Blu-ray Review
OT: Calvary
Erlöse uns von den Sünden
In einem irischen Kaff soll ein schuldloser Priester für die Sünden eines anderen büßen.
Inhalt
Pater James Lavelle ist ein ruhiger und ausgeglichener Mann. Als ihm jemand in der Beichte davon erzählt, dass er als Kind jahrelang von einem Priester vergewaltigt wurde, fällt ihm zum ersten Mal nicht ein, was er sagen soll. Als der Typ ankündigt, er würde ihn, Pater Lavelle, am kommenden Sonntag umbringen, trägt der Würdenträger es mit Fassung – immerhin gibt der Mörder in spe ihm noch einige Tage Zeit, sämtliche Dinge zu regeln und mit sich und Gott ins Reine zu kommen. Lavelle soll stellvertretend für den damaligen, mittlerweile verschiedenen, Vergewaltiger sterben, obwohl er, wie seinerzeit Jesus, ohne Sünde ist. Ohne Sünde scheint ansonsten aber niemand anderes zu sein: Lavelles Tochter versuchte gerade, sich das Leben zu nehmen, die Dorfschönheit wird von ihrem Lover geschlagen und der alte und einsam wohnende Schriftsteller hätte gerne eine Knarre. Lavelle sieht diese Ereignisse mit zunehmender Sorge, begegnet ihnen teils mit Zynismus, teils mit Wut. Als dann die Kirche in Flammen aufgeht und man seinem Hund die Kehle aufschneidet, bricht der innere Frieden Lavelles zusammen …
Am Sonntag bist du tot kümmert sich ohne große Frömmelei um die großen Glaubensfragen. Im Angesicht des bevorstehenden Todes begleiten wir einen großartigen und perfekt besetzten Brendan Gleeson (Stonehearst Asylum) als Priester, der feststellt, dass die Menschen und Begebenheiten um ihn herum viel düsterer sind, als er es bisher geglaubt hatte – von der suizidgefährdeten Tochter (melancholisch-nachdenklich: Kelly Reilly, die zuletzt bereits in einem Film mit religiöser Thematik mitwirkte Den Himmel gibt’s echt) über den selbstverliebten Snob, der vor des Paters Augen auf ein wertvolles Gemälde pinkelt bis hin zum inhaftierten Serienkiller. Dabei nimmt beim Zuschauer die Wut über die sich steigernden Ereignisse noch eher zu als bei Pater Lavelle, der lange an sich hält, bevor er seinen Emotionen freuen Lauf lässt – vielleicht ein wenig zu lange, um ihm diese verzeihende Grundeinstellung abzunehmen. Dennoch bleibt Am Sonntag bist du tot dauerhaft unterhaltsam.
Ein kluger Kniff von McDonaghs (The Guard – Ein Ire sieht schwarz) Film ist dabei die Tatsache, dass Lavelle zwar die Identität des Täters kennt, der Zuschauer aber im Dunkeln gelassen wird. Auf diese Weise wird zum einen Spannung erzeugt, da man durchaus wissen möchte, wie die Begegnug am Sonntag dann ausfallen wird, zum anderen gelingt es bis zum Finale, dass man sich auf die Figuren und deren Entwicklung konzentrieren kann. Ebenso gut funktioniert der Kontrast zwischen der wunderschönen Natur, die immer wieder in schwelgerischen und epischen Bildern eingefangen wird und dem heillosen Durcheinander in dem Küstenstädtchen. Mal offenkundig, mal subtil traut sich Am Sonntag bist du tot eine Welt zu porträtieren, die irgendwie aus den Fugen geraten ist. „Leider zu viele Gräten“ antwortet Lavelle in einer Szene auf die Frage, wie der Fisch sei, und besser könnte ein Satz die Essenz des Films kaum destillieren. Das beschreibt in dem Moment kaum nur die Situation der fiktiven Landbevölkerung in Irland, die von der Moderne überrolt wird, sondern vor allem auch jene der