Blu-ray Review
OT: Rams
Traurige alte Männer
Was fürs Herz und was zum Lachen.
Inhalt
Irgendwo im äußersten Westen Australiens züchten und betreuen die Brüder Les und Colin Schafe. In trauter Zweisamkeit, könnte man meinen. Immerhin stammen ihre vierbeinigen Wollknäule aus dem gleichen Familien-Stammbaum. Doch Seite an Seite Schafe auf die Weide zu schicken, heißt nicht, dass man sich mag. Seit 40 Jahren schon sprachen die zwei nicht mehr miteinander. Über ihre Herden und die jährlichen Zuchtmeisterschaften tragen sie ihre erbitterte Konkurrenz aus. In diesem Jahr zog Colins Bock den Kürzeren. Les‘ Pracht-Widder ergatterte den Sieg. Doch die Freude währt nicht lange. Colin entdeckt, dass der preisgekrönte Bock seines Bruders eine ansteckende Schafskrankheit hat. Kaum kommt das heraus, werden die Behörden auf den Plan gerufen. Und die wollen gleich sämtliche Schafe der kompletten Umgebung keulen. Natürlich ist Les erst einmal stinksauer auf Colin. Denn der hatte das Ganze ja erst ins Rollen gebracht. Doch auch Colin leidet unter seinem Fund. Denn das Veterinäramt wird nun wohl oder übel die gesamten Schafherden der Umgebung abholen und keulen lassen. Mit einer gewissen List will er der Behörde ein Schnippchen schlagen. Doch selbst wenn das klappt, seinem Bruder Les wird der Verlust der Schafe das Herz brechen …
Widder können ziemlich sture Böcke sein. Das wissen nicht nur solche, dies sich mit Astrologie in der Partnerschaftsfindung auseinandersetzen, sondern auch Züchter der gleichnamigen Gattung Tier. In Jeremy Sims (Last Cab to Darwin) Dramödie sind es allerdings nicht die männlichen Schafe, die ihre Hörner aufeinanderprallen lassen, sondern deren Besitzer. Sims inszeniert mit Besser wird’s nicht (was im Deutschen eine unnötige Anlehnung an Nicholsons Hit Besser geht’s nicht ist und mit der Story an sich keine Verbindung aufweist) ein Remake. 2015 hatte der Isländer Grímur Hákonarson mit Rams (so auch der passendere englische Originaltitel des Remakes) die Geschichte um zwei verfeindete Schafszüchter-Brüder erstmalig verfilmt. Und mit dem Film auf internationalen Festivals für Beachtung gesorgt. Eine isländische Online-Zeitung hält seinen Rams gar für den zweitbesten Film des Landes überhaupt.
Schaut man sich nun den Trailer des Remakes an, könnte man vornehmlich von einer Komödie ausgehen, die mit Gags über Schafbesitzer auf Zuschauerfang geht. Und tatsächlich gibt’s zahlreiche (wirklich nette) Witze, die über die innige Verbindung zwischen Züchter und Schaf gemacht werden. Immerhin soll’s ganzen Herden an den Kragen gehen und immerhin wollen deren Besitzer das nicht zulassen. Da ist es doch ganz normal und nachvollziehbar, dass man sein geliebtes Vieh auch mal im Bad versteckt und aus der Wanne saufen lässt, um dem behördlichen Zugriff zu entfliehen.
Dass es aber ist nicht nur komisch, sondern durchaus melancholisch zugeht, merkt man dennoch von der ersten Minute an. Mit der wunderbar ausgewählten Musik, die eher leichte Moll-Töne anschlägt als in unbeschwertem Dur dudelt, sowie den wunderschönen eingefangenen Weiten der australischen Winterlandschaft, wird man eingestimmt auf einen tonal sehr differenzierten Film. Wie tief der Graben zwischen den beiden Brüdern ist, bekommt man dann auch direkt vermittelt. Wenn Colin hinter dem Zaun entdeckt, das ein kleines Lamm vor seiner toten Mutter steht und plärrt, muss er große Überwindung aufwenden, um den (wohlgemerkt niedrigen) Zaun überhaupt zu überklettern, sich das Lämmchen zu schnappen und es seinem Bruder unbemerkt ins Haus zu schmuggeln. Als Les daraufhin auf seine Veranda tritt, sieht er Colin nur noch von hinten mit dem Finger zu dem Ort zeigen, wo die tote Mutter liegt. Es braucht nur diese paar Bilder, um klarzumachen, wie die Verhältnisse zwischen den beiden sind. Und es braucht nur zwei Darsteller wie Sam Neill (Jurassic Park) und Michael Caton (My Home is my Castle), um mit spröder Anmut den richtigen Mix aus Bockigkeit und doch tief verwurzelter Zuneigung darzustellen.
