5 Zimmer Küche Sarg

Blu-ray Review

5 Zimmer Küche Sarg Blu-ray Review Cover
Weltkino/Universum, seit 05.06.2015

OT: What We Do in the Shadows

 


Tot, aber unwiderstehlich

Bei 5 Zimmer Küche Sarg darf das überstrapazierte Wort „Kult“ endlich mal wieder zu Recht in den Mund genommen werden.

Inhalt

6:20h in der Vampir-WG nahe Wellington/Neusseland: Viago weckt seine blutsaugenden Kumpels Vladislav, Deacon und den 8000 Jahre alten Petyr, um eine Versammlung einzuberufen. Viago ist es wichtig, dass die Pflichten besser verteilt werden. Deacon beispielsweise hat schon seit fünf Jahren kein Geschirr mehr abgespült, während Vladislav den Boden immerhin mit frischen Leichen wischt. Doch die Alltagsprobleme der vier Lebenssaftschlürfer sind vergessen, als Petyr den aufmüpfigen Nick zum Vampir macht. Der erzählt später nicht nur überall stolz herum, dass er ein Unsterblicher ist und sorgt damit für große Gefahr, sondern schleppt auch noch seinen besten Kumpel Stu an – einen Menschen wohlgemerkt. Umso überraschter sind die eingefleischten Fledermaus-Formwandler als dieser sich als nett und hilfsbereich entpuppt und sogar das Geschirr spült – freiwillig. Keine gute Idee ist es jedoch, als sie Stu mit auf das jährliche Treffen der Vampire und Zombies mitnehmen und damit gegen jede Konvention verstoßen …

Eine Mockumentary aus Neuseeland? Da war doch schon mal was. Richtig: Peter Jacksons Forgotten Silver aus dem Jahre 1995. Der lief seinerzeit derartig „erfolgreich“ im dortigen TV, dass die Zuschauer nach der späteren Aufklärung über den Fake erbost beim Sender anriefen, um sich über diese Gemeinheit zu beschweren. Mittlerweile wissen ein paar mehr Kino- und TV-Zuschauer, was eine Mockumentary ist, sodass vermutlich niemand mehr drauf reinfällt. Was aber wäre das für ein unglaublich spaßiger Gedanke, wenn 5 Zimmer Küche Sarg (im Übrigen, so viel Lob muss auch mal sein, ein großartiger deutscher Titel) anstelle von Forgotten Silver damals im Fernsehen gelaufen wäre und eine ähnliche Anzahl die Geschichte für bare Münze genommen hätten.
So ist der Film vom Regie-Hauptdarsteller-Duo Taika Waititi und Jemaine Clement zwar nicht revolutionär, allerdings die witzigste Mockumentary seit Erfindung des Genres. Und eine technisch nahezu perfekte noch dazu. Während andere Vertreter sich gerne der magenumdrehenden Wackelkamera bedienen, verpassten die beiden ihrem 5 Zimmer Küche Sarg einen Fernseh-Doku-Touch und halten die Kamera gerade. Das ist nicht nur fürs Gleichgewichtsorgan des Zuschauers entspannend, sondern lässt entsprechend zu, dass man die herrlich altmodische Maskerade und die tollen Kostüme in ihrer vollen Pracht genießen kann. Gerade Petyrs Maske ist sensationell geraten und erinnert nicht von ungefähr an DEN großen Genreklassiker Nosferatu. Umso erstaunlicher hingegen, dass die wenigen visuellen Effekte erstaunlich gut umgesetzt wurden und sich sehr gut in den traditionellen Look einfügen. Dass Jemaine Clement (Boris the Animal aus Men in Black 3) und Taika Waititi (Regisseur des schrägen Eagle vs. Shark) den typisch bissigen Humor der Neuseeländer mitbringen, versteht sich von selbst und sorgt vornehmlich für den hohen Unterhaltungswert von 5 Zimmer Küche Sarg.

