Interstellar

Blu-ray Review

Interstellar Blu-ray Review Cover
Warner Home, 31.03.2015

OT: Interstellar

 


Murphys Law

Ist Christopher Nolans Sci-Fi-Mammutwerk ein neuer Meileinstein im Genre?

Inhalt

Irgendwann in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts: Es gibt keine Armeen mehr, weil sich die Menschen einig sind, dass man die letzten Tage auf der Welt nicht auch noch im Krieg miteinander sein muss. Denn die Erde ist dabei, ihre letzten Atemzüge zu tun. Gigantische Sandstürme sind nur ein Zeichen dafür, dass die Natur sich gegen die Menschen richtet. Ex-Nasa-Pilot Cooper, Vater zweier Kinder, weiß, dass seine junge Tochter wohl die letzte Generation ist, die die Erde lebendig erleben wird. Doch dann führt ihn das Schicksal zu den alten Kollegen der Nasa. Die berichten ihm von der „Lazarus-Operation“ – einer Mission, die das Verlassen der verbleibenden Menschen von der Erde ermöglichen soll. Dies jedoch muss gründlich vorbereitet werden, denn erst einmal muss eine neue Welt gefunden werden. Eine aussichtslose Aktion, wie Cooper findet, denn der nächste Stern ist 1000 Jahre entfernt. Was er nicht weiß: Es existiert ein Wurmloch nahe des Saturn – ein Übergang in eine neue Galaxie. Dennoch würde die Mission einige Jahre in Anspruch nehmen. Jahre, in denen Cooper von seinem Sohn und seiner Tochter entfernt wäre. Er muss sich entscheiden: Bleibt er bei seiner Familie, oder nimmt er Teil an der Mission, um für seinen Kinder ein neues, bewohnbares Zuhause zu finden? Cooper wählt die Zukunft. Doch die Mission bleibt nicht unproblematisch. Der erste in Frage kommende Planet liegt in einer Zeitverschiebung, in der eine Stunde über sieben Jahre auf der Erde bedeuten würden. Die Mannschaft muss also mit der Zeit haushalten, um überhaupt noch Bewohner auf dem blauen Planeten übrig zu halten, die man retten kann. Falls dies nicht mehr garantiert werden kann oder der Treibstoff für die Heimreise zur Neige geht, tritt Plan B in Kraft: Die Weiterreise zu einem geeigneten Planeten, um dort mit befruchteten Eizellen eine neue menschliche Kolonie zu gründen …

Christopher Nolan und sein Autorenbruder Jonathan bleiben zwar dem fantastischen Element treu, lassen ihr neues Mammutwerk Interstellar aber bedeutend fundierter und wissenschaftlicher erscheinen als die Batman-Trilogie oder vor allem Inception. Nolan, erklärter Fan von Kubricks Meisterwerk 2001: A Space Odyssee, hat sich mit diesem Film praktisch den Traum erfüllt, sein eigenes Science-Fiction-Meisterwerk zu inszenieren – jedenfalls wollte er das. Bisweilen gelingt ihm das durch seine bedächtige und konzentrierte Erzählweise, durch die Fokussierung auf die Figuren und die tragische Reichweite der Mission. Allerdings gehen er und sein Bruder mit der Geschichte wissenschaftlich und philosophisch bisweilen ein Stück zu weit. Philosophisch bauschen sie Interstellar zu einer größeren Blase auf, als es sein müsste und technisch überforden sie vermutlich eine Vielzahl der Zuschauer. Vielleicht war es etwas zu gut gemeint, den Film vornehmlich auf den Theorien von Astrophysiker Kip Thorne (der eng beratend am Set dabei war) basieren zu lassen. Denn auf diese Weise verschmelzen die Emotionen der Figuren mit der komplizierten Physik im Hintergrund nicht immer zu einer Einheit. Davon abgesehen ist Interstellar ein Sci-Fi-Beitrag, den man so schon lange nicht mehr zu Gesicht bekam. Zwar gibt es actionreiche und auch durchaus spannende Momente, doch die Atmosphäre, die Nolans Film entwickelt, erinnert tatsächlich vor allem an Kubricks 2001. Begünstigt durch die stillen Aufnahmen des Andockens von Raumschiffen an Raumstationen, durch unmittelbar auf der Außenhülle der Objekte montierte Kameras und das Innenraumdesign der Endurance sowie des Shuttles hat man oft das Gefühl, Kubrick hätte als Berater zur Seite gestanden – nur dass er dieses Mal gesagt hat, die Details dürfen ruhig ein wenig schmuddeliger und benutzter aussehen.

