Die Wolken von Sils Maria

Blu-ray Review

Die Wolken von Sils Maria Blu-ray Review Cover
EuroVideo, seit 27.08.2015

OT: Clouds of Sils Maria

 


Reise ins Ich

Die Wolken von Sils Maria ist ein Fest für Freunde des hochwertigen Schauspiels.

Inhalt

Maria Enders ist eine gefeierte Schauspielerin, was sie auch dem Stück „Maloja Snake“ verdankt, das sie auf einen Schlag vor 20 Jahren berühmt machte. Nun, zwei Jahrzehnte später, steht Maria vor einigen schwierigen Aufgaben. So ist zum einen ihr langjähriger Mentor und Förderer gestorben, weshalb sie auf dessen Anwesen im schweizer Engadin reist. Andererseits steht sie vor der Scheidung von ihrem Ehemann. Gut, dass sie ihre Assistentin Valentine dabeihat, die alle schadhaften Einflüsse von Außen abzuwenden versucht. Allerdings kann Valentine der Diva eine gewisse Entscheidung nicht abnehmen: Der anerkannte Regisseur Klaus Diesterweg will „Maloja Snake“ erneut inszenieren und möchte, dass Maria mitspielt. Allerdings nicht in ihrer damaligen Rolle, sondern in der der älteren und griesgrämigen Antagonistin. Ihre „alte“ Figur hingegen spielt die aufstrebende Hollywooddarstellerin Jo-Ann, die gerade mit einem Sci-Fi-Trashfilm berühmt wurde und schon jetzt voller Allüren und dem Hang zum Skandal zu stecken scheint – zumindest wenn man dem Internet Glauben schenken mag. Maria tut sich zwar schwer (nicht zuletzt aus Aberglaube), sagt dann aber doch zu. Intensive Proben mit Valentine als Gegenüber folgen und eine große Überraschung wartet bei der ersten Begegnung mit Jo-Ann …

In Die Wolken von Sils Maria führt Olivier Assayas mit Juliette Binoche eine der bekanntesten französischen Darstellerinnen mit der US-Amerikanerin Kristen Stewart zusammen und beleuchtet den kreativen Findungs- und Entscheidungsprozess des Schauspielbusiness. Dabei erweist sich gerade die Besetzung als Coup. Juliette Binoche, die oft für warmherzige und freundliche Rollen besetzt wird, darf hier mal ein wenig auf unnahbar, affektiert und hysterisch machen. Kristen Stewart, die zuletzt schon in Camp X-Ray überzeugte und die für Die Wolken von Sils Maria als erste Ausländerin mit dem französischen Filmpreis César als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde, gibt nicht weniger als eine beeindruckende Performance ab und stellt tatsächlich in einigen Szenen Juliette Binoche in den Schatten. Die Wolken von Sils Maria ist aber nicht nur vorzüglich gespielt, sondern liefert auch einen bissigen Kommentar auf das Gehabe des Showbusiness. Von den Mühlen der Publicity und den damit verbundenen Sonderwünschen einer Schauspieldiva über das abgebrühte Verhalten einer persönlichen Beraterin bis hin zu den aufdringlichen Reportern und hanebüchener Legendenbildung gerade über die Kanäle der sozialen Medien. Herausragend ist aber die Ausarbeitung der Tatsache, dass Maria im Laufe der Zeit und der Auseinandersetzung mit dem Stück aus der anderen Perspektive vor allem mit ihrer eigenen Jugend konfrontiert wird. Plötzlich findet sie, dass das Stück ganz auf die junge Figur und gegen die ältere ausgerichtet ist – eine Tatsache, die sie vor 20 Jahren so gar nicht wahrgenommen hatte. Kein Wunder, war sie doch damals diejenige, die von dieser Ausrichtung profitierte. Im Zuge dessen lädt Die Wolken von Sils Maria dazu ein, sich mit der Persönlichkeit der Schauspielerin zu befassen, die Meta-Ebene zu entdecken und zu erleben, welche Empfindungen und Ängste in ihr zu Hause sind. Diese Stimmung schürt Assayas geschickt über 90 Minuten und zeigt Binoche mit dem Hang zum Extrovertierten beim Üben der Rolle mit ihrer Filmassistentin Valentine – von leichtem Zweifel an der Figur bis zum hysterischen Wutausbruch. Und dann, wenn man als Zuschauer die gleichen Ängste bzw. Erwartungen an die junge Jo-Ann entwickelt hat, überraschen Regisseur und Film mit einer Person, die so gar nicht den Befürchtungen entspricht. Frei interpretierbar ist dann die Tatsache, dass Valentine an einem bestimmten Moment aus der Handlung fällt. War sie überhaupt je existent und wenn ja, haben die heraufziehenden Spannungen zwischen Maria und ihr dazu geführt, dass sie sich zu diesem Schritt genötigt fühlte? Oder war sie nur der notwendige Spiegel für Marias Gefühle?

Bild- und Tonqualität

Die Wolken von Sils Maria überrascht mit einem bewusst grobkörnigem Bild, dessen Körnung in dunklen Szenen sogar noch zunehmen. Das wirkt zwar sehr filmisch, beeinträchtigt jedoch die schönen Aufnahmen der schweizer Landschaft, die kontrastintensiver und ruhiger sein könnten. Während des Schneefalls in den Bergen fällt es sogar schwer, Körnung von Schneeflocken zu unterscheiden (97’00). Die Schärfe ist beständig durchschnittlich bis schwach, leidet ebenfalls unter dem Korn. Farben sin dein wenig warm gefiltert, was wiederum gut zum Gesamtlook des Films passt. Akustisch gab es in letzter Zeit viele Filme, die sehr unspektakulär blieben – Die Wolken von Sils Maria gehört zu den unspektakulären der Unspektakulären. Selbst die Naturmomente in den Schweizer Bergen bleiben vollkommen unauffällig und nicht mal ein Vögelchen zwitschert aus den Rearspeakern. Lediglich die Filmmusik ist manchmal dezent auch von hinten zu vernehmen.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Die Wolken von Sils Maria findet sich (neben dem Trailer) ein charmantes, allerdings etwas zähes Interview mit Regisseur Assayas. Vornehmlich erzählt er von der Idee zum Film und seinen drei Hauptdarstellerinnen.

Fazit

Die Wolken von Sils Maria ist ein Schauspielerinnenfilm par Excellence. Der Zuschuer lernt nicht nur etwas über das Seelenleben einer Aktrice, sondern auch etwas über die Darstellerin selbst. Getragen von einer sehr guten Juliette Binoche und einer noch besseren Kristen Stewart gehört Assayas Werk in die Sammlung eines jeden Fans von Arthaus- und/oder Filmen französischer Herkunft. Denn diese kann Sils Maria vor allem während der letzten halben Stunde nur schwer verbergen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 50%
Tonqualität (Originalversion): 50%
Bonusmaterial: 20%
Film: 75%

Anbieter: EuroVideo
Land/Jahr: D/F/CH 2014
Regie: Olivier Assayas
Darsteller: Juliette Binoche, Kristen Stewart, Chloe Grace Moretz, Lars Eidinger, Hanns Zischler, Angela Winkler
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 124
Codec: AVC
FSK: 6

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