Blu-ray Review
OT: The Angry Birds Movie
Wut ist keine Lösung, oder?
Vom Handygame zum Spielfilm – kann das gut gehen?
Inhalt
Red ist immer schon ein wenig wütender gewesen als der Rest. Und nun, da er einen Auslieferungsaufrag verbockt hat und noch dazu dafür sorgte, dass ein fremdes Küken ihn jetzt als Papi betrachtet, bleibt dem Richter nur eins übrig: Er verurteilt Red zur Wuttherapie. Der fühlt sich verkannt und genervt und ist schon wütend, bevor er überhaupt dort ist. Doch den anderen Teilnehmern hat man anscheinend ebenfalls ziemlich übel mitgespielt und so solidarisiert man sich zunehmend, ja befreundet sich sogar. Doch dann taucht ein riesiges Schiff mit grünen Schweinen auf der Vogelinsel auf. Die versprechen zwar, in Frieden zu kommen und beschenken die gefiederten Bewohner mit zahlreichen Geschenken, doch Red traut ihnen nicht über den Weg. Dumm, dass Reds Meinung niemanden interessiert. Und so ist er mit Chuck und Bombe, seinen Wuttherapie-Freunden, alleine auf weiter Flur. Gemeinsam versuchen sie, der Vogelgemeinschaft zu beweisen, dass die Schweine nichts Gutes im Schilde führen. Und tatsächlich: Die grunzenden Grünlinge wollen an die Gelege der Vögel und die Eier klauen. Um dies zu verhindern, müssen Red und seine Kumpels allerdings all ihre Wut zusammennehmen …
Ähm … ein Film, der auf einem Spiel basiert, das 2009 technisch und grafisch so ausgereift war wie „Das Moorhuhn“ zehn Jahre zuvor? Warum nicht gleich „Tetris“ verfilmen? So oder so ähnlich dachte ich, als Angry Birds vor einigen Monaten im Kino lief und wunderte mich ob der 1,5 Mio. deutscher Kinobesucher, die sich den vermeintlichen Quark für Geld anschauten. Eine Verwunderung und Geringschätzung, die sich bis heute nicht änderte – BIS HEUTE. Denn der Debütfilm von Fergal Reilly und Clay Kaytis, die sich ihre Sporen als Storyboard-Artisten und Animatoren bei Filmen wie Die Eiskönigin oder Hotel Transsilvanien verdient haben, strotzt nur so vor Slapstick und skurrilen Figuren. Mittendrin der rote Hauptdarsteller „Red“, der im Spiel quasi die Standard-Angriffswaffe gegen die Schweine darstellt.
Und wer hätte den roten Wüterich im Deutschen besser synchronisieren können als unser aller Lieblings-Wut-Büro-Bürger Christoph Maria Herbst? Keiner! Tatsächlich ist die Synchronisation von Angry Birds herausragend gut gelungen. Sowohl der Wortwitz als auch das Timing sitzen und neben Christoph Maria Herbst überzeugen Axel Stein als Stakkato-Wortakrobat Chuck, Axel Prahl als Bombe und Ralf Schmitz in einer ungewohnten Rolle als Leonard. Wo man sonst zuletzt nur mühsam wirklich witzige Dialoge in Animationsstreifen unterbrachte, funktionieren die Zickereien zwischen den Vögeln und die sarkastischen Sprüche von Red bestens. Auch die Anspielungen auf das Tier-, bzw. Vogelleben funktionieren prächtig – ob das der Besuch beim Frisör für Feder-Extensions ist oder aber das Lunchpaket, das die Mutter ihren Kids mit in die Schule gibt. Mit Auftritt der Schweine droht das Geschehen etwas zur Nummernrevue zu verkommen, was immer dann wieder geerdet wird, wenn Red sie aus der Reserve lockt. Der rote Wüterich und seine Aktionen machen einfach Spaß. Und weil man ihm in Angry Birds mit Bombe und vor allem dem hyperaktiven Chuck zwei individuell völlig verschiedene Charaktere an die Seite gestellt hat, funktioniert das Trio in bester Buddy-Movie-Manier. Schön auch, wenn der Film gängige Erwartungshaltungen torpediert und die erste Begegnung mit dem „Mächtigen Adler“ so ganz anders ist, als sich die Drei das vorgestellt hatten. Zwar dauert es gut 65 Minuten, bis das zentrale Spielelement (die Schleuder) ihrem eigentlichen Verwendungszweck zugeführt wird, doch dann wird’s umso turbulenter. Und dass hier ausnahmsweise mal keine großartige Moral transportiert wird, ist erst Mal nicht weiter schlimm. Machmal darf’s auch einfach nur für den Spaß sein. Während die Kids den ohnehin aufgrund der rasanten Szenen haben werden, hält Angry Birds auch noch großartig-witzige Referenzen an Filme wie Thor oder Shining bereit.
