Among the Living – Das Böse ist hier

Blu-ray Review

OT: Aux yeux des vivants

 


Ödipus-Komplex

Drei Jungs erleben in Among the Living den gefährlichsten letzten Schultag ihres Lebens

Inhalt

Der letzte Schultag für die Jungs Victor, Daniel und Thomas. Da sie ohnehin keine Lust mehr auf den Unterricht haben, schwänzen sie die verbleibenden Stunden und streunen in die Natur. Nachdem sie aus Übermut eine Scheune abgefackelt haben, landen sie auf dem alten Filmgelände der Blackwoods Studios, das sich als perfekter Abenteuerspielplatz entpuppt. Allerdings nur bis zu dem Moment, in dem sie eine halbtote Frau im Kofferraum eines Autos finden und kurz darauf auch deren vermeintlichen Peiniger. Zwar haben die Drei gehörig Muffensausen, entdeckt worden zu sein, doch Victor will der Frau unbedingt helfen. Keine gute Idee, wie sich herausstellt, denn in den Kellern der Studios haust eine degenerierte Familie, die keinen Eindringling lebend davon kommen lässt – und wenn sie die Jungs bis nach Hause verfolgen müssen …

Among the Living beginnt drastisch und lässt die ehemalige Ikone der Pariser Bohème, Béatrice Dalle, effektvoll mit Baseballschläger und Messer zu Werke gehen. Die beiden Regisseure Alexandre Bustillo und Julien Maury, die mit Inside einen der beachtenswertesten und schockierendsten Genrefilme Frankreichs umgesetzt hatten, besetzten die Dalle schon in ihrem letzten Werk Livid – Das Blut der Ballerinas. Entgegen des ultrablutigen Erstlings und des düsteren Gothic-Horrors mit Fantasy-Einschlag, gehen sie in Among the Living allerdings einen anderen Weg. Die Gewalt wird etwas zurückgeschraubt, findet öfter mal nur außer Sichtweite der Kamera statt, dafür integrieren sie Elemente in bester Stand-by-me-Manier und konzentrieren sich ganz auf die Stimmung. Langsam drehen sie an der Spannungsschraube, finden immer wieder packende Kamerawinkel und stellen über die atmosphärische Ausleuchtung eine beachtliche Atmosphäre her. Dass die Opfer in Among the Living drei minderjährige Knaben sind, macht den Film in seinen stärksten Momenten erst Recht unangenehm – zumal das Grauen nicht nur durch die Bedrohung von außen, sondern auch innerfamiliär zum Tragen kommt. Die Szenen zwischen Thomas und seinem Vater sind durchaus bedrückend. Ohnehin sind’s die gut ausgewählten und glaubwürdigen Kinderdarsteller, die Among the Living unterhaltsam und fesselnd machen. Gerade Zacharie Chasseriaud als vom Vater misshandelter und entsprechend draufgängerischer Thomas und Théo Fernandez in der Rolle des Victor empfehlen sich für Größeres. Analog zu Genreklassikern wie TCM steht und fällt ein Horrorstreifen natürlich auch mit seinem Killer und hier macht der dürre Fabien Jegoudez eine außergewöhnliche Figur und sorgt alleine durch seine Statur für wohliges Gruseln, wenn er im nicht fokussierten Bereich der Kamera sitzt. Bei der Auseinandersetzung mit Victors Vater sind es seine langsamen, bedachten Bewegungen, die für Schauer auf dem Rücken des Zuschauers sorgen – zumal im Finale dann doch wieder der exzentrisch-gewalttätige Stil des Regieduos sichtbar wird. Das bleibt zwar durchgängig vorhersehbar und weist einige Logiklöcher auf, ist aber über die ganze Länge atmosphärisch, spannend und unterhaltsam. Richtig ärgerlich sind nur die beiden Laiendarsteller, die in Among the Living die Polizei verkörpern – dümmer hat sich zuletzt kein Beamter in Filmen verhalten.

Bild- und Tonqualität

Die Blu-ray von Among the Living – Das Böse ist hier hat ein in Close-ups und Halbtotalen bisweilen extrem knackig-scharfes Bild, das die Falten und den Schweiß auf den Gesichtern der Protagonisten detailreich darstellt. Auch der Kontrastumfang weiß schon in der Anfangssequenz zu gefallen. Beinahe fiebrig und im Stile eines Südstaatenfilms wirkt die Atmosphäre. Auch im weiteren Verlauf bleibt vor allem die Auflösung und Tiefenstaffelung hervorragend. Die Aufnahmen in den verlassenen Filmstudios sind geradezu herausragend plastisch und greifbar. Beim Ton von Among the Living gefällt vor allem der stimmige Filmscore, der teilweise über Geräusche und elektronische Sounds funktioniert und diese räumlich und offen darstellt. Gruselig kommen auch die Glockensounds in Victors Elternhaus rüber, die sich immer wieder direktional um den Zuschauer herum gruppieren. Die Dialoge sind verständlich, allerdings nicht immer lippensynchron, was bei französischem Ausgangsmaterial aufgrund der sehr unterschiedlichen Lippenbewegungen jedoch nicht ungewöhnlich ist.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Among the Living findet sich überraschenderweise ein Comic aus der Reihe „Bedtime Stories“ sowie ein Making-of. Letzteres ist mit 60 Minuten Laufzeit, Untertiteln und hautnaher Hinter-der-Kamera-Momente sogar erstaunlich ergiebig. Allerdings ist es dauerhaft unkommentiert und deshalb eher eine B’Roll. Nichtsdestotrotz bekommt man viele Einblicke in den Dreh selbst, die Masken und die Vorbereitungen/Proben. Natürlich gibt’s auch noch den Originaltrailer und ein paar Programmtipps.

Fazit

Atmosphärisch stimmiger Horrorstreifen mit Anleihen bei Stand by meAmong the Living ist gute Genrekost für Freunde des französischen Horrors.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonsumaterial: 40%
Film: 70%

Anbieter: Tiberius Film
Land/Jahr: Frankreich 2014
Regie: Julien Maury, Alexandre Bustillo
Darsteller: Anne Marivin, Francis Renaud, Béatrice Dalle, Theo Fernandez, Zacharie Chasseriaud Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit:  88
Codec: AVC
FSK: 18 (uncut)

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