Blu-ray Review
OT: Toy Story 4
Freiheit
Ein viertes Mal begegnen wir Sheriff Woody und seinen Freunden – ein letztes Mal?
Inhalt
Nachdem Andy aufs College gewechselt war, konnte Sheriff Woody gerade noch verhindern, dass er und seine Spielzeugfreunde auf dem Speicher landeten. Die folgende Odyssee endete damit, dass Andy sein Spielzeug der kleinen Bonnie vermacht hat. Bonnie wiederum schätzte Woody, Buzz & Co. Doch nun steht auch bei ihr Veränderung ins Haus, denn sie muss in die Vorschule. Vorbei sind die Tage, an denen sie ausgiebig daheim spielen konnte – zumal sie zuletzt immer häufiger Woodys Sheriffstern an Jessies Revers geheftet und Woody links liegen gelassen hatte. Doch der hat ein bedingungslos gutes Herz und kümmert sich um Bonnie wie eh und je. So ist es auch kein Wunder, dass er sich in ihren kleinen Rucksack schleicht und am ersten Tag in der Vorschule dabei ist. Als die Zwei nach Hause kommen, hat Woody Neuigkeiten für seine Spielzeug-Kollegen: Bonnie hat aus Müllresten einen „Göffel“ gebastelt und ihn „Forky“ getauft. Forky ist nun Bonnies neuer bester Spielkamerad – auch wenn der kleine Kerl lieber seiner Bestimmung folgen würde, in den Abfalleimer zu gelangen. Doch die Akzeptanz Forkys ist bald nicht mehr das einzige Problem von Woody und den anderen. Denn während einer Camping-Tour werden die Spielzeuge getrennt und Woody begegnet einer alten Bekannten …
Mit Toy Story begann alles. Kein Minions, kein Ice Age, kein grüner Oger Shrek ohne die erste Geschichte rund um Woody und Buzz Lightyear. Als erster vollständig am Rechner erstellter Animations-Spielfilm stellte Toy Story 1995 die Zuschauer vor große Herausforderungen: Ein Publikum, das mit klassischem Zeichentrick aufgewachsen und groß geworden war und das nun auf einen volldigital animierten 3D-Streifen traf, fürchtete unter anderem, dass in naher Zukunft Schauspieler aus Fleisch und Blut ersetzt würden. Man fürchtete, dass die Stories seelenloser würden und eine Emotionalität nicht mehr in dem Maße zu erfahren sei.
Eingetreten davon ist (glücklicherweise) nichts. Denn sieht man mal von (immer noch schwachen) digitalen Verjüngungen und Experimenten wie einem digitalen Will-Smith-Zwilling in Ang Lees Gemini Man ab, schauen wir auch 25 Jahre später noch echten Schauspielern zu und erleb(t)en gerade im Animationsfilm eine Fülle an innovativen UND gleichzeitig sehr bewegenden Geschichten.
Schon der erste Teil der Toy-Story-Filme traf in Sachen Humor und Charaktertiefe mitten ins Herz. Selten hatten Figuren mehr Seele als in diesem ersten volldigital animierten Spielfilm. Und um den Kritikern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, erzählte man direkt eine Geschichte, die mit ihrem „altes Spielzeug vs. neues Spielzeug“-Thema wie ein Gleichnis auf die Ängste des Publikums wirkte.
Vier Jahre später schaffte Toy Story 2 dann sogar noch eine erzählerische Steigerung und wurde gut elf Jahre danach in Toy Story 3 zu einem (wie man meinte) runden Ende gebracht.
Doch man hatte die Rechnung ohne Pixar gemacht. Nach ein paar weniger erfolgreichen Origin-Stories und einem flachen Cars 3 schien es doch noch so, als wäre die Geschichte rund um Woody, Buzz Lightyear & Co. nicht auserzählt.
Gerade in der eigentlichen Hauptfigur sah man noch Potenzial eine besonders bewegende und sich geradezu aufdrängende Geschichte zu erzählen:
Was, wenn die absolute Loyalität, die Woody stets „seinen Kindern“ gegenüber erbrachte, in Frage gestellt würde? Was, wenn er sich wirklich mal aufs Abstellgleis gestellt fühlte und was, wenn dann auch noch eine alte Liebe auftaucht, die etwas von Freiheit erzählt?
