Blu-ray Review
OT: Baby Driver
Straight, but not done!
Furioser Actionfilm mit sensationellem Soundtrack und grandiosen Auto-Verfolgungen.
Inhalt
Baby war Zeuge, als seine Eltern bei einem schweren Unfall starben. Menschlich hat ihn das traumatisiert. Doch er fand einen Weg, das zu kompensieren: Das Autofahren. Es gibt keinen besseren, wagemutigeren und einfallsreicheren Kerl hinter dem Steuer als ihn. Das macht ihn zum perfekten Fluchtwagenfahrer und als solcher ist er die perfekte Wahl für Gangsterboss Doc. Dem schuldet Baby ohnehin noch Geld, denn er hatte seinerzeit dessen Luxuskarosse entwendet und versenkt. Also noch diesen einen letzten Job und dann aufhören mit dem Mist. Einerseits, weil es irgendwann auch mal schief gehen könnte und andererseits, weil Baby gerade diese süße Kellnerin namens Debora kennen gelernt hat. Dumm, dass „quitt“ für Doc nicht auch gleich „fertig“ bedeutet und er seinen besten Fahrer nicht so einfach ziehen lassen will. Jetzt ist es an Baby, einen Ausweg aus der Situation zu finden, ohne jenen, die er liebt und sich selbst zu schaden …
Heist-Film, Romanze, Komödie, Actioner oder doch Musical? Eins ist klar, wenn man Edgar Wrights (Shawn of the Dead) Baby Driver gesehen hat: Dermaßen entfesselt, berauschend und ungewöhnlich wie dieser knapp zweistündige Zelluloid-Trip war ganz lange nichts mehr. Kaum ein anderer aktueller Regisseur versteht es derart, unterschiedliche Genre-Versatzstücke zu nehmen, sie genüsslich in einen Mixer zu packen und etwas heraus zu destillieren, das die Welt noch nicht gesehen hat. Das war so bei seiner Cornetto-Trilogie und das gelang ihm ebenso bei Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt. In seinem aktuellen Werk zelebriert er den Genremix und feiert eingangs genannte Genres allesamt und manchmal gleichzeitig ab. Mit einem grandios ausgewählten Dauer-Soundtrack unterlegt, stellt sich trotz der Laufzeit von fast zwei Stunden zu keinem Zeitpunkt so etwas wie Langeweile ein und obwohl die meisten Figuren etwas inhaltsleer bleiben, identifiziert sich der Zuschauer augenblicklich mit diesem coolen jungen Mann, dessen Rennfahrer-Fähigkeiten in der Unterwelt geschätzt werden.
Zugegeben: Es mutet nach Kevin Spaceys Reaktion, einen damals Minderjährigen Schauspiel-Kollegen verführt haben zu wollen, schon etwas seltsam an, wenn man ihn nun in einem Film sieht, in dem er für einen jungen Kerl namens „Baby“ bürgt, doch Wrights Film hat es nicht verdient, ihn auf das aktuelle Thema der sexuellen Belästigung in Hollywood zu reduzieren.
Außerdem ist Spaceys Rolle entsprechend kurz geraten, sodass man nicht allzu oft von Story und Geschehen abgelenkt wird. Und Letzteres ist nun mal wirklich cool. Schon alleine in Sachen Kameraarbeit kann man Baby Driver nur lieben. Alleine die Titelszene, in der Baby exakt 2’35 Minuten lang in einer One-Shot-Sequenz beim Kaffeeholen begleitet wird, ist oscarreif und erinnert an die Plansequenz eines Children of Men oder die Musicals der 50er/60er. Ohnehin wirkt diese Szene mehr noch als alle anderen wie eine Hommage an das Musical. Wenn die Welt um Baby herum praktisch zu dem Song, den er gerade im Ohr hat, choreografiert wird und Baby sich entsprechend bewegt, dann ist das zwar hart an der Grenze zum Romantik-Klischee, aber eben auch sehr unterhaltsam gefilmt. Wie man hört, hätte es den Steadicam-Operateur De Angelis beinahe umgebracht. Denn der musste praktisch ständig um die Hauptfigur herumlaufen und die Choreografie perfekt einhalten – ein beeindruckendes Zusammenspiel von Akteur und Kameramann, der erst im 22! Versuch saß. Das ist aber nicht die einzige Szene, die wie ein Tanz einstudiert wurde. Immer wieder läuft Babys Leben ab wie die Musik, die er gerade dazu hört – und wenn die Kamera ihn nur beobachtet, wie er seinem Pflege-Dad ein Sandwich schmiert und kredenzt. Aber auch die Lageplan-Besprechungen gefallen durch ihre exakte Inszenierung und wenn die „neue“ Gang über die Michael-(Mike)-Meyers-Masken diskutiert, ist das einer der besten Filmgags der letzten Zeit.
