Blu-ray Review
OT: Angel Heart
Zur Hölle!
Ein weiterer 80er-Jahre-Klassiker erfährt seine remasterte 4K-Fassung.
Inhalt
New York: 1955. Harry Angel ist Privatdetektiv. Und er ist ziemlich runtergewirtschaftet. Da kommt ihm sein neuer Klient gerade Recht. Der undurchsichtige Louis Cyphre beauftragt Angel damit, einen seit dem Zweiten Weltkrieg verschollenen Jazzsänger namens Johnny Favorite aufspüren. Harry nimmt den Fall an und begibt sich in eine private Klinik, von der Cyphre glaubt, dass Favorite dort nach einer massiven Kriegsverletzung und daraus resultierenden Traumata physischer Natur behandelt wurde. Vor Ort stellt Angel fest, dass die Patientenakten von einem gewissen Albert Fowler manipuliert wurden. Als er Fowler aufsucht, erzählt der Arzt ihm, dass er Johnny damals für 25.000 an ein Paar übergeben habe, die daraufhin mit Favorite verschwanden. Weil Angel nicht glaubt, dass Fowler ihm alle Informationen preisgegeben hat, schließt er ihn in dessen Wohnung ein. Am nächsten Tag findet er ihn jedoch ermordet vor. Und die weiteren Recherchen führen den Privatdetektiv immer tiefer in einen Strudel aus Gewalt, Sex und Okkultismus …
Angel Heart gehört zu den zahlreichen Filmen der 80er, die im Kino nicht sonderlich erfolgreich liefen und erst im Nachhinein respektiert wurden. In den USA spielte Alan Parkers (The Wall) Adaption von William Hjortsbergs Novelle Falling Angel gerade einmal sein Produktionsbudget wieder ein – echter Gewinn fiel hier nicht ab. Auch waren sich Kritiker in ihrer Rezeption alles andere als einig. Der Neo-Noir-Horrorfilm spaltete die Meinungen – und das schon im Vorfeld. Die berüchtigte Sex-Szene musste Regisseur Parker im Vorfeld kürzen, um das vom Verleih erwünschte R-Rating überhaupt zu bekommen.
Der mit Robert De Niro in der Neben- und dem noch jungen Mickey Rourke in der Hauptrolle besetzte Film katapultierte vor allem Rourke für kurze Zeit in die A-Liga Hollywoods, nachdem er ein Jahr zuvor schon Kim Basinger in 9 1/2 Wochen verführt hatte.
Wirklich zu Ruhm und Ehren kam Angel Heart dann (wie viele andere Filme dieser Zeit) durch seinen Heimvideo-Release. Die Videotheken (bzw. ihre Kunden) waren in den 80ern/90ern eine oft unterschätzte Macht, die auch im Nachhinein dafür sorgen konnte, dass selbst Kritiker ihre vormalige Meinung über einen Film überdachten. Zahlreiche Journalisten führten Parkers Film in der Folge als einen der unterschätzten Film des Jahres oder gleich als einen der besten Horrorfilme aller Zeiten.
Und das durchaus zu Recht. Denn in Sachen Atmosphäre und Schnitt beeinflusste Angel Heart sogar heutige Regie-Ikonen wie Christopher Nolan, der den Film als maßgebliche Inspiration für seinen Memento angibt.
Darstellerisch muss man ebenfalls lobende Worte finden. Rourke dominiert den Film zwar, dennoch schaffen es vor allem Charlotte Rampling und Lisa Bonet, an seiner Seite zu bestehen. Bonets freizügige Performance, die die damals 19-jährige Aktrice maximal weit von ihrer Rolle in der Bill-Cosby-Show entfernte, gab nicht nur obigen Anlass für die vorgenommenen Schnitte der Sex-Szene, sondern war für 1987 geradezu provokant und revolutionär. Zumal es nicht nur bei der genannten Sex-Sequenz blieb, sondern schon während der Ritual-Szene für Verstörung beim Publikum sorgte.
Robert De Niros Darbietung werden viele seiner Fans sehr mögen, auch wenn sie hier und da doch ein bisschen „drüber“ ist.
Inhaltlich spielt Angel Heart mit zahlreichen Motiven: Von der Dekonstruktion gängiger Moralvorstellungen über das Thema Glaube/Okkultismus bis hin zum klassischen Detektivfilm verknüpft Parker auf Basis der Buchvorlage seine Fäden zu einem stimmungsvollen und fantastisch fotografierten Ganzen.
