk selbst entgegenbringe. Denn was passiert nun mit dem 41-jährigen Film-Rezensent, der nach 27 Jahren ein zweites Mal Die Brut schaut und sich mit seinem (dezenten) Trauma von 1989 konfrontiert? Zunächst sei gesagt, dass Cronenbergs Film zu Recht als Meisterwerk des psychologischen Horrors bezeichnet wird. Und nach wie vor sind die Attacken der titelgebenden kleinen Monster schwer verdaulich. Erstaunlich vor allem, dass in einer Zeit der perfekten CGI-Technik die handgemachten Masken der mordenden Kinder immer noch schockieren können. Jene Szene, in welcher der Killer von Candice‘ Großmutter seine blutigen Fingerabdrücke am Treppengeländer hinterlässt, verfehlt auch heute ihre Wirkung nicht. Dazu kommt der (einzeln angehört sicher furchtbar anstrengende) Score von Howard Shore, der perfekt passt und die Nerven angespannt lässt. Das Finale schließlich ist auch heute noch ein fast beispielloses Muster an unangenehmer und bedrohlicher Atmosphäre. Die Bilder, die Cronenberg während der finalen „Enthüllung“ zeigt, führten seinerzeit zu schockierten und angeekelten Rezipienten. Kritiker-Urgestein Roger Ebert fragte in seiner damaligen Rezension des Films gar, ob es wirklich Leute gäbe, die solch einen verwerflichen Müll sehen wollen? Tatsächlich verarbeitete Cronenberg autobiografische Ereignisse, da er sich seinerzeit in einem Sorgerechtsstreit um seine Tochter aus erster Ehe befand. Ein pikante Note bekommt das natürlich schon, wenn man betrachtet, dass die Ehefrau in Die Brut kaum positiv davonkommt und ihr Gatte am Schluss zu drastischen Maßnahmen greift. Cronenberg wäre aber nicht Cronenberg, wenn er das Ganze nicht psychologisch unterfüttert hätte. Was heute vielleicht klischeehaft wirken würde, hatte seinerzeit noch innovative Züge, wenn er die Erziehung der Mutter Nolas für deren verdrängte Wut und damit für die Geschehnisse verantwortlich macht.

Bild- und Tonqualität

Schon Todeskarten und Hatchet lieferten aufgrund der aufwändigen Restaurierung das beste Bild, das man sich für die Klassiker des Horrorkinos wünschen konnte. Die Brut macht hier keine Ausnahme. Für die HD-Fassung wurde es vom 35mm-Kamera-Negativ neu abgetastet und bekam als Adelsschlag ein „approved“ von Cronenbergs Kameramann Mark Irwin. Seine Aussage, dass diese Fassung die akkurateste Abbildung dessen ist, was er vor 37 Jahren produzierte, sollte jedes Fanherz höher schlagen lassen. Und in der Tat: Schon die eröffnenden Titelschriften stehen absolut sauber, klar umrissen und farbkräftig auf dem Bildschirm. Die ersten Realszenen, die darauf folgen, sind für einen Independent-Film von 1979 absolut herausragend. Gerade die Endsiebziger und Achtziger sind nicht gerade bekannt für saubere Master und qualitativ hochwertige Standards. Doch die Neuabtastung hat hier für ein kräftiges und klares Bild gesorgt, das vielleicht nicht das letzte Quäntchen an Schärfe herausholt, dafür aber vor allem den Geist des Originals bewahrt. Keine krasse Farbkorrektur verändert den erdigen Look, keine üblen Filter nehmen das angenehme Filmkorn raus und keine Überschärfung führt zu überkontrastierten Konturen. Dennoch sind die Einstellungen in Innenraumszenen extrem ruhig und Close-ups überzeugen sogar mit feinen Details wie der Struktur auf Reeds Handtuch (7’06). Außenaufnahmen wirken stets etwas schmuddeliger, was aber nicht der neuen Abtastung, sondern eher dem Original geschuldet ist. Herausragend ist die Defektfreiheit – Blitzer, Drop-outs oder Schmutzpartikel? Nicht in Sicht! Bei einem so sauberen Bild kann man auch über ein paar weniger scharfe Halbotale sowie die einzig schwächeren, weil unruhigeren und unschärferen Szenen von Nola im Finale hinwegsehen. Wie „schlecht“ das Bild aussehen könnte, offenbart die 16-minütige Super-8-Fassung im Bonusmaterial, auf der man schwerlich überhaupt Details erkennen kann.
Um auch akustisch zu überzeugen, wurde die deutsche Tonspur von Die Brut aufwändig restauriert und liegt auf der Blu-ray selbstverständlich in der korrekten Tonhöhe vor. Der 2.0-dts-HD-Master-Sound basiert auf der Original-Mono-Fassung, die auf beide Hauptlautsprecher „gedoppelt“ wird. Effekte bleiben dementsprechend aus, weshalb man sich vornehmlich auf die gute Verständlichkeit der Stimmen sowie einen homogen eingebetteten Filmscore konzentrierte. Letzterer ist zwar deutlich lauter als die Sprachmomente, was aber die Dramatik der Geschichte widerspiegelt. Die deutschen Stimmen kommen erstaunlich klar und hervorragend verständlich ans Gehör. Filme aus dieser Zeit klingen sonst meist bedeutend weniger authentisch und nerven mit schwacher Synchronisation und hysterischem Geschrei. Für Die Brut kamen indes bekannte Synchronsprecher der damaligen Zeit zum Einsatz, die nun in der bestmöglichen Verständlichkeit zum Zuhörer gelangen. Um Knackser und Rauschen auszumerzen, wurde scheinbar eine Filterung/Kompression eingesetzt, die man ab und an wahrnehmen kann. Auch zischelt es hier und da ein kleinwenig bei „s“-Lauten. Das wenig geübte Gehör wird das aber nicht merken. Die englische Sprachfassung – obschon authentischer in den Raum eingebettet – ist objektiv schlechter verständlich und weniger präsent. Was man lieber mag, ist am Ende subjektive Geschmacksache.

Bonusmaterial

Gerade in Sachen Bonusmaterial lässt sich Wicked Vision nicht lumpen. Schon bei den vorherigen zwei Limited Collector’s Editions hatte man bisweilen Stunden zu tun, um sich sämtliche Extras anzuschauen und anzuhören. Auf Die Brut haben es zwei Audiokommentare geschafft. Der eine ist deutsch eingesprochen und kommt, wie schon das Booklet, von Prof. Dr. Marcus Stiglegger. Zu ihm gesellt sich mit Kai Naumann ein leidenschaftlicher Film- und Literaturwissenschaftler sowie Filmjournalist. Der zweite Audiokommentar stammt von Prof. William Beard, der mit „The Artist as Monster“ ein Standardwerk über das Kino Cronenbergs verfasst hat. Neue Featurettes/Interviews sind ebenfalls mit an Bord. Den Anfang macht Cindy Hinds, die Darstellerin der kleinen Candice. Sie berichtet, dass sie zu dem Zeitpunkt bereits schauspielerische Erfahrung durch diverse TV-Spots hatte, ihre Mutter aber durchaus Bedenken zeigte – schon alleine aufgrund der Gore-Sequenzen. Doch die kleine Cindy fand es am Ende wirklich spannend, dabei zu sein und zu sehen, wie man die unterschiedlichen Morde in Szene setzte. Das zweite Interview zeigt den Hollywood-Komponisten Howard Shore, der erstmalig Rede und Antwort für das Bonusmaterial eines Independentfilms steht. Der Verantwortliche für den aufregenden Score erzählt von seiner ersten Begegnung mit Cronenberg und wie es zur Zusammenarbeit kam, die im Anschluss bis auf eine Ausnahme alle Cronenberg-Filme adelte. In „Pierre David über die Brut“ kommt der ausführende Produzent von Die Brut zu Wort, der sich nie in der Welt der Filmproduktion sah, am Ende aber doch dort landete. Sein Interview ist das witzigste und lockerste der vier vorhandenen. Zu guter Letzt gibt’s noch ein 23-minütiges Gespräch mit Kameramann Mark Irwin, der intensiv über die Bildkomposition von Die Brut spricht. Allerdings auch darüber, wie er überhaupt das Interesse am Film und vor allem an der Arbeit als Kameramann fand – ein wirklich interessantes Interview mit vielen Anekdoten und Fakten. Wer hätte beispielsweise gewusst, dass sein erster Film hinter der Kamera ein Porno war? Außerdem hat es noch die lange verschollen geglaubte Super-8-Fassung auf die Disk geschafft und Artwork-Material, Lobby Cards sowie Radio- und TV-Spots, Teaser und Trailer runden das Angebot ab. Wie von Wicked Vision gewohnt, sind auch hier sämtliche englischsprachige Extras in Deutsch untertitelt. Der Film selbst kommt mit englischen und deutschen Subtiteln.

Fazit

Auch die Collector’s Edition #3 von Wicked Vision ist eine herausragend gute Produktion geworden. Angefüllt mit reichhaltigen Extras, umgesetzt mit einem fürs Alter extrem guten und plastischen Bild und eingepackt in eine tolle Verpackung sollte jeder Genre- und Cronenbergfan so schnell wie möglich zugreifen, um eines der 2.999 Mediabooks von Die Brut zu ergattern.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 90%
Film: 90%

Anbieter: Wicked Vision
Land/Jahr: Kanada 1979
Regie: David Cronenberg
Darsteller: Oliver Reed, Samantha Eggar, Art Hindle, Cindy Hinds, Nuala Fitzgerald, Henry Beckman, Susan Hogan
Tonformate: dts HD-Master 2.0: de, en
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 92
Codec: AVC
FSK: ungeprüft

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