Wunderbar ist auch die charmante Beschreibung des jährlichen Bock-Wettbewerbs, bei dem die Züchter der Gegend und natürlich auch viele Schaulustige zusammentreffen. Man merkt, wie eingeschworen diese Gemeinschaft ist und wie groß die Verbundenheit mit ihrem Beruf ist. Der Film nimmt sich Zeit, diese Augenblicke in authentische Bilder zu verpacken und das ländliche Flair zum Zuschauer zu übertragen. Denn auch darum geht es: Um das Bewahren von Traditionen, um das Verständnis für althergebrachte Arbeit und die Verbundenheit zu Tier und Natur. Bisweilen wird das zwar arg plakativ geschildert (wenn der Sesselpuper-Städter sich auf Colins Farm über mangelndes Handynetz beschwert), doch das ändert nichts am bewegenden Kern.
Denn hier geht’s neben der eigentlichen Bruder-Geschichte auch um Existenzgrundlagen. Darum, dass Colin und Les in ihrer Schafherde eine Familie sehen. Wie bitter das für Colin ist, wird nach 35 Minuten spürbar, wenn er der Exekutive des Veterinäramts zuvor kommt. Wer da keinen Kloß im Hals hat oder sich nicht vorstellen kann, wie bitter dieser Akt für einen Tierfarmer ist, der sitzt dann definitiv im falschen Film.
Selbstverständlich aber gibt’s genug humorvolle Momente, in denen Besser wird’s nicht die melodramatischen bis tragischen Momente mit warmherzigem bis skurrilem Witz kontert. Wie beispielsweise das Aufeinandertreffen der emanzipierten und aus England stammenden Veterinärin mit den doch eher grobschlächtigen Schafbauern aus Australien. Wenn Letztere den einen oder anderen dezent unangebrachten Spruch fallen lassen, weiß die Ärztin das mit einem gezielten Blick zu kontern. Ohnehin werden die Frauenfiguren hier durchweg sehr emanzipiert dargestellt, was im Zusammenspiel mit den etwas rustikaleren Herren stets für augenzwinkernden Humor sorgt. Und wenn Colin später mit seiner geschrumpften Herde die Nacht ausnutzt, um ihnen etwas Natur zu geben, schmunzelt man gerne mal ein bisschen. Man sollte allerdings keinen Actionfilm erwarten. Das Erzähltempo ist behäbig und es gibt nicht sonderlich viele Höhepunkte. Die dramatischen Höhepunkte bleiben meist aus und in seiner Unaufgeregtheit verbreitet Besser wird’s nicht die Atmosphäre eines Straight Story von David Lynch.
- Wunderbare Feelgood-Komödie um zwei sympathische Sturköpfe, die davon handelt, dass man im Leben manchmal über den eigenen Schatten springen muss
- Toller Cast mit dem dreifachen Golden Globe-Nominee Sam Neill, Michael Caton und der zweifach Oscar-nominierten Miranda Richardson
- Inszeniert von Jeremy Sims, der mit LAST CAB TO DARWIN bewiesen hat, dass er einer der australischen Top-Regisseure ist
Bild- und Tonqualität
Besser wird’s nicht erscheint auf Blu-ray trotz seiner digitalen Herkunft und dem Dreh mit ARRI-Alexa-Kameras mit einem rustikaleren Bild. Es ist nicht sonderlich gut aufgelöst, was immer dann auffällt, wenn die Kamera aus Halbtotalen filmt. Close-ups geraten ansprechend – meistens jedenfalls. Dafür ist der Schwarzwert eher mau und auf dunklen Bereichen verfärbt sich das Geschehen etwas ins Grünliche. Helle Oberflächen überstrahlen zudem etwas. Ansonsten ist die Laufruhe ganz gut und lässt nur auf feineren Details in Bewegungen etwas nach.
Überraschend, wie druckvoll der einleitende Folkloresong hinab spielt, wenn der Basslauf gleich mehrfach eine gewisse Kontrolle übers Geschehen bekommt. Auch die Räumlichkeit und Offenheit der Filmmusik ist beachtlich. Das gