Blu-ray Review
OT: Gunhamdo
Terrorinsel
Einer der erfolgreichsten südkoreanischen Filme erscheint mit kleiner Verspätung auf Blu-ray.
Inhalt
November 1944: Japan liegt mit den Alliierten im Krieg. Um der vermeintlichen Übermacht zu trotzen, braucht es nicht selten humanes Kapital. Vor allem aus dem besetzten Korea bedient man sich immer wieder billiger Arbeitskräfte. So auch für die Insel Hashima, unter deren Oberfläche Kohle abgebaut wird – wichtiger Energielieferant für die Fortführung der Kriegsaktivitäten. Zuletzt hat man unter anderem einen koreanischen Musiker und seine Tochter sowie einen Unterwelt-Gangster und eine erstaunlich resolute junge Frau rekrutiert. Kurze Zeit später kommt auch der koreanische Widerstandskämpfer Park Moo-young auf Hashima an. Er hat vom US-Geheimdienst OSS den Auftrag bekommen, den älteren Anführer Yoon Hak-chul zu befreien. Doch Park Moo-young findet äußerst beunruhigende Dinge heraus, während sich unter den Koreanern langsam der Gedanke zur Flucht formt …
Die Insel Hashima liegt im ostchinesischen Meer, ganz im Südwesten von Japan und gehört zur Stadt Nagasaki. Bekannt ist sie heute unter dem Namen Gunkanjima (Kriegsschiff-Insel oder, wie der Filmtitel sagt: Battleship Island). Von ihr aus wurde knapp 90 Jahre lang Kohleabbau unter der Meeresoberfläche betrieben, wofür man die ursprünglich nur 120 x 320 Meter lange Insel um ein knappes Dritte vergrößerte. Zu zweifelhaftem Ruhm gelangte das seit 2015 als UNESCO-Welterbe geführte Eiland, als man die ursprünglich japanischen Arbeiter auf der Anlage während des Zweiten Weltkriegs (und der Besetzung Koreas und Chinas durch Japan) durch chinesische und koreanische Zwangsarbeiter ersetzte. Eine Zeit, in der die Arbeitsbedingungen weit über 1000 Todesopfer forderten. Eine Zeit, die Japan heute zwar eingesteht, aber mitunter auch mal relativiert (Quelle). Regisseur Ryoo Seung-wan hat aus dem Stoff 2017 einen extrem aufwändigen Film produziert, der zwar nicht am (weitgehend dem Zerfall überlassenen) Originalschauplatz gedreht wurde, sondern in Studios; der aber mit einem großen Budget aufwarten und innerhalb von 12 Tagen sechs Mio. Kinozuschauer in den Südkorea verzeichnen konnte (was immerhin 12 % der gesamten Landesbevölkerung entspricht). Da der historische Hintergrund für viele Südkoreaner immer noch ein Trauma ist (was man im Bonusmaterial auch anhand der Verbitterung darüber erkennen kann, dass die Darsteller es für bedauerlich und unsinnig halten, dass die UNESCO die Insel zum Welterbe erklärt hat), sah Seung-wan es für notwendig an, diese Geschichte zu erzählen und stärker ins Bewusstsein zu rücken.
Den Beinamen „Kriegsschiff-Insel“ trägt Hashima übrigens, weil sie direkt an der Wasserlinie von einer bis zu 10 Meter hohen Mauer umgeben ist, die in Verbindung mit den hohen Häusern und Industriegebäuden aus der Entfernung an ein Kriegsschiff erinnert.
Battleship Island beginnt emotional aufwühlend und mit stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Bildern. Man bekommt augenblicklich das Gefühl für die Größe der Sets, die hier aufgebaut wurden und die ein wenig an die Bilder aus Sarumans unterirdischen Ork-Katakomben in Herr der Ringe erinnern.
Im Anschluss daran beginnt die eigentliche Geschichte, für die man etwas in der Zeit zurück springt. Es werden einige Figuren vorgestellt, die im Verlaufe in japanische Gefangenschaft geraten und auf die Insel deportiert werden. Dort bemüht sich der Film, die Japaner möglichst unmenschlich darzustellen. Sowohl in puncto Gewaltanwendung als auch bei der „Musterung“ der Frauen für das Bordell der Insel sowie in den pädophilen Anspielungen zweier bestimmter Figuren – Battleship Island lässt keine Gelegenheit aus, die Besatzer als widerwärtige Übeltäter zu porträtieren. So viel ist klar: Als Zuschauer mit japanischen Wurzeln wird man hier wenig Unterhaltung finden und die Gewaltdarstellung, bzw. das menschenunwürdige Verhalten gegenüber Frauen ist oft grenzüberschreitend.
