Blu-ray Review
OT: Ser du månen, Daniel
15 Millionen Kronen
Mit etwas Verspätung kommt hier die Rezension zu einem vielbeachteten Tatsachen-Drama.
Inhalt
Daniel Rye liebt das Kunstturnen. Als Mitglied der dänischen Gymnastik-Nationalmannschaft fliegt er nicht selten im Salto durch die Luft und soll demnächst um die ganze Welt reisen, um im Weltteam der DGI sein Talent zu zeigen. Bei einer Demonstration im Trainingslager kurz vor der Abreise verletzt er sich jedoch schwer am Knie. Der Traum vom Sportheld ist ausgeträumt, Daniel am Boden zerstört. Nach anfänglichem Frust findet er jedoch Zeit für seine zweite Leidenschaft, die Fotografie. Und auch wenn’s seine Schwester belächelt, bekommt er in Kopenhagen einen Job als Fotoassistent – ausgerechnet beim erfahrenen Kriegsfotografen Jan Grarup. Mit Jan fliegt er direkt ins vom Bürgerkrieg gebeutelte Somalia. Und dort findet er seine Bestimmung. Sein nächstes Ziel soll das Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien sein. Dort will er das Leid der Bevölkerung fotografisch dokumentieren. Nichts, was seine Eltern sonderlich witzig finden, auch wenn Daniel beteuert, stets nur an der Grenze entlang zu arbeiten und Nachts wieder in die Türkei zurück zu gehen. Mit ein paar letzten Kronen unterstützen die Eltern ihren Sohn für Flug und Spesen und bleiben mit einem mulmigen Gefühl zurück. Und das nicht ohne Grund. Denn Daniel ist kaum ein paar Tage da, als er von Kämpfern des IS gekidnappt wird. Was folgt, ist ein Leidenskampf sondergleichen. Für Daniel und für die Angehörigen …
Siehst du den Mond, Daniel?
Unter diesem Titel veröffentlichte die dänische Journalistin und Autorin Puk Damsgård Andersen 2015 ein viel beachtetes Tatsachenbuch, das die Geschichte des dänischen Fotografen Daniel Rye erzählt. Rye hielt sich im Frühjahr 2013 an der Grenze zwischen Syrien und der Türkei auf, um das Leid der Zivilbevölkerung im Foto festzuhalten, als er am 17. Mai in die Fänge des IS geriet.
Der deutsche Filmtitel gibt preis, wie lange Daniel unter der Gefangenschaft und zwischenzeitlichen Folter zu leiden hatte. 398 Tage, also 13 Monate ständige Angst davor, den nächsten Tag nicht mehr zu erleben oder mit abgeschnittener Nase zu enden. Man kann sich nicht vorstellen, was in einer Geisel unter diesen Umständen vorgehen muss und wie ein Mensch das überstehen kann – und eigentlich will man’s sich auch gar nicht vorstellen. Die Verfilmung von Damsgård Andersens Buch führt den interessierten Zuschauer nun aber ganz nahe an das heran, was Daniel Rye ertragen und aushalten musste. Knapp 140 Minuten dauert 398 Tage: Gefangener des IS und jede Minute, in der die Gefangenschaft thematisiert wird, ist intensiv und mitunter eine Grenzerfahrung. Ja, es ist ein Film. Ja, nach etwas über zwei Stunden ist es vorbei. Doch es wirkt lange nach und beschäftigt.
