Whiplash

Blu-ray Review

Whiplash Blu-ray Review Cover
Sony Pictures, seit 19.06.2015

OT: Whiplash

 


Gute Arbeit

Whiplash bietet zwei Darstellern Raum für ganz außerordentliche Leistungen.

Inhalt

Andrew ist ein durchaus ambitionierter Jazz-Schlagzeuger und studiert an einer New Yorker Eliteschule „Shaffer“ Musik. Während einer seiner Übungseinheiten hört ihm kurz Dozent Fletcher zu – ein für seine unerbittlichen Lehrmethoden ebenso gefürchteter, wie angesehener Lehrmeister. Doch Fletcher gibt Andrew eine Chance. Während der junge Drummer zunächst überrascht und hocherfreut ist, wird sein erster Einsatz zum Desaster – Ultrastandpauke vom Lehrmeister inklusive. Doch nach der ersten Frustration übt Andrew. Er übt, bis ihm die Hände bluten. Mit Erfolg, denn er entwickelt sich trotz der immer wiederkehrenden Wutausbrüche Fletchers zur Stammbesetzung und beendet dafür sogar die gerade zart aufkeimende Liebe zu Nicole. Als er jedoch zur wichtigen Dunellen Competition zu spät kommt und Fletcher herausfordert, scheint sein Rausschmiss nur noch eine Formsache …

Damien Chazelle, der sich schon in seinem Debutfilm Guy and Madeline on a Park Bench mit dem Thema Jazzmusik auseinandersetzte, bleibt auch in seinem zweiten abendfüllenden Werk der Musik treu und dehnt seinen eigenen, etwas über eine Viertelstunde dauernden Kurzfilm auf gut 100 Minuten aus. Diesen hat er praktisch eins zu eins abgefilmt und als erste Übungseinheit Andrews in Fletchers Ensemble integriert. Die Tatsache, dass Chazelle selbst Schlagzeuger ist, liefert die Grundlage dafür, dass er mit Whiplash einen der emotionalsten und energetischsten Musikfilme aller Zeiten vollbracht hat. Und das gilt auch dann noch, wenn man überhaupt kein Jazzfan ist (wie bspw. der Autor dieser Zeilen). Jetzt könnte man meinen, Chazelle nimmt sich einfach die intensiven letzten fünf Minuten seines Kurzfilms und walzt diese auf die volle Laufzeit aus – weit gefehlt. Unglaublicherweise schafft er es tatsächlich auch noch die authentischste First-Date-Szene der letzten Jahre zu integrieren. Wenn Andrew und Nicole sich das erste Mal auf eine Pizza verabreden, hat man das Gefühl, dort sitzen wirklich zwei Teenager, deren Scheu vor diesem Schritt groß ist und deren Einzelgängertum sie massiv beeinflusst. Das wiederum ist neben der klasse besetzten Melissa Benoist auch Miles Teller zu verdanken, der schon in The Spectacular Now: Perfekt ist jetzt bewiesen hat, dass er mehr kann als den intriganten Sidekick in Science-Fiction-Dystopien (Die Bestimmung) zu geben. Er funktioniert in der Rolle des Heranwachsenden genauso gut, wie bei jeder einzelnen Schlagzeugszene. Wer das Instrument kennt und schon gespielt hat, der lässt sich so leicht nicht täuschen und sieht, dass Teller seine Soli selbst gespielt hat. Zehn Jahre Erfahrung in Rockbands bildeten dafür die Grundlage, obschon er sich vor den Dreharbeiten massiv umstellen und viel lernen musste, um das komplett andere Schlagzeugspiel eines Jazz-Drummers zu erlernen.

Und dann ist da J.K. Simmons. Ich werden den Teufel tun und einen Hehl daraus machen, dass er seit Jahren zu meinen Lieblingsdarstellern gehört. Deshalb mögen ein paar Zeilen in diesem Review nicht ganz unvoreingenommen klingen. Aber schon dessen erste Szene hätte der Academy ausreichen müssen, um dem Darsteller den über die Maßen verdienten Goldjungen zu verleihen. Seine Intensität, die er nahtlos aus dem gleichnamigen Kurzfilm in den Spielfilm mitnahm, ist einfach phänomenal. Selten hatte ein Darsteller in einem Drama eine derartige Präsenz und wirkte derart respekteinflößend wie er es hier in Whiplash tut. Sobald er den Raum betritt, horchen nicht nur die Musiker auf, sondern der Zuschauer wird unwillkürlich etwas kleiner in seinem Sessel. Beeindruckend sind aber nicht nur seine Wutausbrüche. Es wäre auch zu einfach gewesen, einfach Drill Sergeant Hartman aus Full Metal Jacket ins Musikbusiness zu übertragen. Zwar gelingen diese Szenen selbstredend hervorragend, doch dann schaltet der Mime in Whiplash in eine höchst bewegende Performance um, als er vom Tod eines ehemaligen Schülers berichtet – natürlich nur, um in der nächsten Sekunde seine derzeitigen Musiker wieder zur Minna zu machen.

