The Dark Tapes

Blu-ray Review

The Dark Tapes Review Cover
Epic Pictures, VOD 19.04.2017

OT: The Dark Tapes

 


Transdimensionale Wesen

Keine Blu-ray, dafür eine weltweite VOD-Veröffentlichung eines Films, der das Found-Footage-Subgenre mit frischen Ideen füttert

Inhalt

Manchmal kommt man zu einem Review wie die Jungfrau zum Kinde – also zumindest was den Überraschungseffekt angeht. So schrieb mich Ende März ein gewisser Michael McQuown über das Kontaktformular an und berichtete von einem Film namens The Dark Tapes, verbunden mit der Frage, ob ich dazu gerne eine Rezension verfassen wollte. Wie sich herausstellte ist McQuown kein Geringerer als einer der beiden Regisseure des Genrefilms. Eines Films, der für insgesamt 61 Preise nominiert war und zahlreiche auf Conventions und Filmfestivals einheimsen konnte. Michaels zweite Mail an mich kam dann mit dem Streaminglink sowie ein paar durchaus nützlichen Infos zum Film sowie zu ein paar speziellen Details des Werks. Denn speziell ist The Dark Tapes durchweg. Die vordergründig und sofort erkennbare Found-Footage-Basis wird aufgebrochen durch eine Rahmenhandlung, in die insgesamt vier Kurzgeschichten sehr geschickt eingebunden werden. Allen Geschichten gleich ist die Tatsache, dass die Protagonisten sich ihren Dämonen stellen müssen – und zwar sowohl den unterbewusst vorhandenen als auch den manifestierten.

Der Film eröffnet mit Sam und Marie, die eine Lagerhalle aufsuchen und im Inneren den Schauplatz eines Experiments sehen. Allerdings sind sie nicht gerade erfreut über den Anblick des chaotisch verwüsteten Orts. Sie finde eine Kamera, welche die Aufzeichnungen offeriert, die einen Tag zuvor gemacht wurden. Der Zuschauer bekommt dann mit „To Catch a Demon“ die erste Kurzgeschichte präsentiert, in der die Wissenschaftler Nicole und Martin anhand eines Versuchs beweisen wollen, dass die dämonischen Träume von Menschen nicht nur Träume sind, sondern reale Erlebnisse, die man nur in der REM-Phase erlebe. Mit Hilfe einer modernen Super-Slow-Motion-Kamera wollen sie diese Geschehnisse festhalten und werden Zeuge echten Horrors …
Die zweite Geschichte „The Hunters and the Hunted“ erzählt vom jungen Paar David und Karen. David filmt, wie er seine Frau mit einem jüngst gekauften Haus überrascht. Doch bald schon offenbaren sich merkwürdige Dinge und man lässt die Kamera dauerhaft laufen. Als es für die beiden gefährlich zu werden beginnt, ziehen sie ein Team von Geisterjägern hinzu …
„Cam Girls“ dreht sich um Caitlin, die jüngst mit ihrer Freundin Sindy zusammengezogen ist. Gemeinsam betreiben die beiden einen Online-Erotik-Chat. Doch Caitlin leidet immer häufiger unter kurzen und längeren Gedächtnisausfällen. In einem Videochat mit einem „Gewinner“ zeigen sich zudem seltsame Interferenzen – was ist da los …?
„Amanda’s Revenge“ schließlich folgt den seltsamen nächtlichen Entführungen, die Amanda erlebt, nachdem sie zuvor auf einer Party vergewaltigt wurde. Zwar kann sie sich anderntags nicht konkret an die Geschehnisse erinnern, ist sich allerdings sicher, man furchtbare Dinge mit ihr anstellt. Nun will sie mit Hilfe eines Freundes die Besucher filmen und dingfest machen. Da ein Filmen mit elektronischem Equipment aber nicht funktioniert, weil die Wesen offenbar in der Lage sind, die Ausrüstung zu stören, wählen sie eine Super-8-Kamera und eine analoge Tonaufzeichnung. Und das, was sie zu sehen bekommen, wird nicht nur die beiden schockieren …

