Sie nannten ihn Jeeg Robot

Blu-ray Review

Pandastorm/Edel, 03.02.2017

OT: Lo chiamavano Jeeg Robot

 


Misanthropischer Superheld

Superheldenvariante Made in Italy.

Inhalt

Enzo ist (mal wieder) auf der Flucht vor der Polizei und findet einen Ausweg nur in ein paar Hütten direkt am Kanal. In selbigen springt er kurz darauf, um sich vor seinen Häschern zu retten. Dass er dabei mit radioaktivem Müll in Berührung kommt, merkt er zunächst bis auf einen seltsamen Film am Körper nicht. Doch weil er kurz darauf auch eine ölige Substanz erbricht und sich so gar nicht gut fühlt, ahnt er, dass da was schief gelaufen ist. Doch das, was da schief gelaufen ist, führt für Enzo zunächst zu angenehmen Nebenwirkungen. Denn die Reaktion mit der Radioaktivität verleiht ihm Superkräfte, die er erst einmal dafür nutzt, ganze Geldautomaten aus den Wänden zu ziehen. Als er der unter ihm wohnenden Alessia das Leben vor dem Ganoven „Gypsy“ rettet, will die Comicliebhaberin ihn unbedingt zum Superhelden aufbauen – frei nach ihrem Zeichentrick-Hero Jeeg Robot. Doch Enzo ist nun mal Menschenfeind und will nichts am Hut haben mit der Rettung der Bevölkerung. Zumal eben jener Gypsy Interesse an den Fähigkeiten des muffeligen Kraftprotzes bekommt und mit ihnen am liebsten ganz Rom beherrschen möchte …

Marvel und DC kennen und mögen wir. Die Superhelden der beiden Comic-Schmieden begleiten uns vor allem seit ein paar Jahren beständig und mit immer neuen neuen Abenteuern. Bisher haben die USA also das Monopol auf Superhelden. Doch nicht das ganze Filmuniversum wird von US-Heroen bevölkert. Ein stiefelförmiges europäisches Land liefert mit Sie nannten ihn Jeeg Robot eine Variante ab, die schon auf dem Fantasy Filmfest für stehende Ovationen sorgte. Und das, wo der Titelheld weder mit einem Sixpack, noch mit sonderlich hoher Intelligenz ausgestattet ist. Vielmehr lebt er in einer abgerockten Bude, die eher nach Junkie als nach künftigem Helden aussieht. Dazu passt, dass die Gewaltausuferungen eher eines Zack Snyders, denn eines Joss Whedon würdig sind. Beispielsweise, wenn Gangsterboss Gypsy einem in Ungnade gefallenen Kollegen mit einem Handy den Schädel zertrümmert (14’00). Ohnehin ist der Humor, den Sie nannten ihn Jeeg Robot nutzt, ziemlich absurder und manchmal grobschlächtiger Natur, nimmt bisweilen aber auch melancholische Formen an. So ist Enzo ein ziemlich einsamer Kerl, dessen Sexheftchen überall auf dem dreckigen Boden herumliegen und der abends vor dem Fernseher gerne Pornos schaut. Wenn er dann seine Kraft entdeckt, ist das nicht der Gute-Laune-Witz eines Spiderman, sondern hat eher tragische Elemente und vom ersten erbeuteten Geld aus einem Bankautomaten kauft sich Enzo Joghurts und … neue Pornos.

Glücklicherweise bleibt das wilde Herumgefuchtel früherer italienischer Genrewerke aus. Und so darf man sich schon mal köstlich darüber amüsieren, wenn Enzo seinen soeben abgetrennten kleinen Zeh in seinem Schuh sucht wie eine heruntergefallene Murmel. Jeeg Robot mag nicht das Tempo der bekannten Superheldenfilme mitbringen, mischt dafür aber auf einzigartige Weise Mafia-Elemente unter und entwickelt in der Beziehung zwischen Enzo und Alessia ein Flair, das immer wieder an Léon und Mathilda aus Léon, der Profi erinnert. Fast schon bezaubernd ist es, wenn der Superheld dem psychisch angeschlagenen Mädchen ermöglicht, auf dem Karussell eines verlassenen Jahrmarkts zu fahren. Dass sich auch bittere Töne beimischen, spürt man kurz darauf, wenn die beiden sich in der Umkleidekabine näherkommen. Weil Gabriele Mainettis Film aber wirklich gekonnt Schubladen und Stereotypen karikiert, ist der Film trotz mancher Dehnung bei seinen zwei Stunden Laufzeit durchweg originell. Wenn es mal etwas zu zäh wird, retten die Darsteller meist über diese Längen. Denn, während Luca Marinelli als „Zigeuner“ nur bedingt böse wirkt, weil man ihm zu viel Overacting abverlangt, funktionieren Claudio Santamaria und Ilenia Pastorelli in den Rollen von Enzo und Alessia vorzüglich. Santamaria gibt den brummigen Misanthropen mit müdem Blick und einer stoischen Ruhe, die auch dann nicht nachlässt, wenn Alessia ihm wütend auf die Brust trommelt. Und so kommt es, dass Enzo am Ende doch noch der Bestimmung nachkommt, die Alessia ihm prophezeit hat. Beweisen muss er das in einem finalen Kampf, bei dem der Asphalt schon mal Risse bekommt.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Jeeg Robot unterstützt das Geschehen meist entsprechend dem, was man sieht. In Enzos Wohnung ist es schmuddelig, also ist auch das Bild dort (und in den schmutzigen Hinterhöfen) entsprechend gräulich, etwas verrauscht und alles andere als auf Hochglanz getrimmt. Die Nahaufnahmen können noch gefallen, während Halbtotale etwas unschärfer wirken. Der Kontrastumfang ist eher mittelprächtig und hält keine sonderliche Dynamik bereit. Artefakte, Treppenbildung oder ähnliches gibt’s aber auch in Schwenks nicht zu bemängeln.
Zu Beginn ist’s vor allem der elektronische Score, der recht räumlich aus allen Lautsprechern tönt. Sie nannten ihn Jeeg Robot dürfte allerdings etwas voluminösere Stimmen haben, die gegenüber den actionlastigeren Szenen deutlich das Nachsehen haben. Allzu viel Action gibt es allerdings ohnehin nicht, weshalb das Geschehen sehr oft überraschend still bleibt.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Jeeg Robot stellt leider nur den Originaltrailer und weitere Programmtipps zur Verfügung.

Fazit

Sie nannten ihn Jeeg Robot ist eine italienische Superheldenvariante, die so gar nichts mit Marvel oder DC zu tun hat und eher für Freunde des absurden Kick-Ass-Humors funktioniert. Allerdings gesellt sich viel Tragikomik und Melancholie dazwischen, was den Film ziemlich einzigartig werden lässt. Nicht für Jedermann, aber für Freunde des Über-den-Tellerrand-Schauens mehr als einen Blick wert.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 10%
Film: 70%

Anbieter: Pandastorm/Edel
Land/Jahr: Italien 2015
Regie: Gabriele Mainetti
Darsteller: Claudio Santamaria, Ilenia Pastorelli, Luca Marinelli, Stefano Ambrogi, Maurizio Tesei, Francesco Formichetti
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, it
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 117
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Sie nannten ihn Jeeg Robot

Sie nannten ihn Jeeg Robot | Trailer deutsch HD | Actionfilm

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Holger B.

Hi Timo,
ich danke mal wieder für den Tipp. Wirklich ziemlich anguckbar, der Streifen.
Bis dann: Holger