Und er versieht es mit einem Storytwist, der nach heutigen Maßstäben zwar nicht neu wirkt, damals aber vollkommen verblüffte. Erst diese Wendung und die damit verbundenen Rückblicke lösen die vielen Rätsel auf, die der Film zwischendurch aufstellt. Erst durch diesen Twist wird Angel Heart zu dem, was Parker mit ihm intendierte: Dem langen Nachwirken der Bilder und der Reflexion über das, was die Figur des Harry Angel betrifft.
Bild- und Tonqualität BD
Die bisher erhältliche Blu-ray von Angel Heart kam ebenfalls von Anbieter Studiocanal und datiert aus dem Jahr 2010. Deren Look war allerdings wenig überzeugend. Sie litt unter deutlichen Problemen durch die Rauschfilterung (DNR, wie der Engländer zu sagen pflegt). Gerade in den dunkleren Momenten wirkt bspw. Rourkes Gesicht pixelig und führt ein seltsames Eigenleben. Bleibt er ruhig, wirkt es hingegen sehr soft und fast wachsartig. Das erreicht bei Weitem nicht das Niveau der gruseligen alten BD von Wenn die Gondeln Trauer tragen, ist aber dennoch ein Relikt aus einer Zeit, in der Filmkorn um alles in der Welt weggefiltert werden musste. Schade ist das hier vor allem, weil ruhige Close-ups teils ansprechend geraten sind (Schrift 4’26). Vereinzelte, sehr ruhige Einstellungen sind sogar kontrastreich und sehr homogen (45’35). Farben sind allerdings eher blass und die grundsätzliche Grün-Dominanz ist alles andere als natürlich.
So viel zur bisherigen Blu-ray. Die dem UHD-Set beiliegende Blu-ray basiert tatsächlich aber auf dem neuen 4K-Master und unterscheidet sich demnach von der alten BD – und zwar sehr deutlich.
Mal abgesehen vom leicht anderen Bildausschnitt (bei gleichem Bildformat wurde etwas rausgezoomt – man sieht jetzt also rundherum etwas mehr Bildinhalt), fällt sofort das deutlich andere und wesentlich natürlichere Color Grading auf. Vorbei sind die teils arg grünlichen Einstellungen, die Gesichter ungesund wirken ließen. Vorbei ist aber auch der gräuliche Schwarzwert, der nun einem satten Schwarz weicht. Durch die grundsätzlich dunklere Abstimmung gehen allerdings hier und da schon mal Details in den ganz dunklen Schattenbereichen verloren (29’20). Auf der anderen Seite passiert selbiges auch schon mal bei sehr dynamischen Kontrasten mit hellen Hintergründen. Hier verschluckt das neue Mastering dann Details auf den hellen Bereichen (Masten links hinter Rourke bei 42’43). Die bisherige BD zeigt diese fast ohne Überstrahlen. Dieses Problem ist auch nicht durch ein Regeln am Kontrast-/Helligkeitsregler in den Griff zu bekommen, also nicht durch den TV beeinflussbar. Sicherlich ein ärgerliches Detail.
Dennoch überwiegen die positiven Aspekte des ansonsten viel harmonischeren und durchweg passender koloriertem Bild. Die Schärfe/Auflösung ist zudem in den gut fokussierten Shots (von denen es produktionsbedingt leider nicht allzu viele gibt) sichtbar besser und zeigt mehr Details. Und zu Guter Letzt: Die Rauschfilterung und damit verbundene Wischeffekte in Bewegungen sowie die blockartefaktartige Körnung weichen einem natürlichen Filmlook mit authentischem Korn. Das allerdings muss man mögen. Denn es ist durchaus deutlich vorhanden.
Blu-ray neu (Slider ganz nach links): … gegen kontrastreich und farbneutraler mit mehr Bildinhalt durch die neue Abtastung vom Negativ.
Blu-ray neu (Slider ganz nach links): … wurden konsequent entfernt.
Blu-ray neu (Slider ganz nach links): … werden sie von der neuen Blu-ray – bei egal welcher Einstellung von Helligkeit und Kontrast des TVs – geschluckt. Die helle Fläche überstrahlt.
Bei diesen Screenshots bitte NICHT auf die Durchzeichnung von Rourke achten. Die Belichtung wurde exakt auf den überstrahlenden Bereich gesetzt. Dadurch wurde der Rest drumherum dunkler.
Blu-ray neu (Slider ganz nach links): … und die die neue Blu-ray um so viel natürlicher und knackiger wiedergibt, ist der Frust über dieses eine Überstrahlen auch wieder vergessen.
