Blu-ray Review
OT: A Rainy Day in New York
Goldenes Gift
Woody Allens jüngster Film erreicht das Heimkino.
Inhalt
Gatsby kommt aus New York. Und Gatsby ist am Yardley College, was er hasst. Allerdings weniger als die letzte Uni, auf der er war. Und der Grund dafür ist Ashleigh. Mit ihr ist Gatsby seit Kurzem zusammen und total verliebt. Um das Verliebtsein zu feiern, kommt Gatsby gerade Recht, dass man Ashleigh für die College-Zeitung ein Interview mit dem berühmten Regisseur Roland Pollard vermittelt hat. Sie ist hin und weg und völlig überwältigt, dass man ihr dieses Vertrauen gegeben hat. Da das Interview in Manhattan stattfinden soll, spendiert Gatsby die Unterbringung in einem luxuriösen Hotel mit Blick auf den Central Park. Gemeinsam wollen sie endlich Manhattan erkunden. Während des Interviews mit Pollard stellt sich raus, dass Ashleigh ihn an seine erste Frau erinnert. Er fühlt sich angetan von der jungen Studentin. Als Ashleigh Gatsby ihm schwärmend vom Interview erzählt und er merkt, wie wohlwollend sie von ihm spricht, wird er eifersüchtig. Er fragt sich, was Frauen an älteren Männern so anziehend finden. Kurz darauf trifft Gatsby einen alten Schulkollegen, der ihm eine kleine Rolle in seinem eigenen Film anbietet – eine Kussszene. Gatsby ist verwirrt, denn immerhin ist die junge Dame, mit der er spielen soll die jüngere Schwester einer Ex. Doch das ist nicht die einzige Verwirrung, die an diesem verregneten Tag in New York auf Gatsby und Ashleigh wartet …
Woody Allen drehte A Rainy Day in New York 2017, zur Hoch-Zeit der MeToo-Debatte. Und weil Woody Allen seit den 90ern mit dem Vorwurf seiner Ex-Frau Mia Farrow kämpft, die ihm vorwirft, die gemeinsame Adoptivtochter Dylan Farrow missbraucht zu haben, was Dylan seit 2014 ebenfalls bekräftigt, hatte es der Film in den USA schwer. Amazon, das produzierende Studio, hat den Film nicht ausgewertet und den Vertrag über weitere Kooperationen gelöst. Die jungen Hauptdarsteller Timothée Chalamet, Selena Gomez und Rebecca Hall distanzierten sich von A Rainy Day in New York und spendeten ihre Gagen.
Lediglich in Europa gab’s eine Kinoauswertung. Dieses Review wird sich nicht positionieren und diskutieren, welche Partei im Recht ist und ob man Allen lieber boykottieren sollte. Das muss und sollte jeder für sich selbst entscheiden.
Nein, es soll um den Film gehen. Um diese neuerliche Liebeserklärung an New York und an die Figuren, die so charmant in ihrem Scheitern sind, dass man sie nur mögen kann.
Dabei atmet A Rainy Day in New York an jeder Ecke und durch jeden Tropfen des (überraschend spät einsetzenden) titelgebenden Regens sowie begleitet durch die erlesene Fotografie von Kameramann Vittorio Storaro (Der letzte Kaiser) die Handschrift seines Regisseurs:
Charaktere, die durch die Stadt, durch Museen oder über Plätze flanieren und dabei über das Leben, die Vergangenheit oder über die Zukunft philosophieren.
Man findet (ebenfalls wie bei zahlreichen Allen-Filmen) Entsprechungen für die typischen Rollenbilder: Der (trinkende) Regisseur in der Krise, der in einer der Figuren seine Muse zu finden glaubt, der eifersüchtige Drehbuchautor, der seiner Frau nachstellt und der von allen geliebte Schauspieler, der in Ashleigh ein leichtes Opfer zu finden meint.
Man könnte, wenn man wollte, diese (allesamt wirklich nicht sympathischen) Figuren als Kommentar auf die Weinsteins dieser Welt interpretieren. Und damit wäre Allen näher an der Einstellung seiner Kritiker als an der Position, die man ihm (dem alten Regisseur, der eine wesentlich jüngere Frau – noch dazu seine Adoptivtocher – zur Gattin hat) immer mal wieder vorwirft.
