Blu-ray Review
OT: Anon
Delete Fu#*ing Everything
Neues Sci-Fi-Werk von Gattaca-Regisseur Andrew Niccol.
Inhalt
Das Leben in der nicht allzu fernen Zukunft: Jeder Schritt, jeder Winkel und jedes Verhalten wird überwacht. Jeder Mensch wird von der Minute seiner Geburt an aufgezeichnet – zu jeder Sekunde seines Lebens. Die Daten werden im Ether gespeichert. Der Vorteil: Verbrechen existiert praktisch nicht mehr. Der Nachteil: Alles wird beliebig, austauschbar und Privatsphäre kennt man nur noch aus Erzählungen. Detective Frieland gehört zu jenen, die das Einhalten von Vorschriften überwachen und auch schon mal unangenehme Nachrichten an Angehörige überbringen, weil sich ein Anverwandter in den Tod gestürzt hat. Manchmal trifft er bei der Beurteilung von Verbrechen sehr menschliche Entscheidungen und lässt auch schon mal eine Diebin davonkommen, wenn sie sympathischer ist als die Bestohlene. Dann jedoch tritt eine Unregelmäßigkeit auf. Es geschehen Morde. Und beim Durchsehen der Aufzeichnungen stellt sich heraus, dass der Killer den Ether gehackt hat. Während der Taten sieht das Opfer das, was der Täter sieht, nicht das, was er selbst sieht. Wie aber soll man einen Killer fangen, der in der Lage ist, seine Identität komplett zu vertuschen …?
Andrew Niccol hat sieben Filme auf seiner Vita stehen. Nur zwei davon (The Good Kill und Lord of War) sind nicht dem Sci-Fi-Genre zugehörig. Der Regisseur, der vor gut 20 Jahren mit Gattaca sein Langfilm-Debüt gab, schrieb sich mit Anon nun erneut sein eigenes Skript auf den Leib und bleibt in seiner Inszenierung eines dystopischen Zukunfts-Szenarios so kühl wie man es von ihm kennt. Die Bilder sind durchkomponiert und vornehmlich grau oder graublau. Menschen werden zu scheinbar unbeweglichen Statisten, die wie ferngesteuert durch die Straßen wandeln und die permanenten Einblendungen von Kommunikations-Mitteilungen oder Individuen-Informationen lassen das Geschehen fast schon wirken wie eine Virtual Reality. Die Opitk wirkt steril und nüchtern. Ab und an meint es Niccol außerdem etwas zu gut mit seinen skizzierten Verknüpfungs-Bildern. Von allen Sci-Fi-Dystopien der letzten Jahre ist Anon definitiv der am gemächlichsten inszenierte. Man muss sich als Zuschauer auch ein wenig auf die zahlreichen subjektiven Sichtweisen einlassen, um nicht den Faden zu verlieren. Denn die Dialoge sind bisweilen arg kryptisch. Allerdings wird man den Eindruck nicht los, das sie das vor allem sind, um die eigentlich eher inhaltslose Story zu kaschieren.
Denn was Anon an dystopischem Zukunfts-Szenario entfaltet, lässt Niccol zum Teil sträflich vernachlässigt liegen. Die totale Überwachung, das Speichern von sämtlichen (Lebens)Daten und der nun wirklich absolut gläserne Mensch – wenn man dies Kritik an der heutigen Gesellschaft verstanden haben möchte, dann muss man sich diese Gedanken schon selbst machen. Denn die Mörder-Crime-Story, die der Film ab der 20. Minute verfolgt, ist dann doch eher konventionell.
Was allerdings überzeugt, ist der Look. Die durchstylisierten Bilder vermitteln eindrücklich das Gefühl menschlicher Isolation in einer durchtechnologisierten Welt. Zumal Niccol optisch ein ganz nettes Gimmick nutzt, das an die IMAX-Szenen von Christopher Nolans Filmen erinnert. Ohne in IMAX gedreht zu haben, wechselt auch hier das Bildformat zwischen 2,35:1 und 1,78:1 – je nachdem, ob die Filmkamera den oder die Protagonisten „objektiv“ aufnimmt (2,35:1) oder die subjektiven Point-of-View-Szenen genutzt werden (1,78:1). Außerdem werden Figuren oft aus schrägen Blickwinkeln und Perspektiven gefilmt, was noch eine größere Distanz zu den Charakteren herstellt. Und selbst der (überraschend offenherzige) Sex bleibt kühl, technisch und unpersönlich. Die einzige Emotionalität, die Anon noch liefert, sind die Erinnerungen und Gedanken von Frieland an seinen Sohn. Allerdings wird dieser Gedankengang, dieser Konflikt aus aufgezeichneter und im Kopf verankerter Erinnerung nicht weiter verfolgt. Die wirklich unangenehmen Fragen bleiben offen oder müssen im Kopf des Zuschauers weitergesponnen werden. Dazu immerhin tragen Optik und Art der Inszenierung bei, denn außergewöhnlich ist das Gesehene zweifelsohne. Vielleicht so besonders, dass man die Gedankengänge aufnimmt, die Niccol nur anreißt.
