The Autopsy of Jane Doe

Blu-ray Review

The Autopsy of Jane Doe Blu-ray Review Cover
Universum Film, 20.10.2017

OT: The Autopsy of Jane Doe

 


Unbekannte Leiche mit Historie

Obacht: Hier kommt einer der spannendsten Horrorfilme der letzten Jahre.

Inhalt

Austin wollte eigentlich den Abend mit seiner Freundin verbringen. Doch weil er mit seinem Dad das Familien-Unternehmen eines Leichenbestatters führt, muss er einspringen, als die Polizei den beiden eine von außen scheinbar unverletzte tote Frau bringt. Da der Sheriff so schnell wie möglich Erkenntnisse braucht (man kennt nicht mal den Namen des Opfers), macht sich das Vater-Sohn-Gespann ans Werk. Während ihrer Untersuchungen an der Leiche stellen die Beiden fest, dass sie nur äußerlich unversehrt ist. stoßen aber schon früh auf Ungereimtheiten. Innerlich gleicht ihr Körper dann einem Schlachtfeld: Knöchel gebrochen, Zunge abgetrennt, Schnittverletzungen im Vaginalbereich – die Peiniger der Unbekannten haben offenbar Foltermethoden walten lassen. Doch das ist noch nicht alles, denn je weiter Austin und sein Vater in ihren Erkenntnissen kommen, desto mysteriöser wird der Fall. Weder passen die inneren Verletzungen zum äußeren Erscheinungsbild, noch lassen sich diese Traumata in irgendeiner Weise erklären. Außerdem mehren sich seltsame Dinge. Das Radio gibt komische Geräusche ab, der Strom schwankt und die Türen der Leichenboxen öffnen sich selbstständig – ob das alles noch mit rechten Dingen zugeht …?

Es gibt sie noch, die innovativen und WIRKLICH spannenden Filme. Die, die weit aus dem Einerlei der Genreproduktionen herausragen. Mit The Autopsy of Jane Doe kehrt André Øvredal (Trollhunter) auf den Regiestuhl zurück und legt einen dermaßen nervenzerrenden Film vor, dass man sich die Nägel schon mal wachsen lassen sollte, um sie entsprechend während des Films abkauen zu können. Und das, obwohl (oder gerade weil) die blutigen Szenen nach zehn Minuten zunächst praktisch abgeschlossen sind. Der Regisseur konzentriert sich ausnahmslos auf seine schneidend dichte Atmosphäre, die durch das begrenzte Setting im Keller des alten Hauses und die detaillierte Ausstattung noch verstärkt wird. So sind die Holzwände der Flure abgeschliffen, die Böden zeugen vom Herumfahren der Rollbahren und die Aufzugstür ist völlig verkratzt. Außerdem ist Øvredal ein Meister der Ausleuchtung und effektiven Kamerapositionen. Immer wieder filmt er aus ungewöhnlichen Perspektiven, was eine bisweilen starke Intimität zur Toten bewirkt und den Zuschauer bisweilen stärker ins Geschehen einbindet als es ihm lieb sein kann. Außerhalb des eigentlichen Autopsie-Raums erzeugen die immer wieder eingestreuten Szenen über den Konvex-Spiegel echten Thrill – und das nicht nur, wenn dort plötzlich Figuren auftauchen. Dazu gesellen sich fiese Geräusche, wenn Austins Dad beispielsweise die Rippenschere ansetzt. Ohnehin wird die Akustik extrem effektiv genutzt, um zusätzlich für Grusel zu sorgen: Poltern im Lüftungsschacht, seltsame Geräusche aus dem Radio oder das Unwetter draußen – The Autopsy of Jane Doe weiß, wie man Surroundsound effektiv nutzt. Doch selbst wenn die Inszenierung gelungen ist und das Setting stimmt, wenn das Drehbuch packend und mysteriös genug ist, um als Zuschauer beständig mitzurätseln, würde ein Film immer noch nicht zwingend funktionieren, wenn die Darsteller es nicht vermitteln könnten.

