Berlin Syndrom

Blu-ray Review

Berlin Syndrom Blu-ray Review Cover
Sony Pictures, 22.09.2017

OT: Berlin Syndrome

 


Hinter verschlossenen Türen

Thriller, der leise Töne anschlägt und gerade deshalb wirkt.

Inhalt

Clare ist Australierin, gönnt sich aktuell aber eine Auszeit im Ausland. Ihre Wahl fiel auf Berlin, wo sie ihrer Leidenschaft, der Fotografie nachgehen möchte. Sie interessiert sich für die Häuserfotografie und möchte gerne mal ein Buch über die Architektur der Ex-DDR verfassen. Eines Tages begegnet sie dem Deutschen Andi, der das Gespräch zu ihr sucht. Andi ist Englischlehrer und wirkt charmant und freundlich. Weil Clare sich in der Ferne durchaus etwas verloren fühlt, geht sie auf dessen Avancen ein, fährt schließlich mit zu ihm. Die beiden verbringen eine leidenschaftliche Nacht miteinander, bis Andi am nächsten Morgen zur Arbeit muss. Als Clare aufsteht, bemerkt sie, dass die Tür verschlossen und verriegelt ist. Sie denkt an einen Zufall und stellt Andi am Abend zur Rede. Der gibt an, aus Versehen die Schlüssel mitgenommen zu haben. Doch am nächsten Morgen ist die Tür erneut verrammelt und die Fenster, die sie versucht einzuschlagen, reagieren mit stoischer Ignoranz. Clare realisiert, dass sie gefangen und dem Willen und der Gewalt Andis ausgeliefert ist …

Die australische Regisseurin Cate Shortland lässt sich mitunter lange Zeit, bevor wie wieder ein Filmprojekt umsetzt. Nach Somersault von 2004 und Lore von 2012 vergingen nun erneut fünf Jahre, bevor sie mit Berlin Syndrom nachlegte. Von der Beschreibung her ein Thriller, gelingt es der Filmemacherin erneut, die Zwischentöne zu treffen. Schon die Einführung wird sensibel geschildert, ohne jede Aufregung inszeniert und erhält so einen fast schon dokumentarischen Touch. Berlin wird dabei zum dritten Hauptdarsteller – allerdings nutzt der Film hierfür eher graue Bilder und zeigt die (noch) nicht restaurierte Fassade der Großstadt. Augenblicklich stellt sich ein melancholisches Gefühl ein, das den Film atmosphärisch begleitet. Aber nicht nur die ersten 15 Minuten sind einfühlsam inszeniert. Auch die Annäherung zwischen den beiden Protagonisten und ihre ersten körperlichen Begegnunten geraten fast schon poetisch schön. Wenn sich die Hände der beiden in Andis Wohnung erstmals finden, könnte man fast schon meinen, es entwickle sich ein romantisches Drama. Selbst dann, wenn Berlin Syndrom keinen Hehl mehr daraus macht, in welche Richtung es geht und Clare sich eingesperrt in Andis Wohnung wiederfindet, ist das nicht die aufgeregte Art, die man aus US-Filmen kennt. Weder überdreht die Hauptfigur hysterisch, noch verfällt sie in Weinkrämpfe. Ganz im Gegenteil: Clare verhält sich intelligent und rational. Sie bemüht sich, ihren Peiniger nicht zu provozieren, um ihre Situation nicht noch zu verschlimmern. Und selbst wenn sie für einen Moment impulsiv reagiert, blendet Shortland weg und filmt die gedämpften Schreie vom Innenhof des verlassenen Gebäudes aus. Selbst wenn Andi Clare fesselt und sie auf dem Bett fixiert, findet sie dafür Einstellungen, die nicht effektheischend, sondern fast berührend sind. Natürlich läuft der Film dabei Gefahr, das Geschehen zu verharmlosen, was ihn aber umso perfider und hinterhältiger werden lässt.