katholischen Kirche – einer Kirche, die nicht nur aufgrund zahlreicher Pädophilie-Fälle in der Kritik steht, sondern deren Weltbild selbst unter Anhängern mehr und mehr für Fragen sorgt. Vielleicht integriert Am Sonntag bist du tot über die Dauer die eine oder andere freakige Figur zu viel und kratzt dabei immer wieder an der Grenze zum Skurril-Trash, doch das ist nur ein geringes Manko eines ansonsten sehr stimmigen Films, dessen Stärke die Darstellung menschlichen Scheiterns ist. Schade, dass der deutsche Verleih auf einen vordergründigen Filmnamen setzt und damit die Subtilität des Originaltitels untergräbt. Calvary, wie Am Sonntag bist du tot ursprünglich heißt, bezieht sich auf den Kalvarienberg – eben jenen Ort vor den Toren Jerusalems, an dem Jesus gekreuzigt wurde. Der deutsche Titel legt noch dazu nahe, dass es sich um eine Komödie handelt, was trotz einiger schwarzhumoriger Momente grundsätzlich falsch ist. Vielmehr ist die Stimmung dauerhaft eher bedrohlich und traurig bis deprimierend. Geht man unter diesen Voraussetzungen an den Film heran, wird man mit einem Zelluloid-Gleichnis belohnt, das hervorragend gespielt ist, unbequeme Fragen stellt und nur ab und an etwas klischeehaft rüberkommt.
Bild- und Tonqualität
In Naheinstellungen ist Am Sonntag bist du tot sehr knackig und scharf, während Totale ein wenig Detailtiefe vermissen lassen. Der Kontrastumfang liegt eher im mittleren Bereich – gerade Aufnahmen an der Küste geraten ein wenig milchig. In dunklen Szenen punktet der Schwarzwert, allerdings übersprechen helle Teilbereiche schon mal. Exemplarisch gut zu erkennen, wenn harte Lichter auf Simons Gesicht stehen.
Überraschend offen und räumlich präsentiert sich der Ton von Am Sonntag bist du tot. Für ein Drama gelingen nicht nur die atmosphärischen Umweltgeräusche (Wind, Regen, Meeresrauschen) sehr effektvoll, sondern auch der Filmscore, der teils mit irischer Folklore die Dorfkneipe zum Steppen bringt. Das Innere der Kirche klingt genau so mit leichtem Nachhall, wie es sein muss, um echt zu wirken. Die Stimmen kommen prägnant über den Center, allerdings ist die Disk relativ leise eingepegelt, was eine Pegelanhebung gegenüber dem großen Durchschnitt der Filme auf Blu-ray notwendig macht.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Am Sonntag bist du tot versammeln sich eine B’Roll, 17! Interviews, ein Behind the Scenes und das Feature „Glaubensfrage“: In Letzterem geht’s tatsächlich um die spirituellen Motive, um Glauben und Glauben verlieren – große Fragen, die der Film immer wieder stellt und auf humorvolle Art kommentiert.
Fazit
Am Sonntag bist du tot zeigt, wie man einen Film mit religiösen Motiven inszenieren und spielen kann, ohne in jede Schuld-, Sühne- und Dogmafalle zu tappen. Vielmehr ist der Film – vor allem im Original – ein oft subtiler Kommentar zu vielen aktuellen gesellschaftlichen Problematiken, eingebunden in eine Geschichte, die den Fokus auf eine wichtige Tugend legt: Vergebung!
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 40%
Film: 75%
Anbieter: Ascot Elite
Land/Jahr: IRL 2014
Regie: John Michael McDonagh
Darsteller: Brendan Gleeson, Chris O’Dowd, Kelly Reilly, Aidan Gillen, Dylan Moran, M. Emmet Walsh, Domhnall Gleeson
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 101
Codec: AVC
FSK: 16