The Homesman

Blu-ray Review

The Homesman Blu-ray Review Cover
Universum Film, ab 17.04.2015

OT: The Homesman

 


Zurück nach Iowa

Tommy Lee Jones‘ zweite Regiearbeit führt ihn in den Wilden Westen.

Inhalt

Nebraska in den 1850ern: Mary Bee Cuddy ist zwar alleine und müsste ihre Felder bestellen, doch da sich keiner der ortsansässigen Herren bereit erklärt, eine kirchliche Mission zu erfüllen, meldet sie sich kurzerhand freiwillig. Ihr Auftrag ist es, drei dem Wahnsinn anheim gefallene Frauen aus der Einsamkeit in Richtung Osten zu geleiten. Dort sollen sie der Kirche übergeben werden, da die Männer sich nicht mehr in der Lage fühlen, sich um ihre Frauen zu kümmern. Als sie ihren Pferdewagen für den Transport abholt, führt der Zufall sie an einem winselnden älteren Herrn vorbei, dessen Kehle von einem Seil schon arg mitgenommen ist und der von einigen missmutigen Herren dort zum Strangulieren hinterlassen wurde. Unter der Bedingung, dass er ihr die Hilfe schwört, befreit Mary den alten Kerl und hat von nun an einen launigen Mitstreiter, der nun gar nicht damit gerechnet hatte, dass sein Hilfeschwur ihm drei „verrückte Weiber“ und eine kommandierende Dame einbringt. Doch was soll’s – immerhin winken am Ende 300 Dollar. Doch der Weg nach Iowa ist weit und es lauern einige Gefahren in der Einöde …

Ein Western beginnt mit weitläufigen Aufnahmen der weiten Landschaft der USA – das ist so und das befolgt auch Tommy Lee Jones in seiner zweiten Kino-Regiearbeit The Homesman – wenngleich seine Bilder eine staubige, feindselige Natur einfangen. Nachdem er ausgiebig vom goldenen Schnitt Gebrauch gemacht hat und der Vorspann hinter dem Betrachter liegt, schwenkt die Kamera auf eine die Felder bestellende Hilary Swank und nimmt diese daraufhin ins Close-up. Jones weiß genau, wie er das Genre zu inszenieren hat, immerhin hat er in genügend Neo-Western mitgespielt und ist ohnehin ein guter Beobachter. Für seine Geschichte allerdings suchte er sich einen Roman aus (Die Vorlage stammt von Glendon Swarthout), der mit Genrekonventionen bricht. Immerhin stehen hier Frauen im Mittelpunkt der Story. Wie empörend dann auch gleich die Reaktion der örtlichen weiblichen Wesen, als sie mitbekommen, dass Mary Bee Cuddy den Treck anführen will. Hätte Tommy Lee Jones The Homesman zur Hoch-Zeit der Western in den 50ern/60ern gedreht, der Skandal wäre vermutlich vorprogrammiert gewesen – eine Frau als Heldin im männlichsten aller US-Filmgenres, also so was … Gottseidank schreiben wir das Jahr 2015 und der gesellschaftliche Fortschritt lässt es zu, dass man sich diese Frage heute erst gar nicht stellen muss. So kann man sich ohne große Vorbehalte auf die Geschichte und mit Jones und Swank auf ein Schauspielgespann konzentrieren, das zusammen hervorragend funktioniert. Vor allem in der ersten Phase des Kennenlernens gibt es immer wieder grundkomische Situationen wie jene, in der Cuddy Briggs ermahnt, er solle ihren Küchenstuhl nicht so malträtieren – Jones Gesicht in dem Moment ist einfach sensationell witzig. Ohnehin sind die beiden Figuren ein wenig gegen den Strich besetzt. Ist Tommy Lee ansonsten eher der griesgrämig-schweigsame Typ, so benimmt er sich in The Homesman anfänglich überraschend albern und ist ziemlich redselig. Ganz anders Swank, die ihrer Figur mit respektablem Ernst begegnet.

