Green Room – One Way In. No Way Out.

Blu-ray Review

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Universum Film, ab 07.10.2016

OT: Green Room

 


Punx vs. Skins

In Green Room erlebt eine Punkband alles andere als eine „Minor Threat“.

Inhalt

„Da treten hauptsächlich Stiefel auf“ – Die Ansage des Punkers, der für Pats Band „The Ain’t Rights“ einen Auweichgig klarmacht, nachdem der erste vor fünf Zuschauern in einem Diner tierisch in die Hose gegangen ist, macht auch nicht gerade Müt. Denn tatsächlich spielt man in einer Backwood-Bar irgendwo in den Südstaaten vor Skinheads. Dumm, dass der Auftritt nötig ist, um überhaupt Spritgeld für die Weiterfahrt zu bekommen. Dass sich so ein Dead-Kennedys-Shirt von Gitarristin Sam nicht allzu gut vor den Hinterwändler-Naziskins macht, ist dabei nur eine Sache. Und auch die Provokation, ausgerechnet mit deren „Nazi Punks Fuck off!“ zu eröffnen, kommt wenig gut. Richtig schlimm wird’s aber, als sie beim Verlassen des Clubs über eine Leiche fallen. Da sie nun Zeugen sind, werden sie erst einmal festgehalten. Ob man sie gehen lässt, hängt von Clubbesitzer und Skinhead-Boss Darcy ab. Der sieht sein Etablissement (indem auch noch andere krumme Dinge laufen) allerdings bedroht und arbeitet einen Plan aus, wie man die Punks ausräuchern kann, die sich im Backstageraum verschanzt haben. Denn eins ist klar: Darcy wird die Vier nicht ungeschoren ziehen lassen …

Nein, Green Room war nicht Anton Yelchins letzter Film vor seinem tragischen Unfalltod (es befinden sich gar noch drei unvollendete in der Postproduktion) und dennoch tut es weh, den ebenso jungen wie talentierten und sympathischen Darsteller zu sehen. Egal, ob er den romantisch-tollpatschigen Liebhaber spielt, wie zuletzt in Von 5 bis 7 – eine etwas andere Liebesgeschichte oder eben, wie hier, den Pat der Punk-Band „The Ain’t Rights“. Die Bandbreite seiner Figuren ist dermaßen groß, dass man nur den Hut ziehen kann. In Green Room treffen nun Punks auf eine ultrabrutale Sippschaft von Neonazis und müssen um ihr Überleben fürchten und kämpfen. Dabei lässt Regisseur Jeremy Saulnier keinen Zweifel daran, dass er es ernst meint. Humor findet hier nur als zynische Randerscheinung statt und die Atmosphäre ist spätestens mit Ankunft am Skinheadclub düster und unangenehm. Je länger der Film dauert, desto mehr schnürt sich dem Betrachter der Hals zu. Spätestens nach 44 Minuten nimmt der Film dann die Ausmaße an, die sich angekündigt hatten und die für einen stetig anschwellenden Blutzoll sorgen. Wenn man so will, ist Green Room ein echter Terrorfilm mit Horroranteilen in vollkommen untypischer Umgebung – und gerade das macht ihn so reizvoll. Patrick Stewart, der lustvoll gegen sein eigentliches Image spielt, gibt im Bonusmaterial zu Protokoll, dass er das Skript bei Dunkelheit und alleine in seinem Haus las. „It scared the shit out of me“ sagt er und nach knapp einer Stunde und dem ersten erfolglosen Fluchtversuch der Punks weiß man auch warum. Green Room macht keine Gefangenen und inszeniert das Ableben einiger der Protagonisten spontaner und überraschender als dem Zuschauer lieb sein kann – Schockwirkung inklusive. Ganz wichtig und das Herausragendste an Green Room: Während andere Filme, die in der Punkrock-Subkultur spielten, meist vollkommen daneben lagen, stimmt hier vom Outfit über die Attitüde bis hin zu Symbolen und favorisierten Bands alles – und das, ohne klischeehaft rüberzukommen. Kompliment an die Macher, dass man sich in der Szene offenbar sehr gut auskennt. Fans von oldschool-Punkrock werden sich zudem über ein paar echte Hits der guten Zeit freuen und bekommen auch sonst ein musikalisches Vollbrett. Leider muss man auf Stewarts angestammte deutsche Synchronstimme verzichten und mit einem ungewohnten Sprecher vorlieb nehmen. Macht aber nichts, denn im Original ist seine Stimme ohnehin unschlabar und vermittelt hier noch mal mehr Rohheit und Echtheit. Die englische Spur ist deshalb die bessere Wahl. Schauspielerisch tut sich neben Patrick Stewart und Anton Yelchin vor allem Imogen Poots (Broadway Therapy) hervor, die das Skinhead-Mädchen Amber bis zum rachlüsternen Ende leidenschaftlich spielt.

Bild- und Tonqualität

So grün wie der Filmtitel ist auch das Bild von Green Room. Nahezu jede dunkle Oberfläche wirkt verfärbt und Umrisse fransen aus. Der Kontrastumfang ist mies und die Schärfe allenfalls durchschnittlich. Dazu ist es bis auf wenige Einstellungen zu Beginn arg dunkel und noch dazu grobkörnig. Damit passt sich der Look vollständig dem schmuddeligen Club an und transportiert die Geschehnisse absolut authentisch – auch wenn’s nicht schön aussieht. In Sachen Sound nehmen sich vor allem die Punkrock- und Grindcore-Songs effektvoll heraus. Schüsse werden meist trocken und eher frontal wiedergegeben, Stimmen sind gut verständlich. Echte direktionale Effekte gibt’s, wenn das akustische Feedback nicht nur den Hunden in den Ohren schmerzt.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Green Room warten insgesamt fünf Featurettes, die Patrick Stewart zu seiner Rolle zu Wort kommen lassen und sich dann vor allem um die Authentizität der Szenerie und der Subkultur sowie um den Horror in der Geschichte. Da jedes einzelne Feature nicht mal zwei Minuten läuft, ist das Ganze allerdings nicht allzu erschöpfend.

Fazit

Green Room ist nicht nur eine kleine Perle des Genres, sondern steht auf einer Ebene mit American History X oder Hooligans. Als solcher hat er das Zeug dazu, der neue Kultfilm der Anarchoszene zu werden – selbst wenn wir nicht erfahren, welche Band Pat auf einer einsamen Insel hören würde.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 50%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 30%
Film: 85%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Jeremy Saulnier
Darsteller: Imogen Poots, Sir Patrick Stewart, Anton Yelchin, Alia Shawkat, Joe Cole, Callum Turner, Mark Webber
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 96
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)

Trailer zu Green Room

Green Room - Trailer (deutsch/german)

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