Bild- und Tonqualität
Wie oben beschrieben wechselt das Bildformat von Anon. Unabhängig davon ist vor allem die Auflösung beeindruckend. Nahaufnahmen sind dermaßen scharf, dass man aber auch wirklich jede Einzelheit auf Gesichtern erkennen kann. Die leichte Filterung der Farben unterstützt die jeweilige Atmosphäre der entsprechenden Szene. Mal sieht man ein leicht bräunliches, mal ein eher bläulich-grünes Bild. Das ist aber jederzeit schlüssig und passend eingesetzt. Der Kontrastumfang ist immens und präsentiert abgrundtiefes Schwarz neben erstaunlich hellen Spitzlichtern. Die Bildruhe ist zudem selbst bei Vogelperspektiven in schwierigen Schwenks sehr gut.
Akustisch liegt ein dauerhaftes, leichtes Grundrauschen unter dem Geschehen, das recht gut vermittelt, wie geräuschlos und digital diese Welt ist. Analoge Sounds hört man praktisch nicht mehr. Im Besprechungsraum der Polizei hallen die Stimmen realistisch nach, weil hier kein einziger dämmender Gegenstand rumsteht und die Wände aus grauem, nicht mal gestrichenen Beton bestehen.
Räumlich wird es immer dann, wenn sich Frieland in den Ether begibt und die sich aufbauenden Gitterstrukturen akustisch untermalt werden. Richtige Dynamik gibt es erstmals, wenn unser Protagonist virtuelle Dresche bezieht (65’49) oder das Feuer im Flur ausbricht (70’19). Dazu bleiben Dialoge stets gut verständlich und die (spärlich) eingesetzte Filmmusik ist vor allem dann raumerfüllend, wenn sie die sanfteren Töne anschlägt.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Anon finden sich zunächst drei Interviews mit Seyfried, Owen und Regisseur Niccol. Dazu gesellt sich ein gut 50-minütiges Question&Answer mit Niccol beim Filmfest in München vor Publikum.
Fazit
Visuell absolut stylische und einzigartige Sci-Fi-Dystopie, deren Killer-Story weniger überzeugt als die eigentlich spannenden Ansätze der totalen Überwachung. Was nach 100 Minuten Laufzeit bleibt, mag deswegen kein herausragend spannender Thriller sein. Aber Anon liefert Denkansätze über eine gar nicht mal so unmögliche Zukunft, die es vielleicht noch mal zu überdenken gilt.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 90%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 50%
Film: 60%
Anbieter: Koch Films
Land/Jahr: GB 2018
Regie: Andrew Niccol
Darsteller: Clive Owen, Amanda Seyfried, Jonathan Potts, Colm Feore, Mayko Nguyen
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,78:1/2,35:1
Laufzeit: 100
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Koch Films)
Ich habe erst vorgestern überhaupt von dem Film erfahren und ihn dann am gestrigen Abend zusammen mit einem. Freund in seinem komplett optimierten Heimkino gesehen. Wir haben dabei die deutsche Synchro gewählt.
Wir beide waren von den ersten Minuten an recht stark gefesselt im Geschehen aus ungewöhnlicher Handlung, einzigartigen Bildern und relativ gutem Ton. Der Ton gehört nicht zum Besten, was die Filmwelt zu bieten hat, Stimmen neigen etwas zum Zischeln und generell ist der Ton recht hell abgemischt, jedoch gefielen uns insbesondere Schüsse, die sehr durchhörbar, realistisch und dynamisch abgemischt sind.
Zur Handlungsabfolge kann ich sagen, dass mir gerade die etwas kryptische Auslegung im Nachhinein sehr gut gefallen hat, da diese Tatsache dazu geführt hat, dass man nicht stumpf berieselt wurde, sondern ganz im Gegenteil, man sich relativ stark konzentriert hat und laufend Interpretierungsarbeit leisten musste. Zumindest erging es mir so.
Alles in Allem war es einer dieser wenigen Filme, die mich vollkommen fasziniert haben und es jetzt, einen Tag später, immernoch geschafft haben, dass ich mich zu einer Rezension azfgerafft habe.