Fack Ju Göhte 3

Blu-ray Review

Fack Ju Göhte 3 Blu-ray Review Cover
Highlight Communications/Universal Pictures, 22.03.2018

OT: –


Chippen oder Kastrieren

The Final Fack.

Inhalt

Die Klassenfahrt ist vor einiger Zeit gewesen und mittlerweile ist wieder Alltag an der Münchner Goethe Gesamtschule eingekehrt. Zeki ist zwar wieder Single, weil Lisi nach England ausgewandert ist, unterrichtet aber immer noch die gleiche Horde. Die Schüler sind mittlerweile in der elften Klasse und bereiten sich aufs Abitur vor – naja, sie versuchen es zumindest. Allerdings fördert ein Besuch des BIZ zu Tage, dass die Kids aus Zekis Klasse mit Altenpflegerin, Feinmechatronikerin oder Fachkraft für Abwassertechnik abgespeist werden. Entweder haben die Mädels und Jungs keinen Bock auf solche Berufe oder verstehen sie erst gar nicht. Entsprechend demotiviert fragen sich Chantal & Co., für was sie überhaupt noch in die Schule gehen sollen. Als dann auch noch das Bundesministerium für Bildung vorbeischaut und nach Sichtung der katastrophalen Verhältnisse an der Schule mit der Schließung droht, geht Rektorin Gerster in die Offensive. Nur durch das Bestehen eines Leistungstests darf die Schule weiter geführt werden. Und der soll ausgerechnet mit Zekis 11b stattfinden. Da Gerster dem Lehrer wider Willen droht, dessen Vergangenheit zur Polizei zu tratschen, muss auch er sich entscheiden, welchen Weg er weiter beschreiten möchte. Bald wird allen klar: Ohne Zusammenhalt und gegenseitige Motivation wird das nichts …

7.412.417, 7.731.229, 6.031.774 – das sind nicht etwa die Koordinaten für München, sondern die Zuschauerzahlen der drei Teile von Deutschlands erfolgreichster Kino-Trilogie. Und obwohl Fack Ju Göhte 3 mit 1,7 Mio. Zuschauern weniger lief, war er dennoch die #1 in der Besuchergunst der hiesigen Kinos im letzten Jahr. Sicher, man merkt dem Thema langsam an, dass es Abnutzungserscheinungen hat und vielleicht trug auch der Ausstieg Caroline Herfurths dazu bei, die sich relativ kurzfristig auf eine neue eigene Regiearbeit konzentrieren wollte.
Bora Dagtekin und sein Hauptdarsteller Elyas M’Barek wollten die Geschichte aber zu einem würdigen Abschluss bringen. Und womit tut man das, wenn im ersten Teil ein Typ von der Straße unfreiwillig zum Lehrer wird und er im zweiten Teil mit der Schule auf Klassenfahrt geht? Richtig: Mit dem Abitur. Moment mal, die Schüler der Münchner Goethe Gesamtschule und Abitur? Ist das nicht in etwa das Gleiche wie Donald Trump und Willkommenskultur? Wenn wir ehrlich sind, ist es sogar noch schlimmer. Denn wer Chantal und Danger kennt, der weiß auch, dass es beim Anblick der vielen „Buchstaben“ und „Wörter“ in Goethes Faust zu echtem Stress kommt. Und weil am Ende der Schulabschluss gar nicht mehr so zentral ist, geht es vielmehr darum, dass man an etwas glaubt. Darum, dass man Unterstützung erhält, seine Ziele zu verfolgen – und wenn man sich die Unterstützung suchen und erkämpfen muss. So ist Fack Ju Göhte 3 eben genauso wie seien Vorgänger nicht nur eine witzige Momentaufnahme und Persiflage der aktuellen Situation in Deutschlands Schulen, sondern auf der Meta-Ebene schlicht ein warmherziger Film mit Außenseiter-Attitüde.

Und dass das so gut gelingt, dass sogar Lehrer die Film-Reihe mögen, liegt letztlich daran, dass FJG trotz aller Persiflage und trotz des Spiegels, den er der jugendlichen Generation-Facebook vorhält, seine Figuren ernst nimmt. Klar: Sie sprechen in einer Sprache, die man nur mit Mühe als Deutsch identifizieren kann. Ebenso klar: Sie verhalten sich wie eine Horde Idioten auf Testosteron bzw. Östrogen und klar auch: Sie sind nicht die hellsten Kerzen auf dem Kuchen. Aber sie sind ein Teil der Gesellschaft und hinter der Fassade aus „Chill mal!“ „Behindert“ oder „Gönnt euch“ stecken junge Menschen, die allesamt so ihr Päckchen zu tragen haben. Dass die Fack-Ju-Göhte-Filme dies dem Kinogänger und vor allem der jugendlichen Generation von heute näher gebracht haben, hat trotz der vordergründigen Asi-Verpackung möglicherweise mehr zu Reflexionen geführt als jeder wedelnde Zeigefinger eines Bildungsministers oder der x-ten PISA-Studie. Selbst der Lehrkörper als solches wird geachtet. Denn man sollte auch Fack Ju Göhte 3 nicht missverstehen als banale Verballhornung eines Berufsstandes. Ganz im Gegenteil: Trotz der unterschiedlichen Marotten der diversen Lehrer wird eindeutig klar, dass der Lehrberuf ein Knochenjob ist – auch das nimmt man mit, wenn man sich die ganze Trilogie anschaut.

