Unfriend

Blu-ray Review

Unfriend Blu-ray Review Cover
Warner Home, seit 23.06.2016

OT: Unfriend

 


Von Anfang an allein

Endlich mal ein überzeugender und erfolgreicher Genrefilm aus Deutschland.

Inhalt

Laura zählt weit über 800 Freunde bei Facebook und ist auch sonst ziemlich beliebt. Dabei ist sie nicht mal über die Maßen oberflächlich, was man daran erkennen kann, dass sie die Freundschaftsanfrage von Marina annimmt. Die ist nämlich eher düster und nutzt ihr Profil in dem sozialen Netzwerk, um zweidimensionale Video-Cartoons zu posten, die eines Tim Burton würdig wären. Es vergehen nur wenige Tage und Marina durchstöbert Lauras Facebook-Account bis in die Tiefe und verhält sich auch ansonsten merkwürdig. Nachdem sie von Laura nicht zu deren Geburtstagsparty eingeladen wird, eskaliert die Situation. Marina rastet voller Eifersucht aus und hinterlässt danach zig Entschuldigungs-Mails per Facebook. Laura fühlt sich von der scheinbar psychopathischen Mitschülerin terrorisiert und drückt den Unfriend-Button. Die Reaktion Marinas darauf ist Selbstmord, und den filmt sie auch noch. Richtig mysteriös wird es aber, als keine Leiche zu finden ist und Laura plötzlich auf ihrer Pinnwand das Video von Marinas Tod erhält und es nicht löschen kann. Als die Tote scheinbar aus dem Jenseits heraus eben jenes Video über Lauras Account an alle ihrer Facebook-Freunde verschickt, entfreunden sich nicht nur nach und nach alle sozialen Bekannten von Laura, sondern auch die echten. Und die, die es nicht tun, kommen auf seltsame Art und Weise ums Leben. Offensichtlich versucht jemand ganz systematisch, Lauras Leben zu zerstören und sie fühlen zu lassen, wie es ist, alleine zu sein …

Was auch immer Schauspieler/Regisseur Simon Verhoeven dazu veranlasste, nach den beiden Romcoms Männerherzen und Männerherzen … und die ganz große Liebe einen deutschen Genrefilm zu schreiben und zu inszenieren – es war eine gute Idee. Und das nicht nur, weil die in Südafrika gedrehte und international besetzte Produktion kaum „typisch deutsch“ wirkt, sondern weil sie inhaltlich und inszenatorisch überzeugt. Sicher, die eingeblendeten social-media-Schnipsel sind nicht innovativ und einmalig, funktionieren im Sinne der Geschichte aber sehr gut und stimmen auf den sozialkritischen Aspekt von Unfriend ein. Denn, daran lässt Verhoevens Film keinen Zweifel: Unfriend spielt ganz gezielt mit den Gefahren, die soziale Netzwerke bergen. Gerade die Dynamik zwischen äußerst beliebten jungen Menschen und den Außenseitern der sozialen (Medien)Landschaft führte in der Vergangenheit immer wieder ganz real zu ähnlichen Schicksalen. Spätestens von dem Moment an, in dem mystische Horrorelemente hinzuaddiert werden, verlässt Verhoeven allerdings den rein sozialen Aspekt des Films und fügt eine effektvolle und gruselige Psycho-Ebene hinzu, die er mit Cyberthriller-Elementen anreichert. Erstaunlicherweise geht das nicht mal schief, sondern wird geschickt und vor allem höllisch spannend integriert. Das Motiv des beliebten Mädchens, dem plötzlich niemand mehr Glauben schenken mag, ist zwar ebenfalls nicht neu, wird aber von Hautpdarstellerin Alycia Debnam Carey (Fear the Walking Dead) so glaubwürdig vorgetragen, dass man sie als Sympathieträger vom ersten Moment an akzeptiert und mit ihr fiebert. Ähnlich engagiert sind ihre Co-Stars, die ihre Rollen vortrefflich ausfüllen. Zum Finale hin addiert Unfriend allerdings eine Komponente, die nicht mehr vollständig zum Film passen möchte. Hier rücken dann sowohl die fantastischen als auch die anfänglichen Social-Media-Aspekte völlig in den Hintergrund, um auf ein etwas simples Killer-Szenario zu verfallen. Bis zum Finale, das wieder die Kurve bekommt, verliert sich der Film für zehn Minuten ein wenig. Dennoch muss man Verhoeven attestieren, dass er scheinbar aus dem Handgelenk den ersten deutschen Horrorfilm von internationalem Format gedreht hat, der den Genrebeiträgen aus Hollywood locker das Wasser reichen kann und in Übersee sicherlich Erfolg haben wird – und das unabhängig davon, dass auch Unfriend mit Antworten ziemlich sparsam umgeht.

Bild- und Tonqualität

Beim Bild liegt Unfriend nicht ganz auf dem hohen Niveau der guten aktuellen Produktionen. Zum einen ist das Korn gerade in dunkleren Szenen sehr deutlich, zum anderen leiden eben diese düsteren Sequenzen auch unter einer deutlichen Grüneinfärbung, Überkontrastierungen in Gesichtern und mangelnder Schärfe. Die besser ausgeleuchteten Momente sind gut kontrastiert, die Schärfe geht dann ebenfalls in Ordnung.
Von Beginn an ziemlich dynamisch und druckvoll präsentiert sich der Sound von Unfriend. Die elektronischen Sounds, mit denen Marinas Cartoons zu Beginn unterlegt sind, bohren sich tief über den Subwoofer in die Magengegend und die animierten Rabenvögel flattern effektvoll um die Köpfe der Heimkino-Zuschauer. Wenn der Film seine (zahlreichen) Jumpscares setzt, nutzen die Effektspeaker die entsprechenden Sounds äußerst drastisch. Egal, ob das zuschlagende Türen, die herumsurrenden Insekten oder die flüsternden Dämonenstimmen sind, stets dringen die Schocks bis ins Mark. Auch die effektvolle Filmmusik, der elektronische Score funktioniert prächtig und ist druckvoll. Schade ist die Tatsache, dass man die originale Sprachfassung des in Englisch gedrehten Films nicht mit auf die Disk gepackt hat.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Unfriend findet sich ein Making-of, das für eine deutsche Produktion erstaunlich gehaltvoll geraten ist und auf knapp 25 Minuten sowohl von der Produktion in Südafrika als auch von der Idee hinter dem Film berichtet.

Fazit

Vielleicht überlegt der geneigte Social-Media-Nutzer nach dem Sichten von Unfriend noch einmal, was er demnächst auf seiner Seite veröffentlicht und mit wem er unüberlegt Dinge teilt. Simon Verhoevens Horror-Thriller liefert jedenfalls einen schockierenden und spannenden Beitrag zur Generation Facebook.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Bonusmaterial: 30%
Film: 70%

Anbieter: Warner Home
Land/Jahr: Deutschland 2015
Regie: Simon Verhoeven
Darsteller: Alycia Debnam Carey, William Moseley, Liesl Ahlers, Connor Paolo, Brit Morgan, Brooke Markham, Sean Marquette, Shashawnee Hall, Susan Danford
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 92
Codec: AVC
FSK: 16

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