Toy Story 4, der hierzulande unter dem völlig unpassenden Titel Alles hört auf kein Kommando vermarktet wurde, konzentriert sich fast voll und ganz auf Sheriff Woody. Regisseur Josh Cooley, der als Storyboard-Artist bei Die Unglaublichen, Ratatouille oder Oben sowie Co-Autor von Alles steht Kopf schon reichlich Pixar-Erfahrung in die Waagschale werfen kann, erzählt damit vielleicht die überraschendste und kontroverseste Geschichte innerhalb des Toy-Story-Universums.
Liebevoll wendet auch er sich den Spielzeugen und ihren Erlebnissen zu, lässt selbst den bösartig wirkenden Exemplaren Raum für ihre Entfaltung und landet dabei nicht im fast zynisch-bösen Schicksal des Bösewichts aus Teil III.
Dennoch verhandelt der vierte Teil eine schwer zu schluckende These: Wie lange ist ein Spielzeug jemandes Spielzeug? Hört dies vielleicht dann auf, wenn das Kind keine Verwendung mehr für das Spielzeug hat?
Das Verhältnis von Bonnie und Woody scheint dies zu untermalen. Während Woody immer öfter ungenutzt im Schrank liegen bleibt, ignoriert er lange sein scheinbares Schicksal. Im Gegenteil setzt er erneut alles daran, Bonnie dennoch glücklich zu machen – und sei es, das neue „Spielzeug“ immer wieder davon abzuhalten, Selbstmord im Abfalleimer zu begehen, weil Bonnie doch so sehr an Forky hängt. Aufopferung bis zur Selbstaufgabe – das grundlegende Problem, das Woodys Figur in Toy Story 4 – Alles hört auf kein Kommando durchmachen muss.
Mann wird darüber vortrefflich diskutieren können, ob das Ende des Films ein Bruch mit den eigentlichen Idealen der Figur ist oder eine notwendige Entwicklung, die man auch parallel zur Entwicklung der Eltern verstehen kann. Auch Eltern werden, je erwachsener die Kids werden, irgendwann weniger gebraucht. Sie müssen sich damit abfinden und dürfen irgendwann diese neue Freiheit auch genießen.
Natürlich ist Toy Story 4 aber kein problembehaftetes Drama. Selbstverständlich wird auch hier das Abenteuer zelebriert und der Humor groß geschrieben. Gags wie jener mit der Wollmaus oder mit Porzellinchens Arm zünden immer noch und die Abfall-Sehnsucht von Forky ist zum Schießen. Außerdem wird das Universum um ein paar sehr unterhaltsame Figuren erweitert, von denen Duke Caboom (von Michi Beck gesprochen) die besten Szenen hat, während die beiden Kuscheltiere Ducky und Bunny eher nervig ausfallen. Mitunter gruselig sind die Szenen mit den Bensons. Die Bauchrednerpuppen, die Gabby Gabby treu dienen und nicht sprechen können, sind nicht von Ungefähr optisch an Slappy aus Gänsehaut angelehnt und können auf die kleinsten Zuschauer schon mal ein bisschen zu düster wirken.
Für die erwachsenen Zuschauer gibt es in ihrer Person allerdings angenehme Spannung im Antiquitätenladen. Und innerhalb dessen Räumlichkeiten zeigen die Animationskünstler, was heute möglich ist. Die Detailvielfalt mit leicht schwebenden Staubpartikeln und Spinnenweben zwischen den alten Regalen ist beeindruckend. Was man hier alles entdecken kann, reicht für ein dreimaliges Anschauen des Films – selbst wenn es dem vierten Teil gegenüber Toy Story und Toy Story II etwas an Tempo fehlt.
Wenn Woody dann aber am Ende seiner Bestimmung als Cowboy nachkommt, bekommt das, was im ersten Teil vor fast 25 Jahren begann einen wirklich runden Abschluss – und zwar einen, den man ihm gönnen darf.
Bild- und Tonqualität
Alles andere als ein perfektes Bild wäre eine kleine Enttäuschung. Zumal sich hartnäckig (unbestätigte) Gerüchte halten, dass es sich hier um den ersten in 4K gerenderten Animationsfilm handeln könnte. Was wohl sicher ist, ist die 4K-Auflösung des Digital Intermediate, das für die US-UHD herangezogen wurde. Nicht mit absoluter Sicherheit lässt sich aber sagen, ob dieses „nur“ hochskaliert wurde oder eben tatsächlich auf einem 4K-Rendering beruht. Sollte Letzteres der Fall sein, ist es umso ärgerlicher, dass man hierzulande auf die Veröffentlichung der UHD zu Toy Story 4 verzichtet hat. Denn entsprechende US-Reviews reden von Referenz-Schärfe.
