Blu-ray Review
OT: A Prayer Before Dawn
Wut
Knallhartes Knast- und Fight-Drama nach wahren Begebenheiten.
Inhalt
Der Brite Billy Moore lebt seit einiger Zeit in Thailand. Weil er dort mit den falschen Leuten in Kontakt geraten ist und angefangen hat, Drogen zu nehmen, verdient er sich als Boxer seine Brötchen und das Geld für die nächste Dosis. Irgendwann kassiert ihn dann die Polizei und er landet in einem thailändischen Gefängnis. Dort sind die Zustände alles andere als erquicklich und weil ihm ein Wärter direkt Heroin zusteckt, versinkt er noch tiefer in Sucht, Gewalt und Brutalität. Erst als ihn sein jüngerer Kompagnon im Knast besucht, besinnt sich Moore wieder auf das, was er kann. Mit Wut im Bauch und viel Übermut gelingt es ihm, ins Box-Training der Insassen einzusteigen. Von da an genießt er gewisse Privilegien. Doch nicht jeder mag ihn und Billys Wut steht ihm ebenfalls immer wieder im Weg …
Es dauert keine zehn Minuten, um eins von vornherein zu erkennen: Dies hier ist kein weiteres hohles Prügelfilmchen aus der billigen B-/C-Movie-Kategorie US-amerikanischer Produktion. Wo andere Filme das Kampfszenario mit vorgeschobener Brutalität ausschlachten, besticht A Prayer Before Dawn mit einer Rohheit und Direktheit, die den Atem raub. Durch den Stil und die Art der Vertonung (mal dumpf im Hintergrund, mal hektisch im Vordergrund) vermittelt Regisseur Jean-Stéphane Sauvaire (Johnny Mad Dog) eine Authentizität und Wut, dass man ahnt, wie übel man der Hauptfigur schon mitgespielt hat. Der auf wahren Begebenheiten (siehe Interview im Bonusmaterial) beruhende Film ist durchweg extrem nahe an seinem Hauptdarsteller – egal, ob der sich gerade im Ring prügelt, den asiatischen Table-Tänzerinnen zuschaut oder sich die Drogen in den Anus schiebt, weil die Polizei vor der Tür steht. Die Unmittelbarkeit der Darstellungen sämtlicher Beteiligter lässt bisweilen vermuten, dass man es mit einem Dokumentarfilm zu tun hat, was auch damit zu tun hat, dass die ersten 15 Minuten nur mit einem Mindestmaß an Dialogen (bzw. besser: Wortfetzen und Kommandos) auskommen. Außerdem vermittelt es eindrucksvoll, dass Billy niemanden versteht. auf diese Weise geht es dem Zuschauer nicht anders – er fühlt sich mit Billy gemeinsam fremd in diesem knallharten Knast-System und leidet mit ihm wie ein Hund.
Geht man davon aus, dass die Zustände in thailändischen Gefängnissen wirklich so sind, dann reicht es, diesen Film zu schauen, um zu wissen, dass man sich im Thailand-Urlaub besser nichts zu schulden kommen lässt. A Prayer Before Dawn beobachtet dabei zunächst fast ausschließlich, zeigt, sie Billy im Ring niedergekämpft wird, Drogen nimmt und von der Polizei verknastet wird. Im Gefängnis sieht man ihn in Massenunterkünften auf dem Boden schlafen, schaut zu, wie er für eine Auseinandersetzung in ein Mauseloch gesperrt ist und dann von den Mithäftlingen in unverständlicher Sprache angebellt wird. Erst langsam entwickelt sich die eigene Geschichte, was hier aber kein Schaden ist, sondern für eine absolut packende und rohe Atmosphäre sorgt. Sauvaire drehte in den Rollen der tätowierten Thailänder mit Laiendarstellern, was es noch echter erscheinen lässt. Manchmal vermutet man tatsächlich, die Szenen seien unter echten Knastbedingungen gedreht worden. Die Unterkünfte sind völlig schmutzig, Vergewaltigungen an der Tagesordnung und die hygienischen Zustände sind ebenso bedauerlich wie die Nahrungsmittel- und Wasserversorgung.
Und mittendrin ist Joe Cole (Peaky Blinders), der eine unfassbare Performance hinlegt. Ohne Scheu vor dem Zugriff eines halben Dutzend der Mitgefangenen prügelt, wütet, beißt, spuckt und schreit er sich durch den Film. Er wird auf den Boden geworfen, umher geschubst und kriecht sprichwörtlich durch die Scheiße. Heroin macht ihn bald völlig abhängig und für die nächste Dosis ist er bereit, alles zu tun – bis er so weit am Boden ist, dass es nur noch einen Ausweg zu geben scheint.
