Blu-ray Review
OT: Bad Hair
Hexenhaar
Ungewöhnlicher Grusler mit politischer Metaebene.
Inhalt
Anna lebt in Los Angeles. Wir schreiben das Jahr 1989 und Musikfernsehen ist nach wie vor der „heiße Shit“. Anna arbeitet bereits beim Musikfernsehen, würde aber sehr gerne ein paar Stufen hochstolpern und als VJane eingesetzt werden. Da passt ihr nicht unbedingt ins Konzept, dass soeben die Programmchefin ersetzt wurde. Denn auch ihr Job ist damit in Gefahr – war sie doch immerhin die Assistentin der bisherigen Programmdirektorin. Und das ist durchaus ein Drama. Denn Anna ist Afroamerikanerin und hat schon deshalb auf dem Arbeitsmarkt wenig(er) Chancen. Nicht hilfreich ist außerdem, dass sie ihrem Vermieter auch noch Geld schuldet und dringend flüssige Mittel benötigt. Als Anna von der neuen Programmdirektorin zum Interview geladen wird, traut sie ihren Ohren kaum, denn die bietet ihr tatsächlich einen Job als Produzentin an. Doch ein Problem gibt es: Annas zu kurze Haare. Ein Unfall aus ihren Kinderjahren sorgte dafür, dass sie nicht mehr so vollen Wuchs hat, weshalb sie sich einer Haarverlängerung unterzieht, um dem Wunsch der Programmchefin zu entsprechen. Die Extensions verfehlen ihre Wirkung nicht. Anna bekommt plötzlich von überall Komplimente und die Welt beginnt, ihr zu Füßen zu liegen. Doch der Erfolg hat seinen Preis. Annas Haare scheinen ein Eigenleben zu entwickeln. Und damit sind nicht nur die juckenden und beißenden Stellen auf dem Kopf gemeint, sondern die Tatsache, dass die Haare ziemlich blutrünstig zu sein scheinen …
Der afroamerikanische Regisseur Justin Simien legt nach seinem 2014er Debüt Dear White People (einem Drama über vier afroamerikanische Studenten und Studentinnen) nun im Horrorgenre nach. Erneut inszeniert er auf Basis seiner eigenen Drehbuchvorlage und natürlich geht’s hier nicht ausschließlich um Horror. Denn Simien ist es auch in seinen Kurzfilmen und anderen Drehbüchern stets ein Anliegen, das Thema der sozialen Benachteiligung von Afroamerikanern zu integrieren.
In Bad Hair nutzt er vordergründig den an Die Körperfresser kommen angelehnten Gruselfaktor, um auf der Metaebene zu erzählen, welche Wege afroamerikanische Menschen – und hier zudem auch noch Frauen – gingen, um im Job auch nur halbwegs anerkannt zu werden und den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zwar sind Einflüsse afroamerikanischer Kultur in den 80ern bereits überall vorhanden gewesen, doch das bedeutete nie, dass es einfach war, als Afroamerikaner/in auch erfolgreich zu werden. Sie mussten kämpfen – so, wie Anna in diesem Film kämpft. Und sie mussten Herablassungen ertragen – so wie Anna diese erträgt.
Liest man sich die Story durch, könnte man annehmen, dass Simien eher eine absurde Horrorkomödie im Stile eines Rubber oder ähnlichem inszeniert hat. Tatsächlich geht’s inhaltlich eher in die Blumhouse-Richtung; eher in Richtung Get Out. Es mag ein Hauch Satire durch den Film wehen, aber seine unterliegenden Themen und auch das Horrorszenario nimmt Simien durchaus ernst.
Zwar muss er genau an diesem Punkt ein wenig mit seinem reduzierten Budget kämpfen, was die animierten Haarauswüchse nicht immer ganz glücklich wirken lässt, aber man hat solche CGIs auch schon schlechter gesehen. Und weil Bad Hair das durchweg mit netten Soundeffekten unterlegt, gibt’s dabei sogar ansprechenden Thrill. Was aber auch deshalb gelingt, weil die Besetzung für einen kleinen Genrefilm absolut herausragend ist. Und damit sind nicht die Gastauftritte eines Usher oder einer Kelly Rowland gemeint. Nein, vor allem Newcomerin Elle Lorraine in der Hauptrolle sollte man im Auge behalten. Ihr gelingt es, sowohl die anfänglich unsichere Anna zu spielen, die sich innerhalb ihres Jobgefüges kaum durchsetzen kann, als auch die spätere Arroganz der von den dämonischen Haaren besessenen Anna zu porträtieren – und das, ohne den Zuschauer dabei zu verlieren. Da können sich gestandene Schauspielerinnen ein gutes Stück von abschneiden, die bei einem entsprechenden Charakterwandel nicht immer so überzeugend sind. Ähnliches gilt für ihre Nebendarstellerinnen (eines ohnehin sehr frauenbetonten Stücks Kino), die allesamt hervorragend in ihre Rollen passen. Dass ein kleines bisschen Straffung dem Skript nicht geschadet hätte, merkt man während der ersten Stunde durchaus immer mal wieder. Dennoch transportiert Bad Hair in dieser Zeit eben auch seine wichtige Geschichte von der Schwierigkeit, als afroamerikanische Frau in den USA der 80er Jahre Fuß auf der Karriereleiter und innerhalb der Strukturen von großen Arbeitgebern zu fassen.