Sei’s drum. Wir müssen also mit der Full-HD-Version zufrieden sein, die natürlich ebenfalls auf diesem 4K DI beruht. Und zufrieden darf man für sich genommen auch durchaus sein. Denn die BD liefert in der Tat praktisch ein perfektes Bild. Gerade die Detail- und Feinauflösung sucht ihresgleichen. Was die Damen und Herren von Pixar mittlerweile in ihre Filme animieren, ist sensationell. Ob das die Struktur unter Woodys Stiefeln ist, die lebensecht wirkenden Haare von Bonnie oder die authentische Maserung des Kunstledersitzes im Auto der Familie – hier wird schon in der 2D-Fassung eine famose Detailtiefe erreicht – und zwar eine, die auch in Totalen kaum nachlässt, wenn man weitläufige Hintergründe betrachtet (Bäume 32’12, Jahrmarkt 48’06). Teilweise wirken diese fast fotorealistisch und die bisweilen eingefügten Staubpartikel lassen sich fast einzeln greifen.
Auch Farben sind wunderbar kräftig und extrem vielfältig. Der Kontrastumfang hilft dabei mit gutem Schwarzwert und dynamischer Hell-Dunkel-Ausleuchtung. Womit wir bei den beiden Mankos der Blu-ray sind: Tageslichtszenen sind manchmal etwas zu hell und es gibt schon mal helle Oberflächen, die etwas überstrahlen – auch hier würde eine UHD möglicherweise noch mal die Schippe drauflegen, um das visuelle Erlebnis weiter zu perfektionieren. Möglicherweise fehlen auf der UHD dann auch die ganz leichten Rauschmuster auf feinsten Strukturen (Stoffmuster auf dem Rücksitz 11’28). Trotz dieser zwei kleinen Mankos zwar immer noch ein referenzwürdiges Bild, aber nicht mit der absoluten Bestnote.
Auch bei Toy Story 4 verfolgt Disney weiter den einmal eingeschlagenen Weg, die deutsche Fassung nur noch mit einer Dolby-Digital-Plus-Spur zu mastern. Gleichsam gibt’s hier immerhin 7.1-Tonspuren, was auch für die englische Fassung gilt. Letztere liegt indes unkomprimiert in dts-HD-Master vor.
Grundsätzlich kann Toy Story 4 aber trotz der komprimierten Tonspur durchaus überzeugen. Die Sprache kommt sehr klar und akzentuiert aus dem Center, Stimmen haben Volumen und wenn die Spielzeuge das Gaspedal des Wohnmobils durchtreten, gibt’s ebenso nette Subwoofer-Unterstützung wie bei den Aktionen unter dem Karussell (33’55, 71’00). Besonders die zentrifugalartigen Wusch-Sounds nach knapp über 70 Minuten zeigen, dass auch eine DD+-Spur wirklich dynamisch sein kann.
Da der vierte Teil nicht mit einem Übermaß an Action ausgestattet ist, werden die potenten Speaker ohnehin nur selten richtig gefordert. Allerdings gelangen die Musikstücke jederzeit klangvoll zum Gehört und die Surroundkulisse auf dem Jahrmarkt oder auch während der atmosphärischen Szenen gerät lebhaft und sehr dediziert. Oftmals bewegen sich Stimmen oder Objekte sehr luftig um den Zuhörer herum und nehmen ihn effektiv in die Mitte. Man darf über die Komprimierung schimpfen, allerdings würde sich das Ganze mit verlustfreiem Codec nur wenig besser anhören, was sich anhand der nur marginal dynamischeren englischen Fassung ablesen lässt.
3D-Effekt
Als vollständig am Rechner entstandener Film hat Toy Story 4 es natürlich relativ leicht, für einen sehr mustergültigen 3D-Effekt zu sorgen.
Doppelkonturen oder ähnliche Probleme tauchen in gerenderten Filmen in der Regel nur auf, wenn man es an den Reglern übertreibt.