Fürs Kino adaptiert wurde die Vorlage von Anders Thomas Jensen, der erst vor ein paar Tagen hier auf dem Blog prominent vertreten war, da er als Regisseur hinter Helden der Wahrscheinlichkeit steckt. Spätestens wenn man jetzt 398 Tage gesehen hat, weiß man, wie unglaublich vielseitig Jensen aufgestellt ist. Die Inszenierung übernahm dann allerdings Niels Arden Oplev, der in den USA vor knapp vier Jahren das undankbare Remake von Flatliners realisieren durfte, wo er doch mit Verblendung, dem ersten Film der Millennium-Trilogie viel besser zeigen konnte, was er drauf hat. Nun also ein Geiseldrama nach wahren Begebenheiten – und ein wirklich intensives. Oplev hielt sich eng an den Tatsachen, gerade auch was die Ursprünge im Turnverein und die Verbindung zu Profifotograf Jan Grarup angeht (dessen Arbeiten – auch aus der gemeinsamen Zeit mit Daniel in Somalia – kann man übrigens auf dessen Webpage einsehen). Dennoch verbleibt nicht viel Zeit, um ein paar Charakterisierungen vorzunehmen und Sympathien zu verteilen. Denn nach 20 Minuten ist Rye in den Händen des IS und das Martyrium beginnt. Schläge auf die nackten Fußsohlen sind nur die erste Station der Folter, die er ertragen muss, weil man von ihm hören will, dass er für die CIA arbeitet. Und schon zehn Minuten später fragt man sich, wie der geschundene und bereits total entkräftete Körper das noch weitere 90 Filmminuten durchhalten soll. Die Bilder sind intensiv, eindringlich, ohne allzu explizit zu werden (was es auch gar nicht muss).
Um das Geschehen etwas besser verdaulich zu machen, schneidet der Film zwischendurch auf Daniels Familie nach Dänemark. Mutter und Vater Rye hören einige Tage nichts von Daniel, als sie einen gewissen Arthur engagieren. Arthur ist Unterhändler, der bereits in einem anderen Fall an gleicher Stelle unterwegs ist. Er sagt, wie sich die Familie verhalten soll, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Und der Zuschauer bekommt dadurch tatsächlich fast dokumentarischen Einblick in die Gepflogenheiten bei solchen Geiselnahmen. Dass die (meisten) Regierungen nicht für Lösegeldzahlungen parat stehen und sich ihrerseits meist (außer Bekundungen) raushalten, wird auch in 398 Tage deutlich – stets nach der Prämisse, nicht erpressbar wirken zu wollen, handelnd.
Und so ist es an Arthur, Verhandlungen mit den Kontaktpersonen in Syrien aufzunehmen. 10 Notebooks und ein Krankenwagen, das sind die ersten Forderungen – Codes für einen Betrag, den die Ryes nicht aufbringen können. Wenn Arthur an dieser Stelle anmerkt, dass das Angebot eines geringeren Betrages als Beleidigung aufgefasst würde, ahnt man, was das für Konsequenzen für Daniel haben würde – und, dass es natürlich genau dazu kommen wird. Je länger der Film dauert, desto stärker empfindet man mit ihm. Der Film spart nicht aus, dass er zwischenzeitlich auf radikale Art und Weise versuchte, der Situation zu entfliehen, was von Hauptdarsteller Esben Smed maximal intensiv dargestellt wird. Die Erniedrigung, die die Gefangenen (im Verlaufe des Films bekommt Daniel Gesellschaft) erdulden müssen, ist mit dem normalen Menschenverstand gar nicht greifbar. Selbst wenn man es für einen kurzen Moment schafft, sich gedanklich in die Lage der Entführten zu versetzen, schützt einen der Verstand bald vor dem, was da an Ängsten und Gefühlen aufkeimt. Und man kann auch kaum erfassen, wie es der Familie Zuhause ergangen sein muss, während sie mit Händen und Füßen versuchen, jede Krone für das geforderte Lösegeld aufzutreiben. Ein paar Momente der (nötigen) Entspannung werden dadurch gegeben, dass die Gefangenen untereinander so etwas wie Galgenhumor entwickeln. Als ein US-Amerikaner dazu stößt, spielt man sogar mal etwas Schach. Denn 398 Tage erzählt am Rande auch die (in den Medien prominenter verhandelte) Geschichte von James Foley. Der US-amerikanische Fotojournalist war bereits Ende November 2012 vom IS entführt worden und zwischenzeitlich Leidensgenosse von Rye. Allerdings schaffte Foley es nicht. Ende August 2014 wurde er (nach allem, was man weiß), von seinen Entführern enthauptet.