Vordergründigkeit ist überhaupt nicht die Sache von Berlin Syndrom. Der Horror und der Thrill steckt unter der Fassade und wird schon früh angedeutet, wenn Andi in seinem Auto während einer gemeinsamen Fahrt die Türverriegelung betätigt. Getragen wird der Film von seinen beiden Hauptdarstellern, die ihre Rollen hervorragend spielen. Teresa Palmer (Lights Out) wirkt so komplett ungeschminkt und mit deutlichen Augenringen wie ein perfektes Opfer. Außerdem passt der Look zu ihrer Rolle der Touristin; zu einer, die auf der Suche ist und so schlägt sich der Zuschauer augenblicklich auf ihre Seite. Max Riemelt in der Rolle des Andi gibt den Bösewicht unterschwellig bösartig mit einer verstörend sanften und bekümmerten Note. Man weiß früh, dass es einen bestimmten Grund für sein Verhalten gibt und man es hier nicht einfach nur mit einem psychopathischen Irren zu tun hat. Allerdings hätte man sich am Ende etwas mehr Hintergrundwissen gewünscht und auch ein paar mehr Informationen über vermeintliche frühere Opfer.
Die Herkunftsunterschiede der beiden Darsteller bewirken indes genau die Exotik, die es braucht, um das für Clare Fremdartige zu vermitteln. Man sieht zwar auch, dass deutsches Schauspiel sich deutlich vom internationalen Agieren unterscheidet, doch hier ist es passend und intensiviert die Spannung. Vielleicht ist Berlin Syndrom, der tatsächlich vollständig in der Hauptstadt gedreht wurde, bisweilen ein bisschen zu ausgedehnt geraten, was ihm im Mittelteil etwas zu sehr die Fahrt rausnimmt. Doch spätestens, wenn nach 70 Minuten mit einer Ausprägung des im Filmtitel implizierten Stockholm-Syndrom ein Wendepunkt eingeläutet wird, folgt man dem Film, der auch als Metapher auf das totalitäre System der DDR gedeutet werden kann, wieder ohne Einschränkung.

Bild- und Tonqualität

Berlin Syndrom hat ein relativ ruhiges Bild, das nur geringfügig Körnung offenbart und ansonsten sehr rauscharm bleibt. Hin und wieder zeigt sich leichtes color banding auf uniformen Farb-Hintergründen. Die Schärfe geht durchweg in Ordnung, schält Objekte auch deshalb meist gut heraus, weil gerade Close-ups durch den Einsatz von deutlicher Schärfen-Untiefe mittels entsprechender Optiken hervorstechen. Durch die Bank eher schwach ist der Kontrastumfang, der sich erst in Nachtaufnahmen etwas hervortun kann, während der gut ausgeleuchteten Szenen aber meist eher flau bleibt.
Akustisch ist Berlin Syndrom ein Film, der leise Töne anschlägt und auch den Horror nur mit sehr dezenten Geräuschen unterstützt. Die kommen in der Regel aus den vorderen Lautsprechern und öffnen den Raum nur selten mal nach hinten. Selbst die städtische Atmosphäre Berlins kommt kaum mal aus den Surround-Speakern. Der Center dominiert das Geschehen dauerhaft, präsentiert die Stimmen dafür sehr gut verständlich. In der deutschen Fassung spricht Teresa Palmer übrigens Deutsch, während die Originalversion ab und an deutsche Dialoge liefert, die dann entsprechend untertitelt wurden.

Bonusmaterial

Neben Trailer und Trailershow gibt’s noch ein viertelstündiges Making-of, das die Geschichte kurz rekapituliert und dann näher Bezug nimmt auf die Anfänge der Produktion. Auch über die Locations und die Kostüme berichtet man ausgiebig.

Fazit

Gerade für deutsche Zuschauer ist Berlin Syndrom doppelt interessant. Der Schauplatz Berlin trägt entscheidend zur Atmosphäre bei und die Spannung des subtilen Thrillers funktioniert ohnehin hervorragend.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 40%
Film: 80%

Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: AUS 2016
Regie: Cate Shortland
Darsteller: Teresa Palmer, Max Riemelt, Matthias Habich, Emma Bading, Elmira Bahrami, Christoph Franken, Lucie Aron, Nassim Avat, Malin Steffen, Thuso Lekwape,
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 112
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Berlin Syndrom

BERLIN SYNDROME - Trailer - On Digital & DVD

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