Emile Hirsch und Brian Cox erweisen sich allerdings als absolutes Traumpaar für das kammerspielartige gemeinsame Agieren. Während der kompletten Laufzeit von effektiv 80 Minuten sind beide fast ausnahmslos gemeinsam vor der Kamera. Vielleicht hätte man ihren Figuren noch etwas mehr Hintergrund geben können, erfahren dürfen, was mit Austins Mutter wirklich passiert ist. Das ist neben der Tatsache, dass die zwei erfahrenen Leichenbestatter vielleicht etwas relaxt auf die widernatürlichen Ereignisse reagieren aber auch das einzige, das man an The Autopsy of Jane Doe mäkeln kann. Weil aber die Spannung ab der 30. Minute eine derartige Intensität erreicht, wie man sie zuletzt überhaupt nicht mehr gespürt hat, überlegt man ohnehin nicht lange darüber nach. Besonders krass ist die Tatsache, dass dieser Thrill für eine gute halbe Stunde anhält, ohne dass es auch nur einmal einen Moment zum Verschnaufen gibt. Bis zu diesem einen Moment, der dem Film auch noch eine tragische Beinote verpasst. Øvredal spielt derart effektiv auf der Klaviatur von Furcht und Schrecken, dass man manchmal verwundert ist über seine eigenen Reaktionen. Austin muss zwischendurch durch schmale Spalten oder Türritzen schauen, um etwas zu erspähen. Klar, dass im nächsten Moment der optische Schock einsetzt – und ebenso klar, dass man sich (fast) zu Tode erschreckt, obwohl man’s weiß. Spätestens dann, wenn das Leichen-Glöckchen zu bimmeln beginnt, sitzt man minutenlang mit echter Gänsehaut vor dem Fernseher. Weil die Story keinen billigen Mummenschanz betreibt, sondern durchaus rationale Erkenntnisse gegen die zunehmend mythischen Aspekte setzt, fühlt man sich hier auch inhaltlich nicht für dumm verkauft – etwas, das vielen Genre-Filmen mit ähnlichem Inhalt immer wieder passiert.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von The Autopsy of Jane Doe nutzt zwar ein filmisches Korn, was aber insgesamt relativ unauffällig bleibt und auch in dunklen Szenen nicht deutlich stärker wird. Vornehmlich sieht man es auf uniformen Hintergründen. Farben sind bewusst kühl gehalten, was dem Film einen technisch-medizinischen Look beschert. Die Schärfe ist durchweg eher mittelprächtig und liefert nicht die maximale Fülle an Details. Wenn sich Gesichter bewegen, wirken diese bisweilen sehr soft, was an einer relativ schlechten Bewegungsschärfe liegt. Werden die Darsteller statisch gefilmt, sieht’s deutlich besser aus. Gerade Brian Cox‘ Antlitz, bzw. dessen Gesichtsfurchen profitieren dann von hoher Detaildichte. In einigen dunklen Szenen (beispielsweise im Krematorium während der Verbrennung der Katze) werden Einzelheiten allerdings massiv im Schwarz verschluckt und es gesellen sich auch noch Color-Banding-Effekte hinzu.
Auch akustisch kommt The Autopsy of Jane Doe mühelos an Big-Budget-Produktionen heran. Schon der erste Blitz der Tatort-Kriminalisten sorgt für einen raumfüllenden Effekt mit Nachdruck. Dazu kommt der stets breit aufgestellte Filmscore, der durch seine schwebenden Sounds von Beginn an Grusel erzeugen kann und manchmal äußerst dynamisch anschwillt. Setzt dann der Grusel ein, werden die vorhandenen Lautsprecher auf höchst effektvolle Weise genutzt, um zusätzliche Spannung zu erzeugen: Geräusche aus dem Belüftungssystem, der grollende Donner draußen die Sounds, die von den Erscheinungen ausgehen – das alles wird so wirkungsvoll eingesetzt, dass sich der Grusel über den Ton höchst effektiv auf den Zuschauer überträgt.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Autopsy of Jane Doe gibt’s zunächst sieben Interviews mit den Darstellern, dem Regisseur und den Produzenten. Die fallen zwar ziemlich nüchtern aus, halten aber durchaus interessante Informationen bereit. Dazu gibt’s eine unkommentierte B’Roll mit Blicken hinter die Kulissen der Produktion. Beides ist nicht untertitelt.

Fazit

The Autopsy of Jane Doe ist ganz mühelos der spannendste Grusler des Heimkino-Herbstes und bildet neben Lights Out und Don’t Breathe das beste Horror-Trio des Jahres 2017.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 30%
Film: 90%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: Großbritannien/USA 2016
Regie: André Øvredal
Darsteller: Olwen Catherine Kelly, Emile Hirsch, Brian Cox, Ophelia Lovibond, Michael McElhatton, Parker Sawyers
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 86
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Autopsy of Jane Doe

The Autopsy of Jane Doe - Trailer

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
2 Kommentare
Neueste
Älteste Most Voted
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen!
Jan-Hendrik

Danke für die Empfehlung durch das Review! Selten ein Film erlebt der so dicht und intensiv von der Stimmung war! 9/10