Aniara

Blu-ray Review

EuroVideo, 13.02.2020

OT: Aniara

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Alles wird dunkel

Spannende und tiefgründige Science-Fiction aus Schweden.

Inhalt

21 Restaurants, ein Spa-Bereich, Entspannungsräume, aufbereitete Luft – das Leben und die Reiseumstände an Bord der Aniara halten sämtliche Annehmlichkeiten bereit, die man sich wünschen kann. Sollten sie aber auch, denn immerhin dauert der Flug von der Erde zum Mars drei Wochen. Und in der Zeit möchte man natürlich möglichst bequem transportiert werden. Da die Erde ihre beste Zeit hinter sich hat, dient die Aniara als Hoffnungsträger, der die Menschen in eine neue Welt transportiert. Mimaroben arbeitet auf dem Raumschiff und kümmert sich um Passagiere an Bord. Während sie einigen davon den Mima Host, einen Entspannungsraum demonstriert, der schöne Erinnerungen verstärken kann, kollidiert die Aniara nach einem Ausweichmanöver mit Weltraumschrott und gelangt vom Kurs ab. Der aus Notfallgründen abgelassene Treibstoff verhindert die Rückkehr auf die ursprüngliche Reiseroute und erst die Gravitation eines zufällig passierten Planeten könnte die eigentliche Route wieder herstellen. Das jedoch kann dauern. Möglicherweise zwei Jahre. Eine lange Zeit, in der die Menschen an Bord bei Laune gehalten werden müssen. Mima Host und Mimarobens Job werden zunehmend beansprucht. Und zwar solange, bis der Computer die Segel streicht und die Verhältnisse auf dem Raumschiff immer schlechter werden …

Mit düster-apokalyptischen Bildern beginnt Aniara. Zerstörerische Naturereignisse machen klar, dass die Erde ihre besten Zeiten hinter sich hat und leiten ein, dass die Menschen nach und nach Abschied von ihr nehmen. Der Szenerie unterliegt ein leiser, fast meditativer Score, der klar macht, dass man es kaum mit einem Mainstream-SciFi-Werk zu tun haben wird. Sehr wohl aber mit einem, dessen CGIs erstaunlich hochwertig geraten sind und der schon zu Beginn eine wirklich gelungene Mischung aus SciFi und nachvollziehbarer Architektur zeigt. Die Aufzugsvorrichtung wirkt ebenso wenig abgedreht spacig wie die Aniara selbst. In den Innenräumen dominiert dann ohnehin die Realität. Man kann nicht ganz umhin, sich vorzustellen, dass der Film vielleicht auf einer Fähre gedreht wurde. Dennoch hat man das Beste draus gemacht und die jeweiligen Räume liebevoll ausgestattet sowie ansprechend beleuchtet und gefilmt. Und ohnehin geht es ja auch um die Story an sich. Aniara erzählt in seinem begrenzten Setting im Grunde davon, dass die Menschen sich immer irgendwie selbst zu zerstören beginnen – unabhängig davon, wo sie gerade sind und ob sie einen Neuanfang wagen oder nicht. Scheinbar nicht in der Lage, ein funktionierendes System aufzubauen, schaukeln sich Aggression, soziale Inkompetenz und fehlgeleiteter Glaube hoch. Es entwickeln sich Kulte, die Selbstmordrate steigt und das Ökosystem bricht (erneut) zusammen.

