Verleugnung

Blu-ray Review

Verleugnung Blu-ray Review Cover
Universum, 25.08.2017

OT: Denial

 


„Keine Löcher, kein Holocaust“

Extrem spannender und aufwühlender Film nach wahren Begebenheiten.

Inhalt

Deborah Lipstadt besetzt Mitte der 90er einen Lehrstuhl als Holocaustforscherin in den USA und hat vor Kurzem das Buch „Betrifft: Leugnen des Holocaust“ veröffentlicht. Darin spricht sie unter anderem auch den Historiker und glühenden Verehrer Hitlers, David Irving an. Sie bezeichnet ihn darin als „authentischen Holocaustleugner“ und einen, der Sachverhalte verfälscht und Dokumente manipuliert. Das findet Irving gar nicht witzig und fordert Lipstadt und deren Verlag auf, das Buch vom Markt zu nehmen. Als die diesen Forderungen nicht nachkommen, strengt er eine Verleumdungsklage vor dem obersten Zivilgericht Londons an. Da in Großbritannien für den Beklagten nicht die Unschuldsvermutung gilt, sehen sich Lipstadt und ihr Verlag in der Situation, zu beweisen, dass Irving tatsächlich lügt. Dies können sie nur auf dem Weg gewährleisten, indem sie nachweisen, dass der Holocaust tatsächlich stattgefunden hat – und zwar ohne die Aussagen von Zeitzeugen. Denn die, so fürchten Lipstadts Anwälte, könnten unter dem Verhör Irvings, der sich vor Gericht selbst vertreten wird, nicht nur leiden, sondern auch Mängel in der Erinnerung offenbaren. Das wiederum könnte Irving in die Hände spielen. Gleichzeitig macht sich ein Team aus Historikern daran, sämtliche Veröffentlichungen des Historikers auf Quellen und deren Richtigkeit zu durchforsten – ein Mammutprogramm. Sollte der Prozess verloren gehen, wären die Folgen unabsehbar …

Der Brite David Irving gehört zu den berüchtigtsten Holocaust-Leugnern und Geschichts-Revisionisten der Gegenwart. Als Sachbuchautor verfasste er zahlreiche Werke über den Nationalsozialismus und begann Ende der 70er damit, Hitler als Initiativ-Faktor des Zweiten Weltkriegs zu leugnen. Vielmehr seien die USA verantwortlich für den Krieg. Ende der 80er stand er dann auch öffentlich dazu, dass er den Konzentrationslagern ihre Vernichtungsabsicht absprach. Damit bestritt er faktisch den Holocaust. In Folge dessen ließ er sich häufig vor den Karren von rechtsradikalen Parteien wie der DVU spannen oder sprach vor Versammlungen von Neonazis auf. Verleugnung erzählt zwar nicht die Geschichte Irvings, doch ein bisschen Hintergrundwissen fördert den Zugang zu Mick Jacksons Film, der von den juristischen Auseinandersetzungen mit Deborah Lipstadt, bzw. deren Verlags berichtet, nachdem Irving diesen wegen Verleumdung vors Gericht gezerrt hatte.
Jackson inszeniert seinen Film ganz klassisch wie ein Gerichtsdrama und verlässt sich ganz auf die hoch emotionale Geschichte und seine Darsteller. Inhaltlich ist das Thema an sich schon derart aufwühlend, dass es gar keine großen Tricksereien benötigt, um gefesselt zu sein. Als Zuschauer sitzt man immer wieder vollkommen empört vor der Leinwand, wenn Irving sein von verdrehten Fakten, bewusst missgedeuteten Quellen und verlogenen Behauptungen geprägtes Welt- und Geschichtsbild kundtut. Dabei verfährt der Holocaustleugner nach dem einfachsten Strickmuster und nutzt Totschlagargumente, um seine Gegner auszukontern. Wer zwischen den Zeilen liest, merkt, wie hochaktuell das Thema auch heute ist, wenn man sich einen gewissen twitternden Staatsmann und dessen #fakenews-Argumentation mal anschaut. Gegen die kommt man argumentativ auch kaum an, wenn doch alles, was man als Beleg dagegen auffährt als „Fake“ oder „Lüge“ bezeichnet wird.

