Blu-ray Review
OT: African Kung-Fu Nazis
Wein, Weiber und Wurstwaren
Deutscher Regisseur, der in Japan lebt, macht Film über Nazis in Ghana, die japanisches Karate gegen Kung-Fu-Landesgenossen betreiben und Hitler schaut zu. Klingt nach Trash und ist es auch.
Inhalt
Die Geschichtsbücher lügen! Hitler hat nicht Selbstmord begangen und der japanische Premierminister Tōjō Hideki wurde nicht zum Tode verurteilt. Beide sind in einem U-Boot auf der Erdscheibe bis nach Ghana gefahren und halten sich dort noch immer auf. Gemeinsam haben sie mit ihrem japanischen Karate eine arische Armee von Ghanaern, den von ihnen Ghan-Ariern geformt, um ihrem Ziel, dem vierten Reich näher zu kommen. Zunächst einmal müssen sich die schwarzen Karate-Arier des Führers aber in einem Turnier gegen das Kung-Fu von Horst und seinem Schlauch-Lehrer beweisen. Um die Verhältnisse gleich mal klar zu stellen. greifen die Ghan-Arier die Kung-Fu-Schule an und töten den Master. Das wiederum macht Horst richtig wütend. Und so schreibt er sich für das Turnier unter der Blutfahne ein, um Hitler und seinen Karate-Ariern ein für allemal in den Hinter zu treten …
Hermann Göring ist ein Schwarzer, Hitler und „Ehrenarier“ Tōjō haben den Zweiten Weltkrieg überlebt und mit Hilfe ihrer arischen Superkräfte und dem japanischen Karate die Sterblichkeit überwunden. Ihre Armee von Ghan-Ariern bekommt nach dem Schwur auf die Blutfahne wie von Zauberhand ein weiß getünchtes Gesicht und diese unheilige Verbindung aus zwei Führern und einer Karate-Armee strebt nun (erneut) die Weltherrschaft an.
Ja, das klingt nach einem Haufen Unsinn. Und das IST ein Haufen Unsinn. Ziemlich bescheuerter Unsinn. Mithin also das, was man gerne als Kultfilm bezeichnet. Oder etwas, das es dereinst werden könnte. Wem also Iron Sky zu zahm, harmlos und ernsthaft war, für den ist African Kung-Fu Nazis vermutlich genau das Richtige. Immer vorausgesetzt, man hat rund zwei Promille Alkohol im Blut – so wie übrigens auch Autor und Regisseur Sebastian Stein am Abend bevor ihm die Story einfiel.
Mit eben diesem Blutalkoholgehalt ist dann erträglich, was Stein und sein Co-Regisseur (oder war’s anders herum) Samuel K. Nkansah hier als Hommage an die Martial-Arts-Komödien der 70er zusammengezimmert haben. 10.000 Dollar mussten ausreichen, um die Produktion an den Originalschauplätzen in Ghana zu realiseren. 10.000 Dollar, die Stein wohl komplett eigenfinanziert hat.
Als deutscher Zuschauer sollte man allerdings eines zuvor wissen: African Kung-Fu Nazis ist nicht nur als Verbeugung vor den Martial-Arts-Komödie gedacht, sondern in der hiesigen Synchro auch als Hommage an die Rainer-Brandt-Synchros (Die Zwei), bzw. an die 70er-Jahre-Kung-Fu-Synchros im Stile von Der Dampfhammer von Send-Ling angelegt. Allerdings nur in der deutschen Fassung. Der von Stein inszenierte Film ist im englischen „Original“ ein fast komplett anderer Film. Mit ernsten, bis etwas melodramatisch angelegten Dialogen sind es dort „nur“ die Slapstick-Geschichten sowie die an sich schon absurde Story, die für Humor sorgen.
Die deutsche Synchro jedoch schlägt dermaßen über die Stränge, dass man sturzbetrunken sein MUSS, um das zu ertragen. Oder vielleicht ein Fan dieser hysterisch-überdrehten und frei übersetzten Arbeiten.