Aus Sicht der Figuren und ihrer Darsteller hat Nolan im Prinzip alles richtig gemacht. Selbst die sonst eher blasse Anne Hathaway überzeugt weitgehend als Wissenschaftlerin mit eigenem Kopf an der Seite von Pilot Cooper. Matthew McConaughey, der Interstellar relativ kurz nach Dallas Buyers Club gedreht hat, ist noch ein wenig schmal, was ihn aber nicht daran hindert, erneut eine herausragende Leistung abzuliefern. Vielleicht nicht ganz so stark, wie in besagtem Drama als HIV-Aktivist, allerdings zeigt er, dass mit ihm weiterhin auch in Charakterrollen zu rechnen sein wird. Die überraschendste Rolle hat sicherlich Matt Damon, der unvermittelt auftaucht und gegen seinen sonstigen sympathischen Heldentypus besetzt ist. Jessica Chastain hat die etwas undankbare Figur der Murphy im Erwachsenenalter erwischt. Sie hätte durchaus noch mehr Screentime verdient gehabt, um ihr Wirken an der Formel noch intensiver darzustellen. Insgesamt funktionieren die Beziehungen zwischen den Figuren allerdings sehr gut und es gibt durchaus Szenen, die im Gedächtnis bleiben. Regelrecht krass ist der Moment, in dem Cooper und Brand von ihrem dreistündigen Miller’s-Planet-Trip zurückkommen und auf einen Romilly treffen, der 23 Jahre!! lang auf die Zwei gewartet hat. Auch das Abhören der aufgelaufenen One-Way-Nachrichten von Daheim, wo mittlerweile 30 Jahre vergangen sind, sorgt für einen dicken Kloß im Hals. So sind es dann auch gar nicht allein die technischen Details und das Wissenschaftsgerede, das fesselt, sondern die menschlichen Dramen dahinter. Nolan nutzt den Kniff, erst wieder Ereignisse auf der Erde zu schildern, als dort drei Jahrzehnte vergangen sind, was dafür sorgt, dass die Distanz zwischen Vater und Tochter fast spürbar wird. Schenken können hätte Interstellar sich allerdings die Rolle des Sohnemanns. Schon in den Szenen, in denen er mitspielt, wird er lapidar nur als minderintelligenter Typ charakterisiert. Allerdings wird’s danach noch schlimmer: Darf er zwischendurch noch ein paar Videobotschaften ins All senden und von seiner eigenen Vaterschaft verkünden, ist er auf der Erde später nur noch der bremsende Traditionalist, der allem im Weg steht – sogar der Gesundheit seiner Frau und seines Kindes. Konsequent scheint dann fast, dass Nolan es nicht mal mehr für nötig hält, dass Papa Cooper sich nach seiner Rückkehr nach ihm erkundigt – was für ein Rabenvater. Das ist dann auch nur einer von mehreren mittelschweren Logikbrüchen und Zeit-Dissonanzen, die dem sonst so aufmerksamen Filmemacher hier unterlaufen sind – schade.

Optisch ist Interstellar unzweifelhaft ein absolutes Highlight. Schon der „reguläre“ Raumflug innerhalb unserer Galaxie überzeugt mit atemberaubenden Bildern. Erst Recht, wenn die Crew dann auf Miller’s Planet ist und eine Welle von der Höhe des Burj Khalifa über das Shuttle hereinbricht. Wie schon bei Batman Begins reiste Nolan für die Aufnahmen auf Miller’s und Mann’s Planet nach Island. Die in allen Belangen außergewöhnliche Insel liefert den Hintergrund für ebenso sensationelle wie unwirtliche Bilder, die beinahe nicht von dieser Welt zu stammen scheinen. Aber auch die rasanten Szenen im All sorgen für aufklappende Münder. Wenn Cooper die ins Trudeln geratene und kurz vor dem Kollaps befindliche Endurance mit dem Shuttle wieder „einfängt“, dann ist das atemberaubendes Science-Fiction-Kino von allerhöchster Bildgewalt. Und wenn Nolan nach gut 140 Minuten mit multidimensionalen Spiegelungen arbeitet, gesellt sich sogar wieder so etwas wie der Inception-Look hinzu.