Der Film selbst nutzt für seine emotionale Aufladung noch die pikante Note, dass die Sache auch hätte schief gehen können. Bei Verleumdungsklagen in Großbritannien müssen die Angeklagten nachweisen, dass ihre Annahmen korrekt und die des Gegners falsch sind. Es reichte also nicht, zu beweisen, dass man den Kläger nicht verleumdete, man musste tatsächlich nachweisen, dass es den Holocaust gegeben hat – und zwar über das allgemeingültige Wissen hinaus. Hätte man hier nicht überzeugende Argumente dargelegt und diverse Historiker und Fachleute in Kleinstarbeit damit beschäftigt, nachzuweisen, dass Irvings Quellen haltlos sind, wäre der Prozess womöglich verloren gegangen – die Signalwirkung, die davon ausgegangen wäre, mag man sich gar nicht ausmalen. Verleugnung ist schon alleine deshalb ein ungeheuer wichtiger Film, weil er in Erinnerung ruft, wie schnell man manipulativen Alternativfakten aufsitzen kann. Im Zeitalter von sozialen Netzwerken ist es daher noch viel entscheidender, sich umfassend mit Informationen zu versorgen, bevor man irgendetwas Dahergesagtes kritiklos annimmt und nachplappert. Bedrückend wird Verleugnung, wenn Lipstadt und ihr Anwalt vor Ort in Auschwitz vom Leiter der Gedenkstätte Nachhilfe in Sachen Konzentrationslager bekommen. Vor allem, weil es trotz der Schilderungen des ganzen Leids schwierig ist, belegbare Beweise darzustellen. Man spürt als Zuschauer mehr und mehr, dass es hier nicht nur um den Streit zweier Menschen geht, die Geschichte unterschiedlich wahrnehmen, sondern darum, dass das ganze Konstrukt infrage gestellt werden könnte. Man wünscht sich als Zuschauer, dass endlich dieser eine Beweis aufgezeigt wird, der die müßige Debatte zum Einsturz bringt. Wenn es dann vor Gericht geht, folgt man den Argumenten beider Seiten mit unglaublicher Angespanntheit und fiebert dem erlösenden Moment entgegen, in dem Irvings Strategie in sich zusammenfällt.
Mick Jackson konzentriert sich dabei vornehmlich auf die geschliffenen Dialoge und die herausragenden Darsteller. Rachel Weisz als Deborah Lipstadt, die sich unversehens in einem Prozess wiederfindet, agiert so emotional wie lange nicht mehr. Das mag tatsächlich auch daran liegen, dass ihre eigenen Eltern (beide jüdischer Abstammung) seinerzeit selbst Kriegsflüchtlinge waren und gemeinsam nach London flohen. Beängstigend gut ist aber auch Timothy Spall als Irving. Spall lässt seiner Filmfigur keine echte Sympathie ausstrahlen, begeht aber auch nicht den Fehler, sie einseitig zu verteufeln. Seinem Spiel liegt eine ambivalente Präsenz inne, die Irving zwar oft abstoßend wirken lässt, dessen unbändiges Selbstbewusstsein aber auch aufzeigt, dass man dem Mann schnell verfallen kann, wenn man seiner überzeugend vorgetragenen Argumentation folgt. Solche zwiespältigen Charaktere sind es, die für Schauspieler oft einen besonderen Reiz ausüben. Um das Ensemble zu ergänzen, überzeugt Andrew Scott als junger Verteidigungsstratege Anthony Julius und Tom Wilkinson als Anwalt vor Gericht, dessen erste Befragung Irvings nach 70 Minuten zum emotionalen Highlight wird, wenn er sichtlich angewidert vom Kläger den Blick nicht mal auf ihn richten mag.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Verleugnung ist durchgängig mit einem gelb-grünlichen Filter belegt, was für eine etwas kränkliche und wenig freundliche Stimmung sorgt. Selbst die roten Haare von Deborah verfärben sich deshalb bisweilen gelblich. Das scheint zwar so gewollt und ist somit geglückt, doch schön ist es nicht. Während der Gerichtsverhandlung übernehmen dann Brauntöne das Sagen, die allerdings von leichten Versumpfungen im Schwarz begleitet werden. Zusätzlich ist die Schärfe nie wirklich auf der Höhe.
Akustisch konzentriert sich Verleugnung auf die gute Verständlichkeit der Stimmen. Die sind wirklich sehr homogen und gleichbleibend in das Gesamtgeschehen eingebettet. Wenn es regnet, hört man das effektvoll über alle Speaker und bei der Ankunft Deborahs in der britischen Hauptstadt liefert der Subwoofer während des Scores einen sehr tiefen und wuchtigen Sound. Das intensiviert die Stimmung und passt zum Regen in London.

Bonusmaterial

Zwar enthält das Bonusmaterial von Verleugnung kein ausführliches Making-of, doch die Interviews (gerade jenes mit Spall und der echten Deborah Lipstadt) fallen durchaus bewegend und aufschlussreich aus.

Fazit

32 Verhandlungstage dauerte es, bis vor Gericht ein Urteil gefällt wurde, das nicht nur den Überlebenden des Holocaust Gerechtigkeit verschaffte, sondern einen der polemischsten Holocaust-Leugner der Gegenwart der Lächerlichkeit preisgab. Verleugnung schildert dies hoch spannend und bewegend – ein Pflichtfilm, nicht nur für Historiker.
David Irving übrigens leugnet auch heute noch öffentlich den Holocaust, wenn er denn öffentlich auftreten darf. Denn seine Einstellung und Meinungsäußerungen haben mittlerweile dazu geführt, dass er in Österreich, Kanada, Australien, Italien, Südafrika und Neuseeland Einreiseverbot hat. In Deutschland bestand dieses offiziell bis 2013, seitdem wird Irving vom Verfassungsschutz beobachtet und es dürfte verhältnismäßig schwierig für ihn werden, hierzulande reden zu dürfen. Deborah Lipstadt hingegen setzte sich gar dafür ein, dass eine drohende Gefängnisstrafe in Österreich nicht vollzogen wird, denn: „The way of fighting Holocaust deniers is with history and with truth“
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 40%
Film: 90%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: GB 2016
Regie: Mick Jackson
Darsteller: Rachel Weisz, Tom Wilkinson, Timothy Spall, Andrew Scott, Mark Gatiss, Harriet Walter, Jack Lowden, Alex Jennings
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 111
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu Verleugnung

Verleugnung - Trailer (deutsch/ german; FSK 6)

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