Die Schlefaz-(Nach)Synchros von Oliver Kalkofe und Peter Rütten zu Trashperlen und Porno-Filmchen sind ein literarischer Hochgenuss gegen das, was hier an versammeltem Dialekt-Kartoffelbrei in (hauptsächlich) Bayerisch und (manchmal) Norddeutsch, Schwäbisch oder Hessisch zum Besten … Schlechtesten wiedergegeben wird. Man muss das schon mit einem sehr ironisierten Auge sehen und vor allem hören, um es zu goutieren.
Das beginnt bei den durchweg eingedeutschten Namen, die im Original komplett anders sind und geht weiter über den mitunter krass veränderten Text. Spricht Hitler im Original vom neuen Vierten Reich und einem neuen japanischen Empire, wird daraus im Deutschen ein „vorwärts immer, rückwärts nimmer“. Das muss einem schon einfallen. Und es arbeitet sich durch den ganzen Film an den abgegriffensten deutschen Sprüchen überhaupt ab, die man dann auch gerne noch mal fäkalisiert oder sonstwie unter die Gürtellinie gebracht hat.
Kostprobe gefällig? Gerne: „Morgenstund hat Stuhl im Mund“. Aaaaha.
Ja, das ist nichts für linguistische Feinschmecker. Ganz und gar nicht. Wenn man natürlich diese Art der bewussten Überhöhung und albernen Ironisierung mag, dann ist die deutsche Synchro von African Kung-Fu Nazis wahrscheinlich ein riesiger Spaß. Und der oben angesprochene Blutalkohol-Pegel hilft ja auch ein bisschen.
Wer sich den Film im Original anschaut, der bekommt nach dem wirklich großartigen Intro, nach dem man sich durchaus mal fragen kann, wie einem so ein Haufen an irrsinnigen Quatsch einfällt, einen gar nicht mal so schlechten Kampfkunstfilm mit allerdings (ziemlich) rudimentären Charakteren. Letzteres ist aber fast egal und nebensächlich. Auch, dass die meisten Protagonisten kaum sympathisch rüberkommen. Immerhin die Kampfszenen sind aller Ehren wert und das production value (wie man auf Neudeutsch zum hochwertigen Aussehen und den vielfältigen Schauplätzen sagt) ist durch den Dreh in Kumasi, Ghana, ziemlich hoch. Okay, der Platz hinter der Kung-Fu-Schule des Obermeisters sieht ein bisschen aus wie ein Garagenhof in Castrop-Rauxel, aber vermutlich kann man dort auch nicht einfach drehen, wo man möchte. Die Kampfkunst selbst wird überzeugend vorgetragen und man merkt, dass die Darsteller fast alle echte Martial-Arts-Erfahrung haben. Da hauptsächlich mit Einheimischen Darstellern und Amateuren gedreht wurde, ist nicht jede Figur wirklich professionell gespielt. Aber immerhin Hauptdarsteller Elisha Okeyere gibt den „Horst“ ziemlich überzeugend und mit Leidenschaft. Wirklich schade ist, dass man aufgrund der Produktionsumstände und des Budgets auf praktische Effekte verzichtete. Auch wenn Samuel K. Nkansa in seiner Heimat schon Preise für seine visuellen Effekte einheimsen konnte – realistisch sehen abgehackte Finger, herausgerissene Herzen und abgetrennte Köpfe sowie Blutfontänen nicht aus. Unterstreicht aber auch hier den Trash-Charakter des Films.
Bild- und Tonqualität
Sieht man von den Archivaufnahmen und jenen Szenen ab, die bewusst stark bearbeitet wurden, beginnt African Kung-Fu Nazis mit einer sehr schönen und bis in die Tiefe angenehm gut aufgelösten Vogelperspektive auf Kumasi. Die anschließenden Einstellungen der Darsteller fallen allerdings zu harsch kontrastiert aus und sind vor allem wachsig weich in den Gesichtern. Während der Abendszenen gibt’s dann auch mal Artefakte auf den Oberflächen im Hintergrund (11’45). Während Hitlers Ansprache an seiner Ghan-Arier ist das Bild fast komplett wachsig und in dunklen Bildbereichen versumpfen die Details. Das sieht ein bisschen nach 80er-Jahre-VHS-Kopie aus.