Die bisherige Blu-ray lieferte nur einen 2.0-dts-HD-Master-Sound für beide Sprachfassungen, von denen die Originalspur aber bereits breiter, harmonischer und räumlicher klang. Während die neue Blu-ray bei der deutschen Synchro immer noch bei diesem 2.0 bleibt, erhält die englische Sprachversion ein Upgrade auf 5.1.
Es ist anzunehmen, dass es sich dabei um die 5.1-dts-HD-Master-Spur handelt, die den US-Fassungen von Lionsgate seit jeher zuteil wurde.
Und der schlägt sich durchaus achtbar, selbst wenn einige Szenen wirken, als hätte man einen simplen Upmix gemacht. Aber er klingt insgesamt offener und lotst auch atmosphärische Regengeräusche auf die Rears (83’32). Zudem sorgt er tatsächlich für etwas Bassaktivität und ein bisschen Dynamik. Für einen so alten und nicht auf Action ausgelegten Film geht das durchaus in Ordnung.
Die Synchro unterscheidet sich gegenüber der bisherigen Blu-ray (leider) nicht. Zwar wird hin und wieder etwas Stereo-Räumlichkeit erzeugt und die Stimmen gelangen relativ gut verständlich ans Gehör. Auch die Filmmusik bleibt weitgehend fehlerfrei und ohne große Schwankungen rüber. Gegenüber dem Originalton klingt das Alles aber relativ belegt und ziemlich dumpf. Außerdem geraten einige Dialoge im Finale dann arg hysterisch, was typisch für die Synchros der 80er ist.
Apropos Synchro: In Angel Heart hat Robert De Niro nicht seinen angestammten Sprecher Christian Brückner, sondern wird von Joachim Kerzel (Stimme von u.a. Anthony Hopkins) gesprochen. Der hatte De Niro auch schon in Es war einmal in Amerika oder Die Unbestechlichen seine Stimme geliehen.
Bild- und Tonqualität UHD
Angel Heart wurde 1987 selbstverständlich noch analog gefilmt. Aufgenommen mit Panaflex-Kameras auf 35mm-Material, wurde von diesem im Auftrag von Anbieter Studiocanal nun ein neues digitales Abbild erschaffen. Rund 200 Stunden Arbeit investierte man bei Silver Salt UK, um den Film zu restaurieren. Von der halbautomatischen Einzelbild-Aufbereitung, die Schmutzpartikel und Kratzer entfernte, über den Scan in 4K bis hin zur abschließenden Wiederherstellung des Original-Filmlooks. Das finale Authoring für die BD/UHD wurde dann von den Spezialisten bei Fidelity in Motion vorgenommen. Das aus New York operierende Encoding/Authoring-Studio hatte zuvor schon Wenn die Gondeln Trauer tragen für Studiocanal realisiert.
Neben einem im Rahmen von Rec.2020 erweiterten Farbraum nutzte man hier beide erweiterten Kontrastformate HDR10 und Dolby Vision. Besonderes Augenmerk lenkte man dabei auf die Intensivierung der Neo-Noir-Ästhetik, um eine möglichst große Spreizung zwischen Licht- und Schattendetails zu ermöglichen. Das finale Resultat wurde dann von Alan Parker persönlich abgesegnet.
Und das Ergebnis ist klasse geworden. Kaum ein Bildfehler trübt mehr den Gesamtlook. Kein Blitzen, keine Schmutzpartikel lassen sich entdecken. Dafür ist das analoge Korn wunderbar restauriert und verdrängt auch über die UHD das schreckliche DNR der alten Blu-ray. Man muss (wie schon bei der neuen BD) allerdings ein Freund von Korn sein, denn das ist hier schon sehr intensiv.
Intensiv(er) sind auch die Farben der UHD – egal, ob per HDR10 oder Dolby Vision wiedergegeben. Beide HDR-Formate liefern im Vergleich zur neuen BD die nochmals stärkeren Hauttöne und kräftigeres Rot. Die Opfer des Killers haben nun richtig sattes Blut, kein orangefarben gefärbtes Wasser wie über die alte Blu-ray. Schwarzwerte sind noch mal etwas tiefer als bei der neu gemasterten Blu-ray und – ein großer Vorteil der UHD: Das Überstrahlen auf hellen Flächen ist verschwunden. Die Masten, die von der neuen Blu-ray noch verschwiegen werden (42’43), tauchen sowohl per HDR10 als auch über Dolby Vision wieder auf. Dolby Vision ist im Übrigen nur bedingt anders als HDR10. Es intensiviert helle Teilbereiche etwas, spreizt den Kontrast noch ein wenig, hält sich ansonsten aber dezent zurück und übertreibt es nicht.