Der lakonische Humor, der The Homesman auszeichnet, wird gekontert mit durchaus bedrückenden und wenig angenehmen Szenen, in denen die drei armen Seelen ihrem Wahnsinn freien Lauf lassen. Diese tragischen Momente (alleine eine gewisse Szene, in der Theoline ihr Baby entsorft wird, sorgt schon für ausreichend Verstörung) wollen zunächst nicht so ganz ins Bild eines Films passen, der ansonsten die klassische Geschichte eines Trecks nach Irgendwo erzählt – mit allem, was an lauernden Gefahren (Eiseskälte, Indianer, brutale Revolverhelden) dazugehört. Auch die etwas abrupte Storywendung nach 90 Minuten wirkt erst einmal gewöhnungsbedürftig, macht allerdings den Weg frei für einige der berührendsten und kraftvollsten Aufnahmen in Homesman. Das sind die denkwürdigen Momente, die Jones‘ Film auszeichnen. Kraftvolle Szenen eines Films, dessen Thema Wahnsinn sich wie ein roter Faden durch den Film zieht. Denn, das zeigt sich schon früh: Auch Mary Bee Cuddy ist nicht so ganz normal – ihr Klavierspiel auf einer Häkeldecke ist da noch die geringste Ausprägung. Dass die drei Frauen alle aufgrund ähnlicher Motive dem Irrsinn verfallen sind (eine Kinderlose; eine, die ihre Kinder an Diphterie verlor und eine, die ihr Justgeborenes umbringt), erscheint da nur konsequent und schlüssig. Ein weiteres prominentes Thema in Homesman ist der Glaube – und er kommt nicht so richtig gut weg. Er hat gar fanatische Ausprägung, wenn eine der drei Frauen permanent davon redet, dass Gott sie alle richten wird. Das letzte wiederkehrende Motiv ist der Tod, der mal überraschend, mal beiläufig und irgendwie akzeptiert in Erscheinung tritt. Da aber auch das Leben in Homesman nicht so Recht sinnvoll erscheint, ist’s sogar folgerichtig, wenn das Holzgrabmal am Ende lapidar im Wasser versenkt wird.

Bild- und Tonqualität

Wie es sich für einen echten Western gehört, ist das Bild von The Homesman schon körnig, was gerade den anfänglichen Cinemascope-Aufnahmen einen Look verleiht, der einen sofort ins Genre versetzt und auf die zwei Stunden Filmunterhaltung einstimmt. Die Körnigkeit wirkt sich allerdings nicht negativ auf die Qualität an sich aus, denn schon die Schärfe in Nahaufnahmen ist bestechend. Tommy Lee Jones‘ knittriges Gesicht erscheint extrem plastisch auf der Leinwand und die Kontrastierung ist jederzeit hervorragend gelungen.
Akustisch auffällig ist zunächst, dass man die deutsche Tonspur extrem laut einpegeln muss, um die Dialoge entsprechend gut verstehen zu können. Die Originalfassung hält da mit deutlich voluminöseren Stimmen dagegen. Ansonsten ist das Geschehen in Homesman meist frontbezogen, es sei denn, es wird zur Abwechslung tatsächlich mal geschossen. Der Angriff auf Briggs Haus lässt die Schüsse aus den Revolvern hübsch nachhallen. Auch in dem Moment, da Briggs das Hotel in Brand setzt, lebt der Sound mit tollen Stereoeffekten, direktionalen Sounds und einem hypnotischen Soundtrack auf. Insgesamt bleibt die Kulisse aber dauerhaft etwas zu vordergründig.

Bonusmaterial

Im Bonsumaterial von Homesman findet sich eine unkommentierte B-Roll neben dem Original Kinotrailer, Dazu kommen Bilder von der Präsentation des Films auf den Filmfestspielen von Cannes 2014 sowie ein Making-of und zwei Featurettes. Das Making-of läuft knapp eine halbe Stunde, präsentiert Tommy Lee Jones hellwach, aufmerksam und von seiner Arbeit überzeugt. Es werden die Drehorte, Schauplätze und auch das Setting näher beleuchtet und der Herr Regisseur gibt zum Besten, dass es ihm um eine möglichst minimalistische Herangehensweise ging. In „Ein typischer Western“ versucht sich Jones dran, das Genre „Western“ zu definieren und kommt zu dem Schluss, dass es mittlerweile eine leere Hülse ist und es eher darum geht, was jeder beim Sehen empfindet. In „Die Geschichte“ geht’s rund 20 Minuten darum, wie der Film von grundauf entstanden ist und wie die beteiligten Akteure dazugekommen sind.

Fazit

The Homesman ist ein echter Neo-Western, der eine ungewohnte Geschichte in konventionellem Aufbau präsentiert und mit Konventionen bricht. Das ist nicht immer hundertprozentig flüssig, überzeugt aber mit hervorragenden Darstellern, tollen Bildern und einigen wirklich starken Szenen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 85%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 60%
Film: 75%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Tommy Lee Jones
Darsteller: Tommy Lee Jones, Hilary Swank, Miranda Otto, Grace Gummer, Sonja Richter, Hailee Steinfeld, Meryl Streep, John Lithgow, James Spader, Barry Corbin, David Dencik, Tim Blake Nelson, William Fichtner, Meryl Streep
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 123
Codec: AVC
FSK: 16

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