War noch was? Ach ja: Die Action-Szenen. Was wäre ein Film über einen talentierten Fluchtwagenfahren ohne Fluchtwagenszenen. Und wenn Wright etwas richtig macht, dann sind das Auto-Jagden. Man kann nur ahnen, welche Arbeit in die Storyboards geflossen ist, die man anfertigte, um die Verfolgungen minutiös durchzuplanen. Ganz nebenbei integriert Baby Driver ein paar ziemlich unverbrauchte und innovative Autostunts, die richtig Spaß machen. Sei es der Moment, in dem Baby mit einem Pick-up an einer Steilwand entlangfährt oder der coole Doppelslide in der ersten Szene. Und wenn mal nicht Gummi gegeben wird, hagelt es Blei – und das selten so innovativ und grandios wie in dem auf den Takt von „Tequila“ gesetzten Shoot-out nach 63 Minuten. Sensationell! Kleine Kritik am Rande: Die blutige Härte, die bisweilen an den Tag gelegt wird, wirkt etwas deplatziert und unnötig. Was die Charaktere angeht, so bleibt es, wie oben beschreiben, zwar relativ hintergrundarm, doch immerhin liefert Jamie Foxx eine launige Performance als Möchtegern-Obergangster mit Arschloch-Attitüde. Und, so fair muss man sein: Auch Spacey hatte schon schlechtere Rollen. Da die Love-Story zwischen Baby und Debora ziemlich gut funktioniert und Ansel Elgort (Divergent) sich genauso für nächste Hits empfiehlt wie die coole Lilly James (Im Rausch der Sterne).
Bild- und Tonqualität BD
Die Blu-ray von Baby Driver zeigt zunächst mal ein leichtes Korn, das daraus resultiert, dass Edgar Wright auf analogem Film aufzeichnen ließ. Die Portierung ins Digitale ist allerdings gut gelungen – zumindest dann, wenn man analogen Look mag. Was der Schärfe in Halbtotalen etwas abgeht, wo der Gesamteindruck eher weich und zweidimensional scheint, macht sie bei Close-ups wieder etwas wett. Gewöhnungsbedürftig sind die arg hellen und leicht gelblich-orangen Hauttöne, die gerade Babys Gesicht noch jünger erscheinen lassen als Elgort eigentlich ist (immerhin war er 22 zum Zeitpunkt des Drehs). Die Kontrastierung hätte noch etwas knackiger ausfallen dürfen, einige Szenen beim Mischhelligkeiten wirken etwas flau. Gut gelungen ist die Schärfeverteilung, die homogen über den gesamten Bildbereich funktioniert.
Was wäre ein Actionfilm mit zahlreichen Bankraub- und Auto-Verfolgungs-Situationen ohne einen entsprechend gut aufgelegten Soundtrack? Die beiden dts-HD-Master-Spuren in Englisch und Deutsch fokussieren sich dabei allerdings vielleicht eine Spur zu sehr auf die Musik, denn die Eingangs-Verfolgungsjagd hätte durchaus mehr räumliche Effekte liefern dürfen. Stimmen allerdings bleiben gut verständlich und während der Actionszenen gibt’s genug Gewalt über den Subwoofer. Das gilt auch für die Songs, die dynamisch aus den Speakern erklingt. Während der Shoot-outs hagelt es dann allerdings Effekte und RICHTIG Druck. Wenn mit großkalibrigem Geschossen auf Polizei (und iPods) gefeuert wird, schnallt man sich im Heimkino besser an.
Bild- und Tonqualität UHD
Baby Driver wurde zum allergrößten Teil auf 35mm-Film gedreht, weil Wright trotz seines jungen Alters zu den Regisseuren gehört, die analoge Bilder bevorzugen. So kam hier bei über 90% der Aufnahmen eine Panavision Panaflex Millennium XL2 zum Einsatz. Lediglich für die Autoverfolgung innerhalb des dunklen Parkhauses im Finale kam eine Arri Alexa Digitalkamera zum Einsatz, da es laut Kameramann Bill Pope praktisch unmöglich war, das Gelände für analogen Film adäquat auszuleuchten. Dazu gab es noch ein paar digital gefilmte Szenen mit einer Arri Alexa Mini, die Shots aus der Luft beisteuerte.
Die digitale Konvertierung gelang allerdings sehr ansprechend – und das trotz „nur“ 2K-Digital-Intermediate. Vor allem Farben und Kontrastumfang kann die UHD besser und prächtiger. Während selbst Hauttöne über die BD einen leichten Stich ins gelb-orange aufweisen, kontert die UHD hier mit dem wesentlich natürlicheren Eindruck und den gleichmäßigeren Kontrasten. Helle Bildbereiche überstrahlen nicht und Baby(s)Face zeigt nun auch Differenzierung zwischen Lippen und Haut, wo die Blu-ray dies eher verschwieg. Das grundsätzlich vorhandene analoge Korn des Films wird auch über die UHD authentisch repliziert und führt nicht zu Artefakten. Allerdings ist es noch ein wenig deutlicher sichtbar – Analogfans wird’s freuen.