Bild- und Tonqualität

Da die Filmdisk von Interstellar vollständig frei ist von Bonusmaterial (nicht mal ein Trailer findet sich hier), kann sich die Scheibe voll auf die zur Verfügung stehende Bandbreite konzentrieren, um die möglichst beste Bildqualität zu erreichen. Leider gelingt dies nicht immer in vollstem Maße. So zeigen sich bisweilen deutliche Randunschärfen, die auch nicht durch die Kameraeinstellungen alleine erklärt werden können. So ist im Besprechungszimmer der rechte Bereich bis zum Verschwimmen soft, während auf der linken Seite eine authentische Unschärfe herrscht (31’33). In Naheinstellungen und den vielen Szenen im Raumschiff, bei denen sich das All auf den Visieren der Helme spiegelt, könnte das Bild hingegen kaum knackiger und besser sein. Hier geht dem geneigten Qualitätsfreund einfach das Herz auf. Dennoch tun sich auch hier wieder Randprobleme auf. Dieses Mal an der unteren Abgrenzung (Hathaways Reißverschluss 63’01) – woher nur immer diese Randunschärfen kommen …?
Wie schon bei Batman, nutzt Nolan auch in Interstellar wieder IMAX-Elemente, weshalb sich das Bildformat zwischen 16:9 und 21:9 abwechselt. Bisweilen geschieht das arg oft von Schnitt zu Schnitt. Vor allem die Außenaufnahmen im Weltall werden im IMAX-Format wiedergegeben, während die Innenszenen im Raumschiff wieder im Cinemascope-Format sind. Das stört immer dann, wenn man sich darauf konzentriert. Denkt man nicht weiter drüber nach, fällt es einem bald nicht mehr auf. Was allerdings auffällt: Die Bildqualität während der 16:9-IMAX-Szenen ist sichtbar besser. Die Auflösung wirkt höher, die Bildruhe ist besser und die umfassende Schärfe gefällt ebenfalls mehr.
Der Ton feiert seinen Einstand mit einem Muster an Effektreichtum, Dynamik und räumlicher Präsenz, wenn Cooper vom Absturz träumt. Auch wenn er durch seinen Mais pflügt, um die Drohne zu fangen, trumpfen sämtliche Lautsprecher groß auf. Jeder einzelne Kornkolben scheint im Heimkino zu landen und der (wie immer bei Nolan von Hans Zimmer komponierte) kongeniale Filmscore  pumpt dazu ordentlich und kraftvoll in den Raum. Herausragend ist Nolans Plädoyer für akustische Authentizität im Weltraum. Wie schon in Cuaróns Gravity, spart sich Nolan jedes Geräusch, sobald das Raumschiff im Orbit ist. Das sorgt für ein Höchstmaß an Realismus in Interstellar. Selbst das Andocken an die Raumstation wird von außen betracht absolut still gezeigt – Respekt für diese konsequente Umsetzung. Dagegen wirkt gerade der orchestral-kirchliche Soundtrack schon mal etwas arg laut und Orgeltöne werden bisweilen bis ins Überdramatische gesteigert. An der Stelle weist die deutsche Tonspur leider das Manko zu leise eingepegelter Stimmen auf und man ertappt sich dabei, immer mal wieder den Laustärkeregler bemühen zu müssen.

Bonusmaterial

Sämtliches Bonusmaterial von Interstellar findet sich auf der Bonusdisk. Dort unterteilt es sich in zwei Bereiche, „The Science of Interstellar“ und „Inside Interstellar“. Das erste Featurette wird von Matthew McConaughey kommentiert und ist ein extra für den Film produziertes Hintergrund-Special, das die Fakten und theoretischen Möglichkeiten hinter der Filmidee mit dem fiktionalen Endergebnis verknüpft. Die Mitarbeit des Astrophysikers Kip Thorne war dabei von entscheidender Wichtigkeit. Thorne beschäftigt sich seit Jahren mit der Theorie von Gravitationswellen, der Krümmung von Raumzeit und spekuliert über die Möglichkeit von Zeitreisen mit Hilfe von Wurmlöchern. Als Mit-Ausführender Produzent des Films basiert die Geschichte von Interstellar praktisch auf seinen Untersuchungen und die Zusammenarbeit zwischen Thorne und Nolan war extrem eng.
„Inside Interstellar“ teilt sich wiederum in 14 kleine Hintergrundfeaturettes mit insgesamt etwas über zwei Stunden Laufzeit auf und beschäftigt sich mit sämtlichen Aspekten des Sci-Fi-Films. Von der Grundidee über die Schauplätze und Drehorte sowie die Sounds und Musik bis hin zum Design der Raumanzüge und das Drehen auf Island, das Miller’s und Mann’s Planet „doublen“ durfte. Herausragend ist dabei nicht nur der Informationsgehalt, der weit über den durchschnittlichen Making-ofs liegt, sondern auch die Tatsache, dass Nolan (wie eigentlich immer) sehr nahe und auskunftsfreudig ist. Gerade das Feature zu den Dreharbeiten auf Island zeigt eindrucksvoll, dass Nolan abseits aller nötigen digitalen Effekte immer so viel wie möglich authentisch und echt drehen möchte – und wenn die ganze Crew tagelang in Anglerhosen knietief im Wasser stehen muss.

Fazit

Interstellar ist ein Science-Fiction-Film, der nachwirkt und nachwirken muss. Für Freunde von leichter Mainstreamkost ist er nur schwer genießbar und macht es seinen Zuschauern auch nicht immer ganz leicht. Ein zweites Mal anschauen dürfte in jeder Hinsicht sinnvoll sein – ob nun aus dem Grund, ihn noch besser zu verstehen (und zu mögen) oder sich dann noch weiter zu distanzieren, das bliebe nachzuprüfen …
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität CINEMASCOPE: 80%
Bildqualität IMAX: 90%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 90%
Bonusmaterial: 90%
Film: 70%

Anbieter: Warner Home
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Christopher Nolan
Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Jessica Chastain, Sir Michael Caine, Ellen Burstyn, John Lithgow, Wes Bentley, Casey Affleck, Matt Damon
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1 / 1,78:1
Laufzeit: 169
Codec: AVC
FSK: 12

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