Das herausragende Treiben der Darsteller wird durch eine Inszenierung begleitet, der man anmerkt, dass Whiplash-Regisseur Chazelle ein Gespür für Musik hat. Seine Close-ups und Kamerafahrten um die Musiker und vor allem die Drummer vermitteln ein Mittendrin-Gefühl. Dem Film gelingt es tatsächlich, ohne Action, ohne betontes Horrorszenario oder ähnlichen Mummenschanz eine soghafte Spannung nur durch Musik und die Auseinandersetzung eines herrischen Musikdirigenten mit seinem Ensemble zu entwickeln. Vor allem der finale Song, der auch inszenatorisch zum Zweikampf zwischen Fletcher und Andrew mutiert und in einer Geste gipfelt, deren Wichtigkeit und Versöhnlichkeit nur Schlagzeuger nachvollziehen können (Stichwort: heruntergeklapptes Cymbal) ist ganz großes Kino. Whiplash beschränkt sich aber nicht nur auf die vordergründigen Entwicklungen, sondern stellt im Subtext eine wichtige und unbequeme Frage: Wie weit kann/sollte ein Musiklehrer (oder jeder andere Dozent, der das Talent eines erwachsenen Schülers entdeckt) gehen, um etwas Einzigartiges aus seinem Schüler herauszuholen. Im vielleicht wichtigsten Dialog des Films sitzen sich Andrew und Fletcher in einer Jazzkneipe gegenüber und der Dozent erklärt seinem Schüler, dass nur sein Verhalten dazu führen würde, dass ein neuer Buddy Rich am Jazz-Himmel auftaucht. Dies tut Fletcher so überzeugend kund, dass man als Zuschauer kurz davor ist, seine bisweilen inakzeptablen Methoden nachvollziehen zu können und ihm Glauben zu schenken.

Bild- und Tonqualität

Whiplash hat ein äußerst stark gelb gefiltertes Bild – unabhängig von der jeweiligen Szenerie. Vor allem an der Shaffer und in den Übungsräumen wirken Gesichter dadurch fast kränklich. Während der ersten Minuten (Andrew und sein Vater besuchen das Kino) ist die Schärfe alles andere als gut, verbessert sich dann jedoch im Laufe der weiteren Zeit. Auch die Bildruhe ist hoch und Nahaufnahmen offenbaren im weiteren Verlauf durchaus detaillierte und krispe Eindrücke von Schweißtropfen auf der Stirn oder den Becken des Drumkits.
Akustisch sollte man meinen und hoffen, dass Whiplash seine Musikstücke rundherum präsentiert. Dies ist jedoch nur begrenzt der Fall. Die Surroundspeaker werden zum Großteil eher schwach mit Informationen gefüttert und echte direktionale Effekte gibt’s themenbedingt gleich gar nicht. Dafür klingt die Front allerdings sehr luftig und präsentiert die Jazznummern recht effektvoll – im Rahmen der Stereophonie. Der Subwoofer darf die Bassdrum etwas unterstützen und Dialoge kommen präzise aus dem Center. Sehr gut gelingt die Differenzierung der einzelnen Teile des Schlagzeugs. Gerade die Hi-Hat oder das schnelle rhythmische Spiel auf dem Ride-Becken kommen äußerst präzise am Ohr an.
Und wenn Musikstücke betont dramatisch inszeniert werden, nutzt die dts-HD-Master-Spur das Geschehen dynamisch aus (bspw. Beginn von Kapitel 8).

Bonusmaterial

Im Bonusbereich von Whiplash findet sich zunächst der Audiokommentar von J.K. Simmons und Regisseur Chazelle. Dazu kommt der Original-Kurzfilm, der optional mit Kommentar abgespielt werden kann sowie eine entfernte Szene. Das Feature „Timekeepers“ läuft gut eine Dreiviertelstunde und portraitiert eine großartige Profischlagzeuger wie Chad Smith von den Red Hot Chili Peppers, Studio-Drummer Kenny Aronoff, Doanne Perry der legendären Jethro Tull oder den großartigen Simon Phillips, der schon mit fast allen großen Bands zusammen spielte. Alle dürfen erzählen, wie sie zum Drumming kamen, wer sie inspirierte und wie sie letztlich dorthin kamen, wo sie nun sind. Das ist nicht nur extrem interessant, sondern voller humorvoller und spannender Anekdoten – fast so gut wie der Film selbst und eine Offenbarung für jeden Schlagzeuger. „Ein Abend beim Toronto International Film Festival mit Miles Teller, J.K. Simmons und Damien Chazelle“ lässt den Regisseur und seine beiden Hauptdarsteller nach der Toronto-Premiere vor der Leinwand zu Wort kommen.

Fazit

Whiplash ist ein perfekt inszeniertes und noch perfekter gespieltes Musikdrama, das spannender und intensiver kaum sein könnte. Selbst nicht jazzophile Musikfreunde werden attestieren müssen, das man schon lange zurückdenken muss, um einen ähnlich authentisch gefilmten und herausragend gespielten Genrefilm zu finden. J.K. Simmons, wenngleich in einer kaum sympathischen Rolle, ist in meinem Ansehen noch höher gestiegen und hat den Oscar aber sowas von verdient!
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 80%
Film: 90%

Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Damien Chazelle
Darsteller: Miles Teller, J.K. Simmons, Melissa Benoist, Paul Reiser, Austin Stowell, Nate Lang
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 107
Codec: AVC
FSK: 12

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