Blu-ray Review
OT: Something Else
Am Ende der Welt
Der jüngste Streich von Jeremy Gardner, dem Macher hinter Ben & Mickey vs. the Dead.
Inhalt
„Ich musste für eine Weile weg.“ – was klingt wie eine kurze Notiz zum Besuch bei den Eltern, wird für Hank zum Horror. Denn seit dieser Nachricht ist Abby verschwunden. Gerade noch waren die beiden das glücklichste Paar im neuen Eigenheim in idyllischer Lage und nun ist Abby fort. Hank sitzt seitdem mit dem Gewehr hinter der Tür. Der Bart ist lang geworden und die Nächte sind schaurig. Denn seit Abby gegangen ist, scheint ihn Nachts etwas Gruseliges aus dem Wald heimzusuchen. Während er da sitzt und die Schrotflinte im Anschlag hat, ruft er immer wieder auf Abbys Handy an. Doch sie geht nicht ran.
Polizei und Freunde glauben ihm natürlich nicht, dass ein Monster an seine Tür klopft. Und so steht er da und ist mit seinen Gedanken alleine. Und die werden immer düsterer und düsterer …
Jeremy Gardner gehört zu den ganz großen Talenten, die das Independent-Kino der letzten Jahre hervorgebracht hat. Unverkennbar ein Fan des Genrekinos nutzt er gängige Horror-Elemente, um durch sie hindurch die Stimmungen seiner Generation einzufangen. Das war so bei Ben & Mickey vs. the Dead, wo es nur vordergründig um eine Zombie-Epidemie ging, während das eigentliche Thema (die Freundschaft zweier Kumpels) innerhalb des Untoten-Reigens ebenso sensibel wie humorvoll verhandelt wurde. Zwei Jahre später schickte er sich als Hauptdarsteller in Tex Montana Will Survive auf einen wilden Selbsfindungs- und Survival-Trip. Nun geht es für Gardner und seine Zuschauer ans Eingemachte. After Midnight geht dorthin, wo’s weh tut, wenn’s weh tut. Der Regisseur, Autor und Hauptdarsteller in Personalunion erzählt eine Geschichte über eine Beziehung – möglicherweise eine gescheiterte, man weiß es (anfänglich) nicht so genau. In Rückblenden erzählt er von der intensiven Liebe und dem Verliebtsein Hank und Abbys. Er unterlegt es mit schönen, manchmal fast poetischen Bildern und sphärischer Elektronikmusik, die von Moby stammen könnte – ein Hauch von Terrence Malick weht dann durch den Film. Im Wechsel mit den bitteren und dramatischen Entwicklungen in der Gegenwart, in der wir den völlig verzweifelten Hank sehen, der sein Leben nun alleine auf die Kette bekommen muss, nicht wissend, wohin Abby verschwunden ist. Kein Wunder, dass er irgendwann durchdreht und ein Monster zu sehen glaubt.
Denn dass es keins gibt, dass wissen seine Freunde und die Dorfsheriffs. Naja, zumindest gehen sie davon aus. Und während der Zuschauer ebenfalls nicht weiß, wem er nun glauben soll, entblättert After Midnight nach und nach seine Geschichte. Die Spannung steigt kontinuierlich und nimmt nach gut 40 Minuten einen Höhepunkt ein, wenn Hank in der stockfinsteren Nacht auf Monsterjagd geht und das Geschehen nur während seiner Schüsse und dem damit verbundenen Mündungsfeuer erleuchtet wird. Leider flachen Spannung und Tempo genau nach dieser Szene deutlich ab. Für gut 25 Minuten dominieren Dialoge zwischen Hank und Abby sowie den Freunden der beiden. Dabei werden viele Wahrheiten und Schmerzhaftigkeiten ausgesprochen. Es geht um Eifersucht und Kontrolle, es geht um Scham und Vergebung. Der Horroranteil rückt in den Hintergrund, die Beziehungsthematik nimmt den größten Raum ein. Bis am Ende die große Wahrheit auf den Tisch kommt. Das wird aufgeschlossenen Freunden des Arthaus-Horrors gefallen. Anderen wird es zu zäh sein – vor allem, wenn man sich in die Gefühlslage der beiden Protagonisten nicht einfühlen kann. Wer dazu aber in der Lage ist, der wird mit authentischem Schauspiel und einem ziemlich überraschenden Ende belohnt.
Bild- und Tonqualität
After Midnight kommt mit einem blitzsauberen Bild aus Digitalkameras, das meist bis in die Ecken scharf ist und mit seiner Laufruhe überzeugt. Bis in die Tiefe hinein ist es wunderbar detailliert und sauber. Da sehen selbst teuer produzierte Filme schon mal schwächer aus (9’30). Die Farbgebung ist auf Hauttönen ein wenig heller und reduzierter, während Außenaufnahmen durchaus natürlich koloriert sind. Geht es in die Nacht, lassen Durchzeichnung und Bildruhe leider nach. Kontraste sind zu harsch und im Schwarz versumpfen die Details. Akustisch dominieren zu Beginn die Dialoge, allerdings wird es immer mal wieder auch ziemlich räumlich, wenn die Atmosphäre vor dem Haus eingefangen wird (7’42). Ein bisschen abgelenkt wird man vom wenig passenden Synchronsprecher der Hauptfigur, doch auch daran gewöhnt man sich bald.
Taucht Musik auf, wie nach 9’45, wird auch diese sehr räumlich dargestellt. Dass der Sound auch Dynamik beherrscht, zeigt er nach 10’30, wenn von hinten ein Auto dermaßen überraschend hupend reinrauscht und auf dieses geschossen wird, dass man meint, der Straßenverkehr wäre just im Heimkino angekommen. Ebenso intensiv wird’s, wenn das Monster an der Tür rüttelt und seine Geräusche für den Zuschauer äußerst präsent von den Surroundspeakern erklingen.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial des Mediabooks von After Midnight enthält zunächst einen Audiokommentar der beiden Regisseure auf der Filmdisk sowie ein 24-seitiges Booklet und zwei Postkarten. Dazu gibt’s noch eine Bonus-DVD, die neben den Trailern noch Outtakes und ein Hinter-den-Kulissen-Featurette liefert. Letzteres läuft gut 12 Minuten und zeigt die Macher am Set albernd und das Haus ausstattend. Viel echte Information kommt dabei nicht rum, unterhaltsam ist’s aber trotzdem.
Fazit
After Midnight nähert sich dem Thema Beziehung und den Facetten des Scheiterns auf ungewöhnliche Weise. Regisseur und Autor Gardner findet dafür wahrhaftige Worte und schmerzhafte Momente. Der Horroraspekt schwelt eher im Hintergrund als dass er vordergründig auf Effekte abzielt. Für den aufgeschlossenen Filmfreund ist das eine Entdeckung, die im Mediabook hübsch aufgemacht und gut ausgestattet ist.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 60%
Film: 60%
Anbieter: Meteor Film
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Jeremy Gardner, Christian Stella
Darsteller: Jeremy Gardner, Brea Grant, Henry Zebrowsk
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 84
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Meteor Film)
Trailer zu After Midnight