Platz 9: Die Ritter der Kokosnuss

Platz 9: Die Ritter der Kokosnuss (Blu-ray Review)

Blu-ray im Vertrieb von Sony Pictures
Blu-ray im Vertrieb von Sony Pictures

OT: Monty Python and the Holy Grail

 


Einigen wir uns auf ein Unentschieden!

Die Mutter aller Anarchospäße.

Story

England, 932 AD: König Artus durchquert mit seinem treuen Diener Patsy und seinen Pferden … Ich bitte um Entschuldigung, der Rezensent, der diese Zeile soeben schrieb, wurde gefeuert!
König Artus streift also mit seinem Diener Patsy und südafrikanischen Kokosnüssen …
Ich bitte erneut um Entschuldigung, der Rezensent, der soeben an die Stelle des Rezensenten gesetzt wurde, der gefeuert wurde, wurde gefeuert!

Der folgende Text wurde mit der Unterstützung von 40 extra ausgebildeten Ecuador-Berglamas verfasst:

England, 932 AD: König Artus tingelt mit seinem treuen Diener Patsy durch Britannien. Da die Filmproduktion nicht das nötige Geld aufbrachte, müssen anstelle von Pferden Kokosnüsse herhalten, deren Aneinanderschlagen für die nötige Trab-Kulisse sorgt – doch davon soll hier nicht die Rede sein. Während Artus sich also mit widerspenstigen Schlosswächtern und aufmüpfigen Möchtegern-Sozialkritikern herumschlagen muss, begegnet er kurze Zeit später Sir Bedevere, dem Weisen und ist beeindruckt, wie dieser Hexe von Nicht-Hexe unterscheiden kann. Der erste Ritter für seine Tafelrunde scheint gefunden. Doch es folgen weitere: Sir Lancelot, der Mutige, Sir Galahad, der Reine und Sir Robin, der nicht-ganz-so-mutige-wie-Sir-Lancelot. Gemeinsam halten sie Schloss Camelot für einen total albernen Ort und beschließen lieber der Weisung Gottes zu folgen. Dieser trägt ihnen auf, den Heiligen Gral zu finden. Doch der Weg dorthin ist steinig, voll (französischem) Spott und einem tödlichen Hasen …

Warum gerade „Die Ritter der Kokosnuss“?

„Wenn ist das Nunstück git und Slotermeyer? Ja! Beiherhund das Oder die Flipperwaldt gersput!“ – als ich 1988 zum ersten Mal mit der britischen Komikertruppe Monty Python in Berührung kam, war es die erste Folge der mir bis dato vollkommen unbekannten Show Monty Python’s Flying Circus und damit verbunden der legendäre „tödliche Witz“. Von diesem Moment an änderte sich alles!
Mein Verständnis für Humor, das zuvor in den Umlaufbahnen eines Otto Waalkes und seiner Langspielplatten kreiste, war von einer Sekunde zur nächsten pechschwarz geworden. Diese erste Folge (glücklicherweise über den bayerischen Fernsehsender im Original mit Untertiteln ausgestrahlt) des Flying Circus war wie ein Befreiungsschlag in Sachen lauthalsem Lachen. Jede weitere Episode steigerte dies und nicht selten musste man seinen VHS-Rekorder bemühen, um die Sendung nochmal zu sehen, weil man vor Lachtränen und -muskelkater mal wieder nicht alles mitbekommen hatte. Natürlich fand man schnell Gleichdenkende und bemühte (noch weit vor der Zeit des Internet) Büchereien und Bekannte, um mehr zu erfahren. Schon bald gab es frohe Kunde: „Die Jungs haben auch Filme gedreht!“
FILME??? Ganze 90 Minuten dieses grandiosen Humors am Stück??? Und ob!!
Es muss 1989 gewesen sein, dass ich an eine miese Kopie der Ritter der Kokosnuss kam und ihm mit zwei Freunden über einen winzigen Röhrenfernseher Ehre erweisen konnte. Andächtig und ehrfürchtig saßen wir dort und haben uns über die volle Laufzeit dermaßen hochgepusht, dass der Lachmuskelkater am nächsten Tag ganz furchtbar schmerzte.

Was war passiert?