Durchaus eigenwillig bebildern die beiden Filmemacher Pella Kågerman und Hugo Lilja ihr in Abschnitte eingeteiltes Werk, das auf einem Vers-Epos des schwedischen Schriftstellers Harry Martinson basiert. So spielt bspw. Sexualität eine nicht allzu kleine Rolle und im Verbund mit einem sich entwickelnden Kult kulminiert das in Kapitel vier schon mal in einer Massenorgie. Thematisch zwar nicht ganz unverwandt mit dem US-Blockbuster Passengers schleichen sich aber auch Elemente von Herr der Fliegen oder Sunshine ein, wenn die Gesellschaft an Bord der Aniara langsam ihre zuvor durch die Zivilisation erlernten und begrenzten Verhaltensweisen und Pflichten über Bord wirft und die Konflikte bisweilen offen ausbrechen. Aniara macht das in letzter Konsequenz vielleicht nicht deutlich genug und verwendet etwas zu wenig Zeit auf den finalen Kollaps. Zudem wirken die letzten Kapitel gehetzt und das Geschehen verliert etwas den Kontakt zu den ersten zwei Dritteln. Vielleicht liegt’s an den eher fragmentarischen Inhalten der Vers-Vorlage, vielleicht aber auch daran, dass man darstellen wollte, wie sehr die Figuren im Film den Kontakt zur Realität verlieren. Die zwischenzeitlichen philosophisch angehauchten Diskurse fallen dann ebenfalls hintenüber und machen Platz für Trost- und Hoffnungslosigkeit. Das immerhin vermittelt der Film bisweilen derart eindrücklich, dass es einem schon mal die Luft abschnürt. Auch deshalb, weil Emelie Jonsson in der Rolle der Mimaroben herausragend agiert.

Bild- und Tonqualität

Aniara nutzt ein bewusst körniges Bild, um die Szenerie möglichst filmisch und ein wenig schmuddelig wiederzugeben. Gleichzeitig ist der Kontrastumfang etwas angehoben. Das sattest Schwarz wird hier nicht erreicht und helle Bereiche an der Aniara oder auch in Innenräumen überstrahlen schon mal etwas. Sehr schön gelingt indes die Schärfe in Close-ups, die Feinheiten auf Gesichtern durchaus ansprechend herausarbeitet. Allerdings sind Randbereiche bisweilen unscharf, was in der Regel auf die verwendeten Optiken zurückzuführen ist.
Auch wenn Aniara keine teure Hollywoodproduktion ist, so muss der Film sich akustisch keineswegs verstecken. Schon das Hochfahren mit dem Aufzug wird mit einem schön voluminösen Tiefbassgrummeln unterlegt. Wenn die Aniara dann kollidiert, gibt’s erneut Aktion vom Subwoofer und wenn die Lichter für kurze Zeit ausfallen, wird auch das ansprechend vertont. Das sonore Brummen, das sich danach einstellt oder auch das geschäftige Treiben in der Aula erzeugen viel Räumlichkeit und unterstützen das Szenario wirkungsvoll. Stimmen sind im Verhältnis etwas zu leise eingebettet, sodass man den Center eventuell etwas anheben muss.

Bonusmaterial

Lediglich der Trailer findet sich im Bonusmaterial von Aniara.

Fazit

Aniara ist eine Parabel auf die verkommerzialisierte und zerstörerische menschliche Natur. Mit eindringlichen Bildern und intensiven Emotionen schildern Pella Kågerman und Hugo Lilja, was passiert, wenn eine Hoffnungsreise vom Weg abkommt und in Hoffnungslosigkeit endet.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 5%
Film: 70%

Anbieter: EuroVideo Medien
Land/Jahr: Schweden, Dänemark 2018
Regie: Pella Kågerman, Hugo Lilja
Darsteller: Emelie Jonsson, Bianca Cruzeiro, Arvin Kananian
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, sw
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 106
Codec: AVC
FSK: 12

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter EuroVideo Medie)

Trailer zu Aniara

 

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2 Kommentare
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Christian P.

Hey Timo,

in deinem Review zu Bild und Tonqualität fehlt irgendwie der Schluss.

Ich habe mir den Film am Wochenende angesehen und muss leider sagen, dass er für mich einer der langweiligsten Filme war die ich seit langem gesehen habe. Hab mich leider des öfteren erwischt wie ich auf die Uhr geschaut und sogar überlegt habe den Film überhaupt fertig zu schauen. Ich habe es durchgezogen und habe es leider bereut 🙁
Vllt waren meine Erwartungen einfach zu hoch, dass es eher ein Film wie Passengers wird.