Bild- und Tonqualität
Als Animationsfilm kann Angry Birds trotz der relativ grob gezeichneten Figuren auf ganzer Linie punkten. Die Farben kommen absolut prächtig ans Auge, Kontraste könnten kaum besser sein und die Details im Gefieder sind aller Ehren wert. Die Hintergründe bleiben zwar ein wenig zweidimensional, was aber bewusst so gewählt wurde, um den Geist des Spiels ein wenig einzufangen. Schwarzwerte sind prächtig und die Lichtstimmung ist richtig klasse. Viel zu mäkeln gibt’s hier in der Tat nicht, denn auch die Bildruhe ist hervorragend – egal, ob in hellen oder dunklen Szenen.
Satter Bass schlägt dem Zuschauer von Angry Birds entgegen, wenn Black Sabbath ihren berühmtesten Hit zur Eröffnung des Films intonieren. Zuvor gab’s schon höchst räumliche Effekte – und zwar in dem Moment, in dem Red in Zeitlupe auf das Ei zufliegt. Das gelingt auf der englischen Fassung noch etwas besser, weil sie mit zwei weiteren Rear-Backs ausgestattet wurde, während die deutsche Version nur in 5.1 vorliegt. Beide liefern allerdings unkomprimierten dts-HD-Master-Sound und der ist angefüllt mit direktionalen Effekten, hervorragend verständlichen Dialogen und dynamischer Filmmusik. Ohnehin ist Letztere erstaunlich heavy ausgelegt und hält nicht nur Osbournes Band bereit, sondern auch Limp Bizkit oder die Scorpions – okay, auch Rick Astley. Den aber in einer grenzgenialen Szene mit dem „Mächtigen Adler“. In Sachen Effektdarstellung gefällt vor allem die Ankunft der Schweine auf der Vogelinsel, die mit zahlreichen direktionalen Sounds begleitet wird und natürlich der abschließende, fast 20-minütige Showdown auf der Schweineinsel.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Angry Birds ist mit reichaltig Material angefüllt. Von weiteren Kurzfilmen unter „Hatchlings“ über einen Kurztrailer in „Angry Birds Action“ und sechs entfernte Szenen oder ein paar Tanznummern bis hin zu Bastelanleitungen. In „Creating the Real World“ gibt’s dann ein echtes, achtminütiges Making-of, das zeigt, wie detailreich man an der Welt des Films arbeitete. „Meet the Birds“ kümmert sich um die Übertragung der echten Tiervorlagen auf den Film und zeigt, wie die Figuren am Rechner zum Leben erweckt wurden. „Meet the Pigs“ stellt ein paar der (englischen) Synchronsprecher der Schweine vor und dann gibt’s noch das Video zum Titelsong sowie ein Making-of über die Arbeit am Score.
Fazit
Okay, Angry Birds erfindet das Rad des Animationsfilms nicht neu, aber er ist bedeutend gelungener und vor allem witziger als man aufgrund der rudimentären Vorlage eines ziemlich anspruchslosen Computerspielchens hätte denken können – sozusagen filmisches Maximalprinzip.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 100%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 50%
Film: 70%
Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: Finnland/USA 2015
Regie: Fergal Reilly, Clay Kaytis
Sprecher: Christoph Maria Herbst, Anja Kling, Axel Stein, Axel Prahl, Ralf Schmitz, Smudo, Michael Kessler
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 97
Codec: AVC
FSK: 0