Vielleicht hält sich A Prayer Before Dawn ab und an ein bisschen zu lange damit auf, die Zustände und Geschehnisse im Knast zu schildern, was zwar immer dramatisch ist, aber irgendwann auch etwas repetitiv. Doch das ist ab der Hälfte des Films dann auch wieder vergessen, wenn der Boxkampf wieder stärker fokussiert wird. Womit wir bein den Fights sind. Ohne Übertreibung sind die Auseinandersetzungen im Ring vermutlich so realistisch noch nie in Szene gesetzt worden. Das hier sieht nicht nach Choreografie und durchgestylten Moves aus. Das sieht aus, als haben sich die die beiden Kontrahenten ernsthaft weh getan. Ohne Zweifel ging man hier ohne große Rücksicht auf Verluste vor und selbst der Knockout wirkt echt. Gerade WEIL es etwas unkoordiniert erscheint und eben nicht in jedem Schlag wie vom Tanzlehrer einstudiert, macht es den Film so echt und nahbar.
So roh und brutal diese Szenen sind, so unbequem die ersten 60 Minuten – A Prayer Before Dawn kann auch anders. Wenn Billy in die Gruppe um die Boxer aufgenommen wird und das Tätowierungs-Ritual hinter sich bringt, sind das zärtliche, beinahe poetische Bilder, die Sauvaire hier findet – ein hervorragender Ausgleich für das, was er dem Zuschauer zuvor an Intensität zugemutet hat. Hier wie auch über die gesamte Laufzeit ist die Filmmusik noch das Tüpfelchen auf dem „i“. Der Score macht es sich nicht leicht und nimmt nicht Songs oder traditionelle Rhythmen, die man erwarten würde. Vielmehr schwebt er oftmals in elektronischen Klänge – erinnert oft eher an Philip Glass denn an den typisch heroischen Sound, der Martial-Arts-Filmen oft unterliegt.
Bild- und Tonqualität
A Prayer Before Dawn beginnt mit einer ungemein scharf aufgelösten Ansicht des beeindruckenden Rückens von Joe Cole. Bis in die Hautporen hinein kann man schauen. Auch im späteren Verlauf sind die tropf- und schweißnassen Körper und Gesichter stets knackig scharf. Es gesellt sich allerdings ein wenig Korn hinzu, was vor allem in den dunklen Knast-Szenen für deutliche Unruhen sorgt. Allerdings kommt das fürs Thema sehr passend rüber. Farben haben den typisch gelblichen Look, der asiatischen Filmen oft innewohnt. Die Kontraste während der gut ausgeleuchteten Szenen sind ausreichend gut, in den dunkleren Momenten lässt die Durchzeichnung nach, weil die Farbkonstraste überreißen. Außerdem ist der Schwarzwert nur mäßig.
Beim Ton liegen zwar beide Sprachen in 5.1 dts-HD-Master vor, doch die englische Fassung klingt wesentlich offener, lauter und auch räumlicher. Wenn der Mithäftling nach der Drogenkontrolle über die Lautsprecher hörbar verprügelt wird, liefert der Originalton das unmittelbarer und mit einem immersiveren Rundum-Gefühl. Dafür sind die englischen Dialoge etwas leiser eingebettet. Im Deutschen versteht man sie etwas besser. Der Subwoofer bleibt indes die meiste Zeit im Standby – selbst bei den etwas dynamischeren Momenten mit viel Häftlings-Geschrei.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von A Prayer Before Dawn findet sich neben den Trailern noch ein Interview mit dem echten Billy Moore, das mit 15 Minuten relativ ausführlich geworden ist. Er berichtet, wie er sich beim Rucksackreisen in Thailand verliebte, dort in den Untergrund rutschte, weil er auf seiner Suche nach Anerkennung in die Gesellschaft der falschen Leute kam. Schließlich landete er im Gefängnis. Beeindruckend, wie offen er darüber spricht und immer wieder schlucken muss, weil die Emotionen wieder hochkochen.
Fazit
Manchmal sagt man es wie eine Floskel: Dieser Film ist wie ein Faustschlag in den Magen. Doch bei A Prayer Before Dawn trifft dieser Satz ohne Wenn und Aber zu. Was Jean-Stéphane Sauvaire mit einem phänomenalen Joe Cole in der Hauptrolle und der schneidend dichten Atmosphäre in Thailand und einem echten philippinischen Knast umgesetzt hat, ist im höchsten Maße intensiv, authentisch und unglaublich packend – ein kleines Meisterwerk.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 60%
Film: 90%
Anbieter: Ascot Elite Entertainment
Land/Jahr: Frankreich/Großbritannien/Kambodscha/USA/China 2017
Regie: Jean-Stéphane Sauvaire
Darsteller: Joe Cole, Vithaya Pansringarm, Panya Yimmumphai, Nicolas Shake, Billy Moore, Pornchanok Mabklang
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 116
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Ascot Elite Entertainment)