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Bild- und Tonqualität
Leider war nicht in Erfahrung zu bringen, mit welcher Ausrüstung 398 Tage gedreht wurde. Dass er digital aufgenommen wurde, ist indes von Beginn an und in jeder Einstellung zu sehen. Eine Körnung oder Rauschen ist nur ganz minimal auf Hintergründen zu erkennen, während der ganz große Anteil an Aufnahmen wirklich absolut ruhig und rauschfrei ist. Selbst in den dunkleren Szenen bleibt es erstaunlich ruhig. Schon die ersten Szenen sind recht warm gefiltert, was sich noch ein wenig verstärkt, wenn das Geschehen ins Krisengebiet wechselt. Dort wird das natürlich noch von der Szenerie unterstützt, die oftmals sandige Wüstenhintergründe und beigefarbene Gebäude zeigt. Mitunter driften die Bilder sogar ein wenig ins Sepiafarbene, was gleichzeitig für einen etwas nostalgischen Look sorgt, den Kontrastumfang aber etwas in die Knie drückt. Die Kontrastierung hingegen ist auf der anderen Seite in den meisten anderen Situationen sehr gut. Versumpfungen sieht man auch in den düsteren Szenen nicht. Das Encoding ist relativ sauber und zeigt nur ganz selten einmal leicht matschige Oberflächen (Sonnenaufgang bei 44’15) – erstaunlich genug, da die Datenrate bisweilen nicht sonderlich hoch ist. Sehr gut gelingen Schärfe und Auflösung in Close-ups. So ist Daniels Gesicht bei 44’20 wirklich wunderbar detailliert. Ganz leichte Überstrahlungen auf den hellen Flächen sind typisch für HD-Masterings in SDR.
Akustisch darf man keinen Actionfilm erwarten. Dafür gibt’s auch gar keinen Anlass. Allerdings wird die Filmmusik ebenso räumlich wiedergegeben wie das atmosphärische Treiben auf den Straßen. Wenn dann aber nach 94 Minuten von hinten unvermittelt ein Trio aus Helikopter anrauscht, zeigen die DTS-HD-Master-Tonspuren, dass sie richtig dynamisch agieren könne. Das fetzt einem glatt für den Moment die Haare vom Kopf. Sobald also doch mal ein paar Actionelemente – oder sagen wir genauer: Aktionsmomente – hinzukommen, geht es auch mal wuchtiger zu. Da die Stimmen jederzeit hervorragend verständlich sind und durchaus Volumen haben, ist das ein durchweg guter Tonsektor.
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Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von 398 Tage finden sich leider nur die Originaltrailer und ein paar Programmtipps des Anbieters. Gerade bei einem solchen Film wär’s schon schön gewesen, wenn man noch mehr über die Hintergründe erfahren hätte. Fast unverständlich, dass man nicht noch eine der vorhandenen Dokumentationen über die beiden Gefangenen lizensiert hat oder sich um Aussagen von Daniel oder seiner Familie bemüht hat. Tatsachen-Geschichten wie diese würden durch Hintergrundinformationen noch mehr Bezug zur Historie herstellen.
Fazit
398 Tage ist ein fesselndes, bisweilen kaum auszuhaltendes und glänzend gespieltes Geiselnahmedrama, das natürlich umso intensiver wirkt, weil es vollständig auf wahren Begebenheiten beruht. Und selbst wenn die knapp 140 Minuten schon mal etwas lang geraten, ist man lange schon nicht mehr so aufgewühlt aus einem Film gekommen. Was der Film übrigens nicht offenbart: Die Befreiung Daniels hat nicht nur den Lösegeldbetrag gekostet. Einen Monat nachdem Rye nach Hause kam, startete seine Schwester Anita per Facebook einen Aufruf, um eine weitere Mio. Kronen zu sammeln, damit Daniels neues Leben nicht aus Schulden heraus startet. Die Blu-ray begleitet den Film mit einem atmosphärisch passenden Bild, das hier und da Schwächen im Encoding aufweist. Der Ton wird immer dann dynamisch, wenn er es muss.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 10%
Film: 90%
Anbieter: Pandastorm Pictures
Land/Jahr: DK/NW/SW/FI 2019
Regie: Niels Arden Oplev, Anders W. Berthelsen
Darsteller: Esben Smed, Sofie Torp, Anders W. Berthelsen, Toby Kebbell, Ardalan Esmaili, Christiane G. Koch, Jens Jørn Spottag
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, dä/en/arab
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 138
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Pandastorm Pictures)
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Trailer zu 398 Tage
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
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- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
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Der Film ist übrigens aktuell in der ARD Mediathek verfügbar (noch bis zum 13. März).