Bild- und Tonqualität
Der Film spielt Ende der 80er. Und um das auch visuell zu unterstützen, nutzte Regisseur Simien ausgiebige Filterungen und Stilmittel. Die Introszene (die in den 70erm spielt) sieht aus, als wäre sie auf 16-mm-Analogfilm gedreht worden, so dermaßen körnig ist das Bild. Und warum sieht sie so aus?
Weil Simien tatsächlich auf 16-mm-Film drehte. Der Stimmung tut das indes keinen Abbruch, weil es atmosphärisch auf das vorbereitet, was den Zuschauer erwartet. Wechselt die Szenerie dann in die End-80er, bleibt die Körnung nach wie vor erhalten. Zwar nicht mehr so dramatisch, aber doch sichtbar. Neben dem Korn sieht man hier und da auch ein paar Störblitzer. Die Kontrastdynamik ist etwas eingeschränkt, weil man auf auch hier eher einem älteren Look folgt und Schwarzwerte deshalb nicht ganz so knackig gestaltete. In puncto Farbgebung werden die meisten Szenen sehr warm wiedergegeben. Hautfarben haben einen dezenten Gelbeinschlag, was aber ebenfalls zum Look passt. Die Schärfe ist in Close-ups wirklich gut. Hinter der Körnung sieht man fein aufgelöste Details auf Gesichtern und auch Feinheiten auf Kleidung und Schmuck werden erstaunlich gut herausgearbeitet – überraschend genug für 16-mm-Aufnahmen.
Das Bild von Bad Hair mag altmodisch aufgenommen worden sein, der Ton wird mit hochmodernem (und verlustfreiem) DTS-HD-Master geliefert. Und der fängt an mit sehr gut verständlichen Dialogen der hervorragenden Synchro und einer ansprechenden Räumlichkeit bei reiner Umgebungsatmosphäre – beispielsweise während Außenaufnahmen zu üblichen Tageszeiten. Der Score ist oftmals etwas leise eingepegelt, was aber durchaus bewusst gewählt sein könnte, da die dynamischen Momente in Gruselsituationen umso besser zur Geltung kommen. Wenn mal ein Gewitter rumpelt, wird das wiederum sehr räumlich und unmittelbar wiedergegeben. Und das Stimmen-Wirrwarr, das oftmals vor den Szenen der Hexenhaare eingesetzt wird, gelangt mit sehr fein verteilten Sounds rund um den Zuschauer ans Ohr. Gleiches gilt für eine sich entfernt öffnende Kellertür (86’45). Wenn die Haare dann wie Peitschen durch den Raum fetzen, wird auch das äußerst effektvoll dargestellt – ebenso wie das Wasser aus der Sprinkleranlage im Finale.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Bad Hair gibt’s lediglich den Originaltrailer sowie einige Programmtipps des Anbieters.
Fazit
Bad Hair ist nicht der klassische Horrorfilm. Vielmehr unterliegt ihm eine deutliche gesellschaftskritische Note, die von den überzeugenden Darstellern wirklich hervorragend transportiert wird. Das lässt auch darüber hinwegsehen, dass es in der ersten Stunde schon mal Längen gibt. Das Bild der Blu-ray ist aufgrund seiner 16-mm-Analog-Herkunft nichts für Schöngeister und Digitalfans. Der Ton hingegen überzeugt durchgängig.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 10%
Film: 65%
Anbieter: Leonine Distributions
Land/Jahr: USA 2020
Regie: Justin Simien
Darsteller: Zaria Kelley, Corinne Massiah, Elle Lorraine, Madeleine Byrne, Moses Storm
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 103
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Leonine Distribution)
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Trailer zu Bad Hair
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.