Die Monty-Python-Truppe hatte es mit Ritter der Kokosnuss geschafft, ihre anarchische Respektlosigkeit gewürzt mit schwärzestem britischen Humor auf die Spitze zu treiben. Sie scherten sich einen feuchten Kehricht um historische Fakten und Authentizität und präsentierten einen wilden Mix aus schmutzigem Mittelalter, griechischer Mythologie und politischem Diskurs. Letzterer verarbeitete das negative Verhältnis der Angelsachen zu den französischen Normannen und wurde im Schimpfduell zwischen Artus und dem französischen Soldaten offenkundig.
Die Truppe nutzte das Element des niedrigen Budgets geschickt aus, um weitere Humorelemente wie das der Kokosnüsse als Pferdeersatz zu integrieren oder ein schlüssiges Ende für den Film gar nicht erst inszenieren zu müssen. Garniert mit den auch aus dem „Flying Circus“ bekannten Animationen von Terry Gilliam, resultierte ein Film, der so Anti-Establishment und gegen die Sehgewohnheiten war, dass Die Ritter der Kokosnus“ auch schnell zum Kultfilm einer rebellierenden Jugend wurde. Zwar war der Nachfolger Das Leben des Brian ebenso anarchisch und witzig geraten, hatte sogar für einen der größten religiösen Aufreger der Kinogeschichte gesorgt, doch Monty Python and the Holy Grail ist nun mal das Erstlingswerk, das den Weg für die Parodie auf die Geschichte der Kreuzigung Jesus‘ erst ebnete.
Eins sei aus heutiger Sicht und im Hinblick auf die hervorragend ausgestattete Blu-ray aber gesagt: Obwohl seinerzeit nur die deutsche Synchronfassung zu bekommen war, muss heute zwingend die Originalfassung gesehen werden. Nur dort kommt der britische Dialogwitz wirklich authentisch rüber und nur dort lassen sich Plattitüden wie: „Ich habe den Sachsen das Angeln beigebracht, seitdem heißen sie Angelsachsen“ vermeiden.
Trotz der eingentlich eher albernen deutschen Synchronversion gab es in meinem Umfeld zu Beginn der 90er Jahre keine Geburtstagsfeier, keine Party, auf der sich nicht ein Duo oder Trio zusammenfand, um Die Ritter der Kokosnuss in voller Länge zu rezitieren. Man hatte ihn ja oft genug gemeinsam inhaliert.
Bis heute dürfte der erste echte Kinofilm der Monty Python’s („Die wunderbare Welt der Schwerkraft“ war ja nichts anderes als ein Zusammenschnitt von Sketchen aus der TV-Show) der Film sein, den ich am häufigsten gesehen habe.
Wobei … das letzte Mal ist schon einige Zeit her. Vielleicht kommt die Hexe ja dieses Mal mit dem Leben davon, eventuell unterliegt König Artus jetzt endlich mal dem schwarzen Ritter und möglicherweise schaffen es die Ritter der Tafelrunde es ja nun sogar IN den Hasen, bevor er ins Schloss gerollt wird.
Das muss schleunigst überprüft werden …

Fazit

„Go and boil your bottoms, sons of a silly person.“ – Fluchen war nie so schön, wie in Die Ritter der Kokosnuss, Kunstblut floss nie künstlicher als beim Kampf zwischen Artus und dem schwarzen Ritter und wer wollte nicht schon immer mal ein heißes Bad im „Castle Anthrax“ nehmen?
Der erste echte Kinofilm der britischen Komikertruppe ist auch 38!! Jahre nach seiner Entstehung noch genau so komisch wie Mitte der Siebziger – man versuche dafür mal ein amerikanisches Pendant zu finden, das, ähnlich alt, auch heute noch amüsiert …
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 55%
Tonqualität (dt. Fassung): 50%
Tonqualität (Originalversion: 65%
Bonusmaterial: 60%
Film: 100%

Anbieter: Sony Pictures HE
Land/Jahr: GB 1975
Regie: Terry Jones, Terry Gilliam
Darsteller: Graham Chapman, John Cleese, Terry Gilliam, Terry Jones, Eric Idle, Michael Palin
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // DD 5.1: de, it, sp
Bildformat: 1,66:1
Laufzeit: 92
Codec: AVC
FSK: 12

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Martin Zopick

Nach über 40 Jahren ist es immer noch niemandem gelungen den Monty Pythons auch nur annähernd das Comedy Wasser zu reichen. Ich habe sie neulich wieder mal angeschaut und immer noch über die überraschende Vielfalt der Jokes Tränen gelacht. Nach dem ‘Flying Circus‘ der für die 6er-Crew aus Cambridge nur eine Fingerübung war, ist dieser Film der erste (75) von den großen Dreien (Leben des Brian (79) und Sinn des Lebens (83)).
Die überaus geistreiche Witzpalette pendelt zwischen dem Makabren, dem Unverschämten, oft auch dem Blasphemischen und streift bzw. überschreitet gelegentlich die Grenze des allseits akzeptierten guten Geschmacks und fällt dabei buchstäblich aus dem Rahmen. Dabei erhält der Stilbruch Kult Status!
Hier haben sie sich respektlos am Mittelalter abgearbeitet: umwerfende Cartoon, wechseln mit Gesangseinlagen und Can-Can. Die deutsche Synchronisation liefert das Sahnehäubchen: ‘Wir haben den Sachsen das Angeln beigebracht‘ oder ‘Haben sie einen 69 Gewürz Rabbiner?‘ oder‚ Schiller sagt ‘durch diese kalte Hose muss er kommen‘ oder ‘Spielt doch mal was anderes .‘ Yesterday von den Beatles oder Oh du schöner Westerwald‘. Besonders weiten Raum nehmen hier die Beschimpfungen ein von der Burgzinne hinunter zu den Rittern um König Arthus. Auch Wegweisendes ist mitunter dabei ‘Ihr bekackten Engländer kommt nicht in die Europäische Gemeinschaft!‘(sic!) Unvergesslich das Ritterduell mit Schwert, in dem einer beide Arme und Beine verliert und sich zum Sieger erklärt. Der Ritter mit den drei Köpfen oder das Quiz unter den Pestgeplagten sind nicht zu toppen. Und immer wieder werden kommunistische – kapitalistische Diskussionen eingestreut. Zeitlose Spitzenkomik!