Akustisch bleibt African Kung-Fu Nazis im Rahmen seiner geringen Produktionskosten im Rahmen der Möglichkeiten. Grundsätzlich bleibt der Sound sehr vordergründig, bietet aber immerhin eine ansprechende Räumlichkeit auf den drei Frontspeakern. Die Rears werden etwas mit Filmmusik und ab und an auch mal mit ein paar Vogelgeräuschen befüttert. Auch Lautsprecherdurchsagen oder ähnliche Effekte kommen mal aus den Surrounds und während der Diskoszene bei 30’30 darf auch der Sub mal ein bisschen zupacken. Besser als der englische 2.0-Ton ist das aber allemal. Denn der scheppert doch ziemlich dünn aus den beiden Hauptlautsprechern.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von African Kung-Fu Nazis hält auf der zweiten Disk des Mediabooks eine Doku in Filmlänge bereit. In gut 100 Minuten wird die Produktion aufgerollt. Von der Kooperation mit dem Kameramann/Editor/Regisseur „Super Ninja“ aka Samuel K. Nkansah, der für die Action- und Effektszenen verantwortlich zeichnet über einen Besuch bei Sebastian Stein, der seit 13 Jahren in Japan lebt und dort TV-Sendungen produziert, bis hin zu den Castings und Dreharbeiten in Ghana. Bei all der Albernheit des Films selbst – hier wird deutlich, mit wie viel Herzblut alle bei der Sache waren. Die Doku ist unglaublich spannend, nahe dabei und zeigt eindrücklich, was es heißt, einen Film auf dem Independent-Weg zu produzieren und zu realisieren.
Darüber hinaus gibt es noch einige Bloopers auf der Film-Blu-ray selbst und einige Albernheiten sowie Tanzübungen vom Dreh selbst.
Das Mediabook enthält außerdem noch ein informatives und sehr aufschlussreiches Booklet, das viel über die Hintergründe dieser Art Filme verrät – sowohl über die Karatefilme der 70er, die ihr als Inspiration dienten als auch über die Schnoddersynchros der damaligen Zeit.
Fazit
African Kung-Fu Nazis entzieht sich praktisch jeder Wertung. Zum einen hat man zwei unterschiedliche Filme – je nachdem, ob man auf englisch oder deutsch schaut. Zum anderen sind Schauspiel, Story und deutsche Synchro ja exakt so gewollt. Und mit einem Mikrobudget von 10.000 Dollar Produktionskosten muss man schon wieder seinen Hut vor allen Beteiligten ziehen. Ein guter Film im klassischen Sinne ist das nicht. Das will er aber vielleicht auch gar nicht sein. Als Trashfilm ist er hier und da etwas langatmig, aber dennoch mit Kultpotenzial behaftet. Als Martial-Arts-Film bietet er sogar was fürs Auge und als Hommage an die 70er-Jahre-Kung-Fu-Perlen ist er sogar ziemlich augenzwinkernd. Es möge sich jeder ERNSTHAFT Interessierte selbst ein Bild von dem machen, was ihm Sebastian Stein hier auftischt. Ich für meinen Teil brauche jetzt eine Runde Hochprozentiges.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 50%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 40%
Bonusmaterial: 90%
Film: Bewertung unmöglich
Anbieter: Busch Media Group
Land/Jahr: Deutschland/Japan/Ghana 2020
Regie: Sebastian Stein
Darsteller: Sebastian Stein, Yoshito Akimoto, Elisha Okeyere, Marsuel Hoppe, Chinedu Nkechi, Andrews Ntul Mensah, Walker Bentil Boateng
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 84
Codec: AVC
FSK: 18 (uncut)
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Busch Media Group)
Trailer zu African Kung-Fu Nazis
Das du dir sowas antunst.
Hab ich anfangs auch gedacht. Wenn man es einmal zu nehmen weiß, ist’s aber ganz spaßig.