Und das, obwohl gerade Katja Riemann auch im dritten Teil so richtig vom Leder zieht. Ehrlicherweise hätte der Autor dieser Zeilen vor dem ersten Teil nicht für möglich gehalten, dass gerade die sonst auf schwerere Rollen abonnierte Darstellerin dermaßen entfesselt auftreten könnte. Man darf durchaus soweit gehen, dass die FJG-Filme zu den schauspielerisch großartigsten Momenten Riemanns gehören. Schon ihr erster Auftritt mit dem Schulinspektor ist schlicht sensationell. Wenn sie im Anschluss im Lehrerzimmer Tacheles redet und ihr ein „irgend so einen Hashtag-Quark“ über die Lippen kommt, ist das einfach brüllkomisch.
Das Gleiche gilt erneut für Uschi Glas, die sich (auch schon mal im T-Rex-Kostüm) köstlich über ihr biederes Saubermann-Image lustig macht und die ohnehin schon deshalb perfekt gecastet ist, weil sie den Übergang von der „alten Schule“ der Pennäler-Filme zur neuen Generation des Subgenres darstellt.
Elyas M’Barek tut das, was er schon in den Vorgängern tat und das macht er aufs Neue charmant und witzig. Zwar dauert es ein wenig, bis seine physische Komik mal zur Schau gestellt wird, doch das sorgt dann für echte Lacher, wenn er im Jungsklo der Grundschule einen halben Spagat hinlegt, um überhaupt ins Becken zu treffen (28’10). Auch die grenzpeinlichen Sex-Versuche zwischen Chantal und Mysophobiker Ploppie (großartig: Lucas Reiber) sind spaßig. Ob es den Zäpfchen-Gag unbedingt gebraucht hätte, sei mal dahingestellt. Er zeigt aber, dass die Ideen offenbar doch langsam ausgehen und die eigentlich charmante Story sich mehr und mehr über die zwei Stunden Laufzeit retten muss, da die Gags bisweilen etwas müde ausfallen. Zumal dann die durchaus ernste und ziemlich dramatische Nebenstory mit Chantals Mutter integriert wird, bei der einem auf einen Schlag das Lachen im Hals stecken bleibt. Die Szene bekommt vor allem deshalb die Kurve, weil Neuzugang Sandra Hüller als Zekis schlagkräftige Kollegin Biggi hart durchgreift.
Was wiederum prima funktioniert, ist der Ausflug ins Thema Mobbing. Selbst wenn Zekis Vortrag dabei vorhersehbar ist, trifft er doch den Nerv und Justins Offenbarung rührt sogar die Hartgesottenen. So gerät die zweite Hälfte deutlich stimmiger als die erste und braucht den Brachialhumor auch nicht, um zu überzeugen.

Bunt ist und war es schon immer in den Filmen. Und bunt ist es natürlich auch in Fack Ju Göhte 3. Wie die Lippen hier um die Wette knallen (Jana Pallaske 21’20), das ist schon brutal und wirkt selbst bei den nicht geschminkten beinahe wie nachcoloriert. Auch das orange BIZ-Symbol leuchtet und die krasse Überkontrastierung ist schon arg Geschmackssache. Wirklich gut ist die Schärfe in den gut fokussierten Momenten. Das ist schon sehr knackig, was einem da an Details in Gesichtern entgegenkommt. Auch die Bildruhe ist extrem hoch – lediglich in ganz dunklen Szenen gibt’s mal ein leichtes Korn (56’57). Gegenüber dem Vorgänger ist das Bild etwas
Akustisch lebt Fack Ju Göhte 3 mal wieder von den rockigen Songs im Soundtrack, die sämtliche Lautsprecher durchaus mal fordern, aber ein wenig mehr Subwoofer-Unterstützung hätten haben dürfen. Zumindest die Effektspeaker werden aber reichhaltig mit einbezogen. Wirklich direktionale Surroundsignale gibt es indes nicht – sieht man von etwas Disko-Atmosphäre ab. Die Stimmen dürfen dafür sehr deutlich aus dem Center kommen – solange die teils nuschelige Sprache der Kids vom Zuschauer überhaupt verstanden wird.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial beginnt mit zwei Audiokommentaren. Einen bestreiten Dagtekin und M’Barek, den anderen Max von der Groeben und Aram Arami. Dazu gibt’s elf (oft recht kurze) Interviews und vier entfallenen sowie 18 erweiterte Szenen. In den „Special Clips“ fasst Jella Haase in ihrer Rolle vier bekannte Romane aus ihre eigene Art und Weise zusammen und das Making-of liefert gut zehn Minuten Hintergrundinfos zum dritten Teil. Outtakes gibt’s natürlich auch noch und unter „Fack Ju Special“ verbirgt sich noch mal eine Zusammenfassung aller drei Teile.

Fazit

Fack Ju Göhte 3 ist nicht mehr ganz so witzig wie seine direkten Vorgänger, legt in der zweiten Hälfte aber viel Wert auf Zusammenhalt und Motivation, gibt ein flammendes Plädoyer gegen Mobbing ab und beschließt die Trilogie mit versöhnlichen Tönen – naja, vielleicht mal abgesehen von Chantals „Suizidfotzen“.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Bonusmaterial: 50%
Film: 70%

Anbieter: Highlight Communications
Land/Jahr: Deutschland 2017
Regie: Bora Dagtekin
Darsteller: Elyas M’Barek, Katja Riemann, Jella Haase, Sandra Hüller, Max von der Groeben, Uschi Glas, Gizem Emre, Aram Arami, Lucas Reiber, Runa Greiner, Tristan Göbel, Rafael Koussouris, Bernd Stegemann, Farid Bang, Michael Maertens, Lea van Acken, Julia Dietze, Jana Pallaske, Corinna Harfouch, Lena Klenke, Irm Hermann, Neele-Marie Nickel, Anton Petzold
Tonformate: dts HD-High-Resolution 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 120
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu Fack Ju Göhte 3

https://www.youtube.com/watch?v=HxkVyQnfaf0

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