The Dark Tapes ist vermutlich der echteste Found-Footage-Film seit Erfindung des Genres. Während viele gar nicht wirklich vorgeben, authentisch zu sein, wirken die Geschehnisse hier fast real gefilmt. Dazu tragen zum einen die Darsteller bei, die mit dem exakt richtigen Maß an Schauspielern vorgehen, um es professionell zu gestalten, gleichzeitig aber wirklich real wirken, als wären es die ganz normalen Menschen von Nebenan. McQuown und sein Co-Regisseur Vincent J. Guastini (inszenierte To Catch a Demon) schaffen zudem eine Atmosphäre, die genau den Amateuranstrich hat, den es braucht, um das Subgenre des Found Footage glaubwürdig erscheinen zu lassen. Natürlich macht man sich die heutige Technik zu Nutze und verwendet so ziemlich jede mögliche digitale Kamera der heutigen Zeit, nutzt Nachtsicht und setzt in der vierten Geschichte auch auf analoge Aufnahmetechnik. Dazu gibt’s ein paar echt schaurige Soundeffekte und erstaunlich gut funktionierende Plottwists – gerade „The Hunters and the Hunted“ hält einen solchen bereit, mit dem man zunächst wirklich nicht gerechnet hatte. Da Filmmusik weitgehend fehlt, bzw. keine spezielle extra für den Film komponiert wurde, setzt McQuown effektiv gewisse Sounds ein, die vom Unheil in The Dark Tapes verkünden. Apropos Sounds: Wenn nach „Hunters and Hunted“ erneut die Rahmenhandlung einsetzt und die beiden Traumforscher erstmalig auf ein Wesen aus der transdimensionalen Welt treffen, gibt’s ein paar absolut gruselige Toneffekte – und das, obwohl man förmlich hören kann, dass sie relativ simpel erstellt wurden. Das ändert allerdings nichts daran, dass sie ins Mark treffen. Auch die praktische Maske, die hier gezeigt wird, ist aller Ehren wert und wirklich schaurig.

In „Cam Girls“ nutzt The Dark Tapes ein weiteres Unterscheidungsmerkmal und schildert die Geschichte praktisch ausschließlich aus einer Split-Screen-Perspektive zwischen videochattenden Menschen. Auch hier gibt’s keinerlei Filmmusik, nur Grundrauschen und Soundeffekte im späteren Verlauf. Es ist schon erstaunlich, dass die Geschichte dennoch funktioniert, denn so ein Videochat erfindet die Spannung ja nicht zwingend neu. Die ganz leichte Erotiknote kommt verhältnismäßig überzeugend rüber und die zunächst nur bedingt vorhandene Dynamik gelangt immer stärker ins Spiel, wenn Caitlin ihren Chatpartner zu unmöglichen Dingen überredet. Gerade Shane Hartline als Eric hinterlässt hier einen überzeugenden Eindruck. Und erneut gibt’s eine hübsche praktische Maske zu begutachten. Der Plot-Twist wirkt hier allerdings ein bisschen erzwungen. Die stärkste Geschichte, die auch am eindringlichsten gespielt ist, hält sich The Dark Tapes für den Schluss auf. „Amanda’s Revenge“ gibt Brittany Underwood die Gelegenheit zu einer herausragenden Leistung, wenn sie nach zermürbenden Monaten immer wiederkehrender Entführung zum Gegenschlag rüstet – mit Super-8-Kameras und einem alten Grammophon. Dass die Rahmenhandlung mit ihrer finalen Schlussüberraschung den drei einzelnen Geschichten kaum nachsteht, ist ein weiterer Pluspunkt und die gruseligen Geräusche während „Amanda’s Revenge“ und im Abspann sorgen sogar dafür, dass der Film atmosphärisch noch ein wenig nachhallt. Sicherlich ist diese Anthology für den einen oder anderen Genrezuschauer ein bisschen zu experimentell und manchen Zuschauer mag auch das teils amateurhafte Setting stören, doch wenn so viele gute Ideen an einem Ort versammelt sind, darf man über budgetbeschränkte Mankos auch schon mal hinwegsehen.

Bild- und Tonqualität

Da zum Review lediglich ein Streaminglink zur Verfügung stand, muss an dieser Stelle eine Bewertung von Bild und Ton entfallen. Sobald es einen möglichen Verleih/Anbieter in Deutschland gibt, der eine Blu-ray zu The Dark Tapes veröffentlicht, wird das an dieser Stelle natürlich nachgereicht.

Bonusmaterial

Da ein Blu-ray-Release hier weder in den USA noch in Deutschland abzusehen ist, gibt’s natürlich auch kein Bonusmaterial, das bewertet werden könnte.

Fazit

The Dark Tapes nutzt geschickt seine vorhandenen Mittel, um effektiv Grusel zu erzeugen und dürfte einer der „echtesten“ Found-Footage-Filme seit Erfindung des Genres sein. Die Darsteller spielen weit oberhalb vom üblichen Amateurniveau und die praktischen Masken sind absolut überzeugend. Mit der Zahlung für den VOD-Stream unterstützt man einen Filmemacher, dessen Ideen frischer sind als die der meisten etablierten Regisseure und trägt zudem dazu bei, dass ein (beschlossenes) Sequel in Planung gehen kann.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: keine Bewertung möglich
Tonqualität (dt. Fassung): keine Bewertung möglich
Tonqualität (Originalversion): keine Bewertung möglich
Bonusmaterial: keine Bewertung möglich
Film: 70%

Anbieter: Epic Pictures // http://thedarktapes.com/
VOD: https://vimeo.com/ondemand/thedarktapes
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Vincent J. Guastini, Michael McQuown
Darsteller: Emilia Ares Zoryan, Danielle Baez, Katelyn Bailey, David Banks, Jonathan Biver, Layne Castro, Heather Compton, Brittany Underwood
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 99
Codec: AVC
FSK: ??

Trailer zu The Dark Tapes

The Dark Tapes Official Trailer HD