Die Schärfe ist allgemein deutlich besser als bei der eher mittelprächtigen Blu-ray. Man sieht den Auflösungsvorsprung vielleicht nicht speziell im Detail. Er macht sich aber durch einen grundsätzlich schärferen Look bemerkbar. Gesichter wirken nicht mehr so weich und sämtliche Objekte und Gegenstände erscheinen dreidimensionaler.
Während die deutsche Spur auf der UHD von Baby Driver (immerhin) bei dts-HD-Master bleibt und damit exakt das gleiche bietet wie jene der Blu-ray, gibt’s für Freunde des Originaltons hier 3D-Sound. Die englische Atmos-Spur nutzt die Heights von Beginn an für Atmosphäre, indem sie die Musiknummern ebenfalls von oben unterstützt und leicht widerhallen lässt. Allerdings macht das hier ausnahmsweise tatsächlich Sinn, denn Baby hört die Musik nun mal beständig über Kopfhörer und damit raumfüllend – alleine, um seinen Tinnitus zu übertönen. Die Flashback-Szenen in seine Vergangenheit füllen die Höhen-Speaker dann ebenfalls mit Informationen, was den traumatischen Charakter unterstreicht. Echte 3D-Geräusch-Effekt gibt’s abgesehen von der Musik praktisch keine – bis zur 80. Minute, wenn dann tatsächlich hörbar Regen von oben herunterfällt und während der folgenden Minuten sogar mehrfach ein Helikopter über den Köpfen rotiert (ab 83’15). Auch die Polizei-Durchsagen im Finale erklingen aus den Heights und das Wasser der Sprinkleranlage kommt ebenfalls direkt von oben (101’00). Da es aber schon ein bisschen lange dauert, bis echte Geräuscheffekte eingesetzt werden, hinterlässt der 3D-Sound einen etwas zwiespältigen Eindruck. Denn die (fast) ausschließliche Nutzung für Musik wirkt auf Dauer etwas eintönig. Was die reguläre Ohrhöhen-Ebene angeht, so bewegt sich die Atmos-Spur absolut auf dem Level der dts-HD-MA-Pendants. Bedeutet: Auch hier gibt’s dynamische Filmmusik und druckvolle Shoot-outs
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Baby Driver liegt inklusive der Audiokommentare komplett auf der Blu-ray vor. Die Kommentare werden zum einen vom Regisseur alleine und zum anderen von ihm gemeinsam mit Kameramann Bill Pope gehalten. Dazu gibt’s noch elf zusätzliche sowie ausgewählte Szenen im Computer-Design. Letzteres sind praktisch die Pre-Visualisierungen im Comic-Style.
Die insgesamt sechs Hintergrund-Featurettes laufen insgesamt eine Dreiviertelstunde und kümmern sich sowohl um die Grundidee für den Film als auch um die Stunt-Schule, in die Ansel Elgort ging, um als Fahrer authentisch zu wirken. Dabei hatte er ganz offensichtlich eine Menge Spaß und bekam auch ein paar der echten Filmszenen ab. Natürlich gibt’s noch ein Feature über die Musik und Simon Wright gibt zu Protokoll, dass er vom Einsatz der Musik in Scorsese- und Tarantino-Filmen inspiriert ist. Der „Blue Song“ aus Wrights Musikvideo für Mint Royale (das im Film ausgiebig zitiert wird) komplettiert das kurzweilige Extramaterial.
Fazit
Baby Driver war Edgar Wrights lang gehegtes Wunschprojekt – und das merkt man dem Film an. Der innovative Mix aus Action-, Heist- und Romantikfilm gewürzt mit einer dicken Prise Musical ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack, aber sicher einer der ungewöhnlichsten und unterhaltsamsten Filme des vergangenen Jahres. Die UHD liefert das schärfere und homogener kontrastierte Bild sowie Atmos-Sound für den Originalton.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität BD: 80%
Bildqualität UHD: 85%
Tonqualität BD/UHD (dt. Fassung): 85%
Tonqualität BD (Originalversion): 85%
Tonqualität UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 85%
Tonqualität UHD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 60%
Tonqualität UHD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 60%
Film: 80%
Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: GB/USA 2017
Regie: Edgar Wright
Darsteller: Ansel Elgort, Kevin Spacey, Lily James, Eiza González, Jon Hamm, Jamie Foxx, Jon Bernthal, Sky Ferreira, Hudson Meek, Flea, Lanny Joon
Tonformate BD: dts-HD-Master 5.1: de, en
Tonformate UHD: Dolby Atmos (True-HD-Kern): en // dts-HD-Master 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 110
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Real 4K: Nein (2K DI)
High Dynamic Range: HDR10
FSK: 16
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots: © 2017 TriStar Pictures, Inc. and MRC II Distribution Company L.P. All Rights Reserved.)
„…Was die reguläre Ohrhöhen-Ebene angeht, so bewegt sich die Atmos-Spur absolut auf dem Level der dts-HD-MA-Pendants. Bedeutet: Auch hier….“
Irgendwie fehlt da was, oder? 😉
Oha. Da hat jemand die Rezension nicht fertig geschrieben. Danke fürs Aufpassen und Aufmerksammachen!