American Hustle

Blu-ray Review

American Hustle Blu-ray Review Cover
Universal Pictures, ab 17.07.2014

OT: American Hustle

 


Doppelläufige Finte

Mit Lorbeeren ausgestattetes Drama von David O. Russell.

Inhalt

April 1978: Einige Jahre hat sich Irving Rosenfeld gemeinsam mit der intelligenten und bildhübschen Sydney mit Trickbetrügerein erfolgreich durchgeschlagen. Ihr erreichter Lebensstandard (natürlich ist man über das Geschäft auch privat ein Paar geworden) gerät jedoch plötzlich in Gefahr, als der junge FBI-Agent Richie DiMaso die zwei auf frischer Tat ertappt und sie gegen Straffreiheit zu einem riskanten Deal bewegt: Sie sollen ihre Gauner-Fähigkeiten einsetzen, um den korrupten Bürgermeister Carmine Polito an den Haken zu bekommen, damit sich DiMaso die Lorbeeren für dessen Überführung verdienen kann. Doch die Tatsache, dass bei dem fingierten Deal eine Menge Geld im Spiel ist, ruft auch die Mafia auf den Plan und am Ende wird’s für alle Beteiligten ziemlich gefährlich …

Nach The Fighter und Silver Linings führt Regisseur David O. Russell nun die Hauptdarsteller beider Filme zusammen und schließt mit American Hustle seine Trilogie über Figuren mit den gleichen Sehnsüchten ab. Russells Fokus liegt auf jenen Figuren, die versuchen, jemand anders zu werden als sie sind. Ob sie dies durch harte und ehrliche Arbeit tun oder wie hier durch Gaunereien und übertriebene Strebsamkeit. Im Gegensatz zu seinen beiden vorherigen Werken setzt der Regisseur dieses Mal auf ein komplexeres Drehbuch und eine größer angelegte (in Teilen wahre) Geschichte. Das ist vor allem in der ersten Stunde derart vielschichtig und undurchsichtig, dass man seine Aufmerksamkeit nicht vom Geschehen wenden sollte. Es wird unglaublich viel und schnell geredet, es geht um doppeltes Spiel, um Korruption, Geldgeschäfte und nebenbei auch noch um Liebe und Eifersucht – da kann man schon mal die Übersicht verlieren. Hätte David O. Russell nicht seine brillanten Darsteller – von denen Christian Bale und Amy Adams sogar noch herausstechen – wäre das Interesse am Film irgendwann nach 30 oder 40 Minuten erloschen. Bale, der sich für American Hustle locker 20kg angefuttert hat (zwischen seiner Rolle in Der Maschinist und hier dürften damit rund 50kg Gewichtsunterschied liegen), diktiert dem Film Tempo und Ton und war selten charismatischer als hier mit Toupet, 70ies-Sonnenbrille und (vielleicht etwas häufig frontal in die Kamera gehaltenen) Schmierbauch.

Amy Adams, die lange schon ihr Image der „Netten von Nebenan“ abgelegt hat, glänzt in der Rolle der Sydney, die als durchtriebene und undurchsichtige Gaunerin eine Menge Sex versprüht. Etwas anstrengend ist zwar die Rolle der Rosalyn angelegt, doch Jennifer Lawrence meistert die Figur der zickig-eifersüchtigen Noch-Frau von Irving mit Mut zum Overacting. Kaum zu glauben, dass sie kurz zuvor die harmlose Katniss Everdeen im zweiten Panem-Teil gegeben hat – unterschiedlicher könnten Rollen kaum sein. Ohne das sensationelle Cast wären die ersten 90 Minuten von American Hustle eher von durchschnittlichem Unterhaltungswert. Sie ziehen sich bisweilen ziemlich dahin, der Witz bleibt häufig auf der Strecke und es dauert einfach zu lange, bevor man weiß, wo der Hase lang läuft. Die an und für sich simple Story wirkt unnötig verkompliziert und scheint bewusst auf die Kritiker im Feuilleton abgeschmeckt (von denen sicher viele auch nicht durchgeblickt haben). Wenn dann am Ende die große Überraschung ausgepackt wird, ist das zwar schlüssig vorgetragen, aber irgendwie auch egal. Natürlich, es gibt grandiose Momente, wie jenen, in dem Irving und Richie dem „Überraschungsscheich“ erklären, wie er sich Major Polito gegenüber zu verhalten hat. Es gibt aber auch solche, die besser im Bonusmaterial unter den deleted Scenes aufgehoben wären. Zumindest kann man sich während der gedehnten Szenen an der vorzüglichen Ausstattung und den erlesenen Bildkompositionen erfreuen. Frisuren, Anzüge, Tapeten – bis hin zur 70er-Jahre-Modeerscheinung, Zigaretten mit zusätzlichem, aufgesetztem Filter zu rauchen, sitzt hier jedes Detail.

Bild- und Tonqualität

Schaut man Filme an, die die 70er Jahre porträtieren, könnte man meinen, alles war gelb. Auch die Blu-ray von American Hustle taucht die Farben in einen Melange aus Orange, Curry und Gelb. Dazu gesellt sich ein filmisch-analoges Korn, das die filmische Nähe zum Jahrzehnt widerspiegelt. Bei den häufig zum Einsatz kommenden Zoom-Einstellungen geht die Schärfe schon mal verloren, die in Close-ups relativ gut ist. Schwarzwerte und dunkle Töne verfärben sich in den weniger gut ausgeleuchteten Momenten schon mal bläulich. Mit hoher Authentizität und guter Ausgewogenheit gefällt der Ton von American Hustle. In Irvings Wäscherei zischt und dampft es aus allen Lautsprechern, sodass man sich fast in einer türkischen Sauna wähnt. Der jazzig angehauchte Soundtrack kommt im authenisch muffigen Mono-Style aus den Frontlautsprechern und die Dialoge haben ein wunderbares Timbre. Gerade Bales Synchronstimme hat ein hervorragendes Volumen. Ausnahmsweise klingen die Stimmen gar besser als auf der englischen Tonspur. Schön, dass man bei Universal dieses Mal beiden Fassungen eine dts-HD-Master-Umsetzung spendiert hat.

Bonusmaterial

Für einen Film, der alleine in den USA 150 Mio. Dollar eingespielt hat und sogar in Deutschland über 600.000 Besucher hatte, ist das Bonusmaterial von American Hustle ziemlich mickrig ausgefallen. Das zwölfminütige, fürs Deutsche Fernsehen produzierte Making-of mit Voice-Over ist nicht mehr als ein langer Werbetrailer. Die PK von der Berlinale trieft vor Promotiongerede und warum man einen vierminütigen Fotocal auf eine Blu-ray pressen muss, bei dem man nichts anderes als das Blitzlichtgewitter der Fotografen sieht, bleibt zumindest mir ein Rätsel. Obendrauf gibt’s noch Trailer, Teaser und eine Bildergalerie.

Fazit

American Hustle ist vielschichtig und brillant gespielt, leider aber auch geschwätzig und eindeutig zu lang geraten. Das Ende ist leidlich überraschend – zumindest für jene, die bei der Stange geblieben sind.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 20%
Film: 50%

Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2013
Regie: David O. Russell
Darsteller: Christian Bale, Amy Adams, Bradley Cooper, Jennifer Lawrence, Robert De Niro, Jeremy Renner, Michael Pena
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 138
Codec: AVC
FSK: 6