Dies ist beim vierten Teil des Franchise nicht der Fall. Die Figurentiefe während der „normalen“ Einstellungen bietet eine schöne Tiefenstaffelung, ohne es zu übertreiben. Die im Fokus stehenden Figuren arbeiten sich vor dem Hintergrund angenehm heraus und bleiben dabei plastisch. Größere Einstellungen wie Totale über den Rummelplatz oder ähnliches lassen aufgrund des sehr realistisch animierten Hintergrundes ebenfalls eine gute Räumlichkeit entstehen.
Pop-Out-Effekte gibt es immer mal wieder (Porzellinchens gebogene Rute oder der in der Luft fliegende Staub im Antiquitäten-Laden), doch es wird nicht um des Pop-out-Willens der ganze Film danach gestaltet – insgesamt ein sehr rundes und harmonisches 3D-Vergnügen.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Toy Story – Alles hört auf kein Kommando beginnt mit dem, was auf der Film-BD zu finden ist. Zum einen ist da der Audiokommentar von Regisseur Cooley und Produzent Mark Nielsen, der mit einer Erklärung beginnt, warum man noch einen vierten Teil gemacht hat. In „Porzellinchen ganz neu“ lässt man die Animatoren der Porzellan-Dame zu Wort kommen, wie sie ihr ein neues Leben verpassten. Toy Stories“ wiederum gibt kurze Statements der Animateure, Synchronsprecher und Filmschaffenden preis, wie sie zu ihren Spielsachen stehen und was sie für sie bedeuteten.
Dazu kommen dann die Extras der dritten Blu-ray aus dem 3-Disk-Paket. Dort finden sich noch einmal sieben entfernte Szenen sowie eine fünfteilige Toy Box. In der werden mit einer Lauflänge von insgesamt 13 Minuten die neuen Charaktere vorgestellt. Von Gabby Gabby, deren Wesen und Hintergründe man noch einmal schildert über Forky, der aus ein paar Basis-Elementen zusammengesetzt wurde, bis hin zu Duke Caboom, der als kanadischer Motorrad-Stuntman für besonderen Schwung sorgt. Auch Ducky und Bunny, die billigen Jahrmarktkuscheltiere werden noch mal etwas porträtiert und auch Giggle McDimples erhält ein kurzes Featurette. In „Unterwegs mit Ally Maki“ begleitet die Originalstimme von Giggle McDimples ins Tonstudie – ein nettes Feature über Synchronarbeit generell. In „Woody & Buzz“ geht es noch mal um den Kern der Freundschaft der beiden und die „Anatomie der Spielplatzszene“ nimmt sich knapp neun Minuten Teile der Entstehung der Sequenz vor, in der sich Woody und Porzellinchen erstmals wieder begegnen. „Jahrmarkt“ und „Blick vom Dach“ sind dann zwei kurze Kamerafahrten durch die Sets, die man so im Film nicht zu sehen bekam. Trailer und Teaser runden das Ganze ab.
Fazit
Toy Story 4 ist der runde Abschluss, den man sich schon nach dem dritten Teil erdacht hatte. Das Ende wird sicher einige Zuschauer vor den Kopf stoßen. Es regt aber auch zum (Nach)Denken an und ist deshalb durchaus gelungen und logisch. Während die große Action der Vorgänger etwas fehlt, bewegen die Einzelschicksale der Spielzeuge und „ihrer“ Kinder immer noch.
Die Blu-ray liefert dazu ein fast perfektes Bild und einen sehr lebhaften Ton. Für Pixar-Fans deshalb ein Pflichtkauf!
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 95%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 60%
Film: 80%
3D-Effekt: 80%
Anbieter: Walt Disney Company
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Josh Cooley
Sprecher: Michael Herbig, Walter von Hauff, Alexandra Ludwig, Marc Oliver Schulze, Carin C. Tietze, Gerhard Jilka, Rick Kavanian, Michi Beck, Karim el Kammouchi
Tonformate: dts HD-Master 7.1: en // Dolby Digital Plus 7.1: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 100
Codec: AVC/MVC
FSK: 0
(Copyright der Cover und Szenenbilder. © 2019 Disney / Pixar)
Trailer zu Toy Story – Alles hört auf kein Kommando
Hallo Herr Wolters, da war war doch ein Fehlerteufelchen unterwegs! Der Titel lautet „Alles hört auf KEIN Kommando“!
Ansonsten wie immer eine tolle Rezension!
Oha. Und was für ein Fehlerteufelchen. Das war ja mehr ein dicker Teufel und kein „…chen“ mehr.
Besten Dank für den Hinweis. Da sieht man mal, wie blind man sein kann.