Großartig, wie der Film die Eigenheiten seiner aus verschiedenen Jahrhunderten zusammengewürfelten Charaktere beschreibt und jedem durch seinen eigenen historischen Background eine unverkennbare Eigenschaft verpasst. Zum Brüllen komisch, wenn Pedant Viago, der Dandy aus dem 18. Jahrhundert, sich darüber beschwert, dass seine Hausgenossen ihm mit einer Leiche sein wunderschönes antikes Sofa versaut haben und ihnen vorschlägt, doch bitte Zeitungen und Handtücher unterzulegen. Ebenso sensationell, wenn er vor laufender Kamera sein erstes Opfer „ansticht“, dabei eine Hauptschlagader trifft und ihm das Blut nur so um die Ohren spritzt. Geradezu einzigartig witzig ist das erste Aufeinandertreffen der Vampire und Werwölfe sowie die Entdeckung der fortgeschrittenen Technologie. Wenn sich die drei Vampire um Stu scharen, der die Internetsuchmaschine nach Bildern von Jungfrauen oder einem Video eines Sonnenaufgangs durchforstet, dann bleibt wirklich kein Auge trocken. Beinahe sämtliche Szenen sind mit dermaßen vielen originellen Ideen versehen, dass man das Thema Vampirfilm in jeder Minute neu zu entdecken glaubt. Nahezu jedes Klischee wird von 5 Zimmer Küche Sarg gebrochen, allerdings ohne das Genre zu verhöhnen. Die Gratwanderung funktioniert perfekt und man sieht dem Film bei aller ironischen Persiflage stets an, wie sehr seine beiden Regisseure den Vampirfilm schätzen. Vielleicht lässt das Tempo im zweiten Drittel ein wenig nach und es schleichen sich ein paar nur mittelprächtig gelungene Witze ein, doch wenn Vladislav im Finale die Zusammenkunft sprengt und im Anschluss die Werwölfe angreifen, gibt’s dafür ein paar gute Actionszenen und sogar den einen oder anderen Gruselmoment. Schauspielerisch ist der Film dabei absolut perfekt besetzt. Jemaine Clement selbst ist als Vladislav schön arrogant und unnahbar, sein Regiekollege Taika Waititi hat mit Viago die beste Rolle ergattert und sorgt als romantischer Vampir mit Hang zum Sauberkeitsfimmel für die besten Lacher. Jonathan Brough als Nazivampir Deacon ist der Antisymphat des Trios und überzeugt vollends in der Rolle. Was man trotzt merklichem Bemühen eher vermeiden sollte, ist die deutsche Synchronfassung, die lange nicht jeden Witz adäquat übersetzt und vor allem mit den Dialekten etwas Schiffbruch erleidet.

Bild- und Tonqualität

Zwar sparen die Filmemacher in 5 Zimmer Küche Sarg die typischen Stilelemente von Mockumentarys nicht aus und variieren mit der Schärfe und der Bildruhe, doch in den ruhigen Innenraumszenen ist das Bild krisp und kontrastreich. Sobald es dunkler wird und die Kameras der Fake-Doku-Filmer sich in den Hintergrund verziehen, gesellt sich ein deutliches Korn und Rauschen dazu. Die Farbgebung ist meist gefiltert und stark stilisiert, um dem Look zu entsprechen. Akustisch konzentriert sich das Geschehen zwar hauptsächlich auf die Front, doch während der Actionszenen öffnet sich das Geschehen auch auf die rückwärtigen Lautsprecher. Dort findet auch die Filmmusik immer wieder statt.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von 5 Zimmer Küche Sarg ist reichhaltig gefüllt: Vom Original Kurzfilm aus dem Jahre 2005 über ein viertelstündiges und charmant-witziges Behind the Scenes bis hin zu acht kurzen und zusätzlich-abstrus-witzigen Featurettes reichen die Extras. Dazu kommen Aufnahmen von der Premiere in Transylvanien und einer Stipvisite der Vampire in Berlin sowie 12 entferne Szenen und sechs Interviews – natürlich sind auch diese nicht ganz ernst gemeint und bleiben in der Stimmung des Films. Zu guter Letzt gibt’s noch zehn Promoclips und Trailer.

Fazit

Sobald Filme mal etwas außergewöhnlich daherkommen, wird von wohlmeinenden Rezepienten gerne das Wort „Kult“ bemüht. Meist haben die entsprechenden Werke jedoch rein gar nichts von einem echten Kultfilm, wenn man es an Maßstäben festmacht, die durch Rocky Horror Picture Show oder Blues Brothers gesetzt wurden. 5 Zimmer Küche Sarg hat aber in der Tat das Zeug dazu, einen echten Kult zu begründen. Man stelle sich vor, zweihundert Kinogänger in langen viktorianischen Gewändern mit spitzen Eckzähnen und blassem Teint entern eine Vorstellung des Films und spritzen mit Kunstblut um sich, wenn Viago die Aorta seines ersten Opfer ansticht – was für ein Spaß!
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 70%
Film: 90%

Anbieter: Weltkino/Universum Film
Land/Jahr: Neuseeland/USA 2014
Regie: Taika Waititi, Jemaine Clement
Darsteller: Taika Waititi, Jemaine Clement, Jonathan Brugh, Cori Gonzalez-Macuer, Stuart Rutherford, Jackie van Beek
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 86
Codec: AVC
FSK: 12

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