Bis auf stellenweise arg sonnengebräunte Haut und eine ganz leichte Tendenz, Details in Schattenbereichen von Gesichtern zu versumpfen, ist das eine wirklich gute UHD geworden.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): … punktet die UHD (hier HDR10) mit noch etwas mehr Dynamik, feineren Grashalmen im Vordergrund und mehr Fardifferenzierung.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Dennoch wirkt das Orange über die UHD noch kräftiger und liefert variantenreichere Nuancen. Das Korn kommt noch feiner aufgelöst rüber.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD dramatisiert das Ganze noch etwas mehr, was am Ende ein bisschen Geschmackssache ist.
Dolby Vision (Slider ganz nach links): Dolby Vision hebt die hellen Flanken wieder etwas an, was noch mal ein Quäntchen mehr Kontrast rausholt.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Angel Heart besteht weitgehend aus jenem, das schon der alten BD hinzugefügt wurde. Von der Einführung und dem Audiokommentar mit Alan Parker geht es rüber zu den zwei großen Themenbereichen „Die Wahrheit über Voodoo“ und „Hinter den Kulissen“. Das Voodoo-Featurette besteht aus insgesamt fünf Teilbereichen und versucht sich an einer Erklärung des Voodoo-Glaubens an sich. Dabei bezieht es den Film manchmal auch durchaus kritisch mit ein und lässt vor allem echte Voodoo-Priester zu Wort kommen. Der Hinter-den-Kulissen-Part ist allerdings NICHT das von der bisherigen BD bekannte, das ein dreiteiliges Making-of, drei unveröffentlichte Szenen, ein Interview mit Alan Parker und ein Behind-the-Scenes enthält. Es ist vielmehr nur ein anderthalbminütiger Blick hinter die Kamera von ein paar kurzen Einzel-Shots. Das Interview mit Parker, das die alte BD in diesem Themenkomplex liefert, wurde für die neue Disk ausgegliedert und mit einem weiteren, bisher unveröffentlichten (aber sehr kurzem) Interview mit Lisa Bonet unter „Zusätzliche Interviews“ zusammengefasst. Die „News“-Auszüge sind auch „neu“ und beinhalten ein paar kommentierte Zusammenfassungen des Films. „Schauspielerinfos“ kennt man ebenfalls noch nicht. Hier erfahren wir in kurzen Featurettes noch etwas über Rourke, Bonet und Parker.
Das neueste Feature ist aber der Interview-Ausschnitt mit Alan Parker beim „Cinéastes des Années 80“ von 2015. Gut 26 Minuten kehrt der Regisseur noch einmal zu seinem Film zurück und erzählt Anekdoten vom Dreh. Das ist dann auch das einzige Feature in HD. Dafür wurden sämtliche Extras über die BD und die UHD abgelegt.
Fazit
Angel Heart hat auch 32 Jahre nach seiner Uraufführung kaum etwas von seiner düsteren Faszination verloren. Und die wird nun von einer UHD wiedergeben, die massiv vom neuen 4K-Scan und der anschließenden Bildbearbeitung profitiert hat. Ist schon die neue Blu-ray (bis auf das Thema des Überstrahlens) wirklich klasse, setzt die UHD noch eins drauf und präsentiert den Film im Rahmen dessen, was damals über die Kameras auf das Filmmaterial gelangt ist, in seiner bisher beeindruckendsten Version.
Schade, dass der deutsche Ton stiefmütterlich behandelt bleibt.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität BD (alt): 60%
Bildqualität BD (neu): 70% (5% Abwertung aufgrund von überstrahlenden Flächen)
Bildqualität UHD (HDR10 & Dolby Vision): 80%
Tonqualität BD/UHD (dt. Fassung): 60%
Tonqualität BD/UHD (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 70%
Film: 80%
Anbieter: Studiocanal Home Entertainment Sales
Land/Jahr: USA/Kanada/UK 1987
Regie: Sir Alan Parker
Darsteller: Mickey Rourke, Lisa Bonet, Robert De Niro, Michael Higgins, Charlotte Rampling, Brownie McGhee
Tonformate BD/UHD: dts-HD-Master 5.1: en // dts-HD-Master 2.0: de
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 113
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Disk-Kapazität: BD-100
Real 4K: Ja (4K DI vom 35mm Filmmaterial)
High Dynamic Range: HDR10, Dolby Vision
Maximale Lichtstärke: keine Angabe
FSK: 16
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots liegt bei Anbieter: Studiocanal Home Entertainment Sales)