Zumal die starken Rollen in A Rainy Day in New York durchweg die Frauenfiguren sind. Ja, Ashleigh ist anfangs das scheinbar naive Mädchen, das sich von der Hollywood-Prominenz blenden lässt und dabei ihre Schluckauf-Anfälle bekommt. Doch das kann auch täuschen. Denn wenn sie mit unschuldigem Lächeln den anwesenden Paparazzi eine kurze Erklärung über ihre Herkunft gibt, wirkt das so naiv gar nicht mehr. Vielmehr wickelt sie die Fotografen (und das Publikum vor den Bildschirmen) auf ihre Weise um den Finger. Und wenn sie innerhalb von wenigen (Film)Minuten gleich drei geilen älteren bis alten Säcken selbstbewusst den Laufpass gibt, taugt das wenig, um sie als Projektionsfläche für Kritik am Regisseur zu (be)nutzen.
Richtig gut ist neben Elle Fanning zudem Selena Gomez, die vermutlich eine der stärksten jüngeren Frauenrollen in Allen-Filmen überhaupt spielt. Sie ist es, die gekonnt kommentiert, wie leicht Gatsby es sich in seiner selbstmitleidigen Blase zurechtmacht, aus der heraus er gegen seine Eltern (und alles andere) schießt. Sie reflektiert ihm, dass er für sein Leben auch mal Verantwortung übernehmen, vielleicht auch mal ein Ziel haben darf. Und vielleicht wird er durch ein ernstes Gespräch mit seiner Mutter (die ihm mit sensationeller Inbrunst Schamhaarspalterei vorwirft) tatsächlich ein bisschen erwachsener, wenn er erfährt, wer seine Mutter wirklich ist und auf was das Vermögen der Eltern aufbaute.
Dieser Moment ist der erklärte Höhepunkt von A Rainy Day in New York, der in diesem Moment nicht nur das Kartenhaus von Gatsby einstürzen lässt, sondern einen vortrefflichen Kommentar auf die Arroganz der Jugend abliefert. Dass Allens jüngster Film dabei überraschend versöhnlich endet, ist vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass er bei aller Generationen-Boshaftigkeit in A Rainy Day in New York die Hoffnung nicht über Bord geworfen hat.
Bild- und Tonqualität
Woody Allen war lange Zeit ein der Technik gegenüber ziemlich traditionell eingestellter Regisseur. Er filmte meist analog und DVDs oder später Blu-rays (selbst seiner jüngsten Filme) bekamen lange Zeit nur Mono- oder Stereo-Spuren.
A Rainy Day in New York ist technisch aber auf der Höhe. Digital gefilmt Sonys CineAlta F65 ist die Basis ein 4K-Master, was man anhand der vorhandenen Schärfe in Close-ups stets sehen kann. Die Farbgebung des im ungewöhnlichen Format von 2.00:1 abgelegten Films ist durchweg warm, was zu Allens Werken perfekt passt. Fast rötlich wirken Gesichter in vielen Einstellungen und ein leichter Weichzeichner umgibt die nachmittäglichen Szenen. Die Bildruhe ist wirklich gut, wenn man von ein paar hellen Hintergründen absieht, auf denen es mal etwas wuselt.
Beim Ton bekommt man tatsächlich 5.1 und einen sehr atmosphärischen dazu. Die Straßen New Yorks werden lebhaft ins Heimkino übertragen und wenn der Regen einsetzt, wird auch das räumlich dargestellt. Der gewohnt souverän ausgewählte Score umschmeichelt die Speaker und ist angenehm ausgewogen im Verhältnis zu den stets souverän eingebetteten Stimmen. Anlass für Dynamikattacken gibt’s naturgemäß nicht.
- Dieser Artikel hat Deutsche Sprache und Untertitel.
Bonusmaterial
Abgesehen vom Trailer des Films gibt’s hier nichts zu entdecken.
Fazit
A Rainy Day in New York atmet den Geist der Woody-Allen-Klassiker, bietet aber durchaus überraschende Charakterzüge innerhalb seiner Frauenfiguren und begegnet seinem romantischen Grundthema wunderbar entspannt. Für Allen-Fans ist es eine Freude, für Romantiker ebenso. Wer zuvor mit den Filmen des Stadtneurotikers nichts anfangen konnte, wird das aber auch dieses Mal nicht.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 5%
Film: 80%
Anbieter: EuroVideo
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Woody Allen
Darsteller: Timothée Chalamet, Elle Fanning, Selena Gomez, Jude Law, Diego Luna, Liev Schreiber, Kelly Rohrbach, Rebecca Hall
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,00:1
Laufzeit: 93
Codec: AVC
FSK: 0
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter EuroVideo)
Trailer zu A Rainy Day in New York