The Brave

Blu-ray Review

The Brave Blu-ray Review Cover
Capelight Pictures, seit 05.08.2016

OT: The Brave

 


Opferbereitschaft

„Für die Familie sterben“ bekommt in Johnny Depps Regiedebüt von 1996 eine ganze wörtliche Bedeutung.

Inhalt

Raphael gehört zu den Native Americans, denen kein gutes Leben beschert wurde. Sein Leben verbringt der Vater von zwei Kindern mit seiner Frau in einem Wohnwagen auf einer Müllhalde. Dort sammelt er, was er zu Geld machen kann, leidet aber jeden Tag aufs Neue daran, seiner Familie nichts bieten zu können. Weil es ihn quält, in die traurigen Augen seines Sohnes zu schauen, geht er in die Stadt und lässt sich über einen dubiosen Typ an einen fetten alten Mann im Rollstuhl vermitteln, der Raphael 50.000 Dollar bietet. Dafür muss der Familienvater nichts weiter tun, als sich foltern und schließlich töten lassen …

Zwanzig Jahre sollte es dauern, bis sich Johnny Depp mal wieder auf den Regiestuhl setzt und seinem seit Fluch der Karibik 3 zum Freund gewordenen Kollegen Keith Richards in einer noch unbetitelten Dokumentation ein Denkmal setzt. Hier geht es aber um eben jenen Film, mit dem Depp sich vor zwei Jahrzehten erstmalig als Inszenator versuchte. In The Brave, für das er nach einer  Vorlage Gregory McDonald auch am Drehbuch mitschrieb, bedient er sich ganz bewusst und sichtbar bei jenen Regisseuren, die ihn zuvor schon als Schauspieler in gemeinsamen Werken beeindruckt hatten. Jim Jarmusch, mit dem er 1995 Dead Man drehte und Emir Kusturica, für den er 1992 in Arizona Dream vor der Kamera stand, sind in Depps schwermütigem Regiedebüt unverkennbar gegenwärtig. Geredet wird dann auch nur das Nötigste und die ersten zehn Minuten kommt man praktisch ohne gesprochenen Dialog aus. Dafür begleitet ein melancholischer Akustik-Gitarren-Track, der auch aus einem Western mit Ennio-Morricone-Filmmusik stammen könnte, das Geschehen. Melancholie ist in der Tat die Grundstimmung in The Brave, der sich ganz weit vom Hollywood-Glamour fernhält und puren Pessimismus ausstrahlt – im Übrigen vor allem in der Rolle des „satten“ McCarthy mehr als in der des Raphael. Der reiche Mann, der seinem Leben nur noch etwas abgewinnen kann, wenn er andere quält, steht als Sinnbild für die „andere Seite“. Jene Seite, von der Raphael und seine Familie so weit entfernt sind, als lebten sie auf einem anderen Planeten. Und so ist The Brave dann neben existenziellem Drama und Western auch ein Film mit sozialpolitischem Gewissen.

Bild- und Tonqualität

Nachdem es The Brave bisher nur auf DVD gab – und das auch schon seit einiger Zeit nicht mehr – veröffentlicht Capelight Pictures Depps Regie-Erstlling nun als Blu-ray-Premiere und legt damit die bisher bestmögliche Bildqualität für den Film vor. Was allerdings nicht heißen soll, dass es der Film qualitativ mit aktuellen Produktionen aufnehmen kann. Dafür ist das Korn zu heftig und die leichten Helligkeitsschwankungen sind ebenfalls nicht schön. Die Detailtiefe auf dem Schrottplatz könnte besser sein udn Halbtotale wirken nur bedingt scharf. Ganz anders allerdings die Close-ups, die den Schweiß auf Raphaels Brust offenbaren. Ebenfalle sehr gut für das Alter des Werks sind die ruhigen und harmonischen Innenraumszenen. Schon im Wohnwagen sieht das Geschehen klarer und ruhiger aus, wirken Konturen besser umrissen und Farben sind kräftiger. Auch das faltige Antlitz Brandos kommt gut zur Geltund, wenn die Kamera im Fokus ist. Die Aufnahmen des verdienten Mimen sind auch immerhin so gut aufgelöst, dass man die Klebestellen an den Schläfen erkennen kann, die den Anfang seiner (scheußlichen) angepappten „Frisur“ markieren. Wirklich gut gelingt auch der Schwarzwert, der Depps Indianermähne kräftig wiedergibt.
Akustisch wartet The Brave mit zwei PCM-Stereo-Spuren in Deutsch und Stereo auf. Die entwurzeln natürlich keine Bäume, klingen aber ausgewogen und liefern im Rahmen ihrer Stereo-Möglichkeiten sogar zahlreiche Links-Rechts-Effekte auf. Leider ist die deutsche Synchro ein wenig topfig und Johnny Depp muss hier noch ohne seinen späteren Stammsprecher auskommen. Bei Brandos Organ  Während der etwas dynamischeren Geräusche komprimieren beide Tonspuren unschön und während der Filmscore im Vordergrund bleibt, hört man vom Schutt abladenden LKW nach etwas über 33 Minuten nur ganz wenig.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial finden sich einige Interviews (noch im 4:3-Format), die seinerzeit angefertigt wurden, allerdings nur wenig inhaltliche Substanz haben. Johnny Depp darf zumindest preisgeben, dass Regieführen und Schauspieler praktisch gegensätzlicher kaum sein könnte. Das Behind the Scenes von The Brave sieht optisch auch nicht hübscher aus, liefert aber wirklich ganz einprägsame Momente und Einblicke in die Arbeit am Set. So sieht man beispielsweise, dass Marlon Brando eine gewisse Ehrfurcht bei allen Beteiligten auslöst. Beim Featurette handelt es sich um einen knapp siebenminütigen ausgedehnten Trailer, der mit Interviewschnipseln angereichert wurde und teilweise aus dem Off kommentiert wird.

Fazit

The Brave ist alles andere als leichte Kinokost und für solche Johnny-Depp-Fans, die ihn lieber als torkeligen Jack Sparrow kennen, kaum ein Genuss. Der Schauspieler, der hier erstmals auf dem Regiestuhl Platz nahm, lotet die Abgründe der Zivilisation aus und lässt am Ende sogar einen Priester den Glauben verlieren. Das wollten die US-Kritiker überhaupt nicht verstehen, wo man den Film doch in Cannes noch für die Goldene Palme nominiert hatte. Das deutsche Publikum war dankbarer und wird nun mit einer Blu-ray belohnt, die den Film in der bisher besten Bildqualität darbietet.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 50%
Tonqualität (Originalversion): 50%
Bonusmaterial: 30%
Film: 60%

Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: USA 1996
Regie: Johnny Depp
Darsteller: Johnny Depp, Marlon Brando, Marshall Bell, Elpidia Carrillo, Frederic Forrest, Clarence Williams III
Tonformate: PCM 2.0: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 123
Codec: AVC
FSK: 16

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