Was bei fernöstlichen Filmen oftmals gewöhnungsbedürftig ist, ist auch hier der teils bizarr wirkende Einsatz von humoristischen Einwürfen. Oftmals verliert man aufgrund der Verhaltensweisen mancher Charaktere ein wenig den Sinn für die eigentliche Dramatik der Situation. Das Auftreten der Musiker ist ein Beispiel dafür. Aber auch das Verhalten während und nach einem Grubenunglück nach etwas über 50 Minuten. Statt in lebensbedrohlicher Panik fliehen zwei der Grubenarbeiter eher wie zwei umherfuchtelnde Komiker vor dem herandonnernden Förderwagen.
Wer allerdings fleißig dabei bleibt, über die typischen Übertreibungen und Pathos-Schilderungen hinwegsehen kann, der bekommt individuelle Charaktere mit ebenso individuellen Hintergründen und vor allem packende Actionsequenzen. Das oben beschriebene Grubenunglück ist fiebrig intensiv inszeniert und profitiert vom hervorragenden und atmosphärischen Setdesign. Wenn nach etwa 90 Minuten ein ganz bestimmtes Ereignis eintritt, geht’s noch höher her und im Finale wird deutlich, wo die 21 Mio. Dollar Budget hingeflossen sind. Der von Koch Films auf Disk gepresste Director’s Cut nimmt sich gegenüber der Kinofassung noch einmal 18 Minuten mehr Zeit, um Hintergründe und dramatische Momente zu schildern, was zu einer Gesamtlaufzeit von gut zweieinhalb Stunden führt. Das kann schon mal ein wenig zäh werden, da Battleship Island nicht zwingend genug auf das Hauptereignis hinarbeitet. Spione, Überläufer und Kollaborateure – Themen, die der Film abseits vom Konflikt Japan-Korea-USA sowie den persönlichen Schicksalen und dem Fluchtaspekt auch noch unterzubringen versucht. Dennoch zieht sich die Spannungsschraube mit dem Angriff der Amerikaner merklich zu. In der halb zerstörten Inselstadt geht’s nurmehr ums Überleben und Im Angesicht eines zukünftigen Kriegsverlierers befehligen die Japaner Kurzschlussreaktionen, die dem Geschehen eine ganz neue Eigendynamik verleihen. Wer also über teils arg plakatives Pathos und eine sehr eindimensionale Schilderung des japanischen Gegners sowie die unpassend-skurrilen Humor-Situationen hinwegsehen kann, bekommt einen immer wieder rasanten und im Finale herausragend heftigen (und überraschend blutigen) Mix aus Historiendrama, Fluchtthriller und Actionfilm geliefert.
- Monumentales Meisterwerk über 400 koreanische Zwangsarbeiter auf Hashima Island und ihren waghalsigen Fluchtversuch in ein besseres Leben
- BATTLESHIP ISLAND ist ein weltweiter Festivalliebling und viellfach ausgezeichnet, u.a. auf dem Sitges International Film Festival
- Für Fans und Liebhaber des asiatischen Kinos ein absolutes Muss!
Bild- und Tonqualität
Battleship Island nutzt je nach entsprechender Stimmung entsprechende Stilmittel und Filterungen. Es beginnt mit grobkörnigen Schwarz-Weiß-Bildern, die sehr gut kontrastiert sind. Wechselt das Geschehen nach Japan, wird es bunt und wartet mit kräftigen Farben auf. Gerade Rot wird recht intensiv wiedergegeben. Durchgängig vorhanden ist ein gewisses Rauschen, das dem digital gedrehten Film entweder nachträglich hinzugefügt wurde oder durch eine sehr hohe ISO entstanden ist. In dunklen Schattenbereichen führt das schon mal zu sehr unschönen Rauschmustern. Andere Szenen wie jene nach 44 Minuten geraten sehr ruhig und rauscharm. Fieses Banding (auch gerne Solarisationseffekte genannt) gibt’s dann mal für einen kurzen Moment bei 137’00. Als echtes digitales Artefakt bedingt durch Kompressionsprobleme und geringe Bandbreite führt dies zu einer Abwertung.
Akustisch liefert die deutsche dts-HD-Master-Spur von Beginn an wunderbar räumlich ab. Wenn der klapprige Aufzug die Frauen und Männer in die Tiefe schickt, klappert, klackert und kracht es von überall. Man wird fast hineingesogen, in diese Szenerie und hört wunderbar, wie die Presslufthammer-Geräusche an der Kamera vorbeirauschen. Nach 3’20 gibt’s ein kleines Seebeben, was wuchtig unterstützt wird, während der darauf folgende Regen schön räumlich fällt. Die Schüsse nach 6’50 sind dann weitere Highlights, die trocken und dynamisch klingen – ebenso wie der heroische Score nach 8’20. Wenn im koreanischen Sektor nach etwas über 50 Minuten ein Grubenunglück geschieht, wird auch das mit sehr dynamischem Sound wiedergegeben und der Angriff der Amerikaner gerät nach 90 Minuten zum echten Soundhighlight. Wenn hier mit allerlei Kaliber gefeuert wird, Granaten explodieren und allerlei Detonationen das Bild bestimmen, werden Surroundspeaker und Tieftonkanal sehr nachdrücklich gefordert.
- Monumentales Meisterwerk über 400 koreanische Zwangsarbeiter auf Hashima Island und ihren waghalsigen Fluchtversuch in ein besseres Leben
- BATTLESHIP ISLAND ist ein weltweiter Festivalliebling und viellfach ausgezeichnet, u.a. auf dem Sitges International Film Festival
- Für Fans und Liebhaber des asiatischen Kinos ein absolutes Muss!
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Battleship Island wartet mit einem knapp zehnminütigen Making-of auf, das über die Entstehung des Films referiert und mindestens genauso voller Pathos ist wie der Film selbst. Da muss man schon mal das eine oder andere Auge zudrücken. Das Interview mit dem Regisseur läuft gut 12 Minuten und fand auf dem Sitges-Festival statt. Auch hier geht es vornehmlich um die Entstehungsgeschichte sowie um die Herangehensweise von Seung-wan Ryoo an Filme. Cast Greeting ist genau, was es heißt: Ein herzliches Hallo der Hauptdarsteller, die sich kurz in der Gemeinschaft vorstellen und allesamt recht sympathisch rüberkommen. Hinter den „Character-Videos“ verstecken sich kurze Porträts der Hauptfiguren. Ein paar Bilder, in denen die wichtigsten Stationen der Main-Charaktere dargestellt werden und man ihre Bedeutung für die Handlung nachvollziehen kann. Trailer in Kurz- und Langversionen schließen den Extrabereich ab.
Fazit
Battleship Island ist koreanisches Kino im epischen Format, was anhand des aufwändigen Produktionsdesigns sowie der großartig inszenierten Kämpfe und finalen Schlacht immer wieder offenbar wird. Die Charakterisierung der Japaner hätte allerdings kaum einseitiger ausfallen können und die Integration von Morricones The Ecstasy of Gold aus Leones Zwei glorreiche Halunken ist maximal frech (und unpassend). Wer fernöstliches Kino mag, wird allerdings seine Freude an dem emotional aufgeladenen Film mit Adrenalin-Finale haben.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 50%
Film: 65%
Anbieter: Koch Films
Land/Jahr: Südkorea 2017
Regie: Seung-wan Ryoo
Darsteller: Hwang Jung-min, So Ji-seob, Song Joong-Ki, Song Joong-Ki, Lee Jung-hyun, Su-an Kim, Lee Jeong-eun, Ye-eun Kim, Kyung-Hyun Jo
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, kor
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 151
Codec: AVC
FSK: 18
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Koch Films)
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Trailer zu Battleship Island
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Vielen Dank für den tollen und wirklich auch geschichtlich sehr interessanten Testbericht!
Ich hatte bislang nichts von dem Film gehört, nun habe ich richtig Lust auf die Sichtung des Films bekommen, wenn auch die beschriebene und scheinbar etwas unnötige Brutalität und Slapstik doch auch ein wenig vom Kauf abhält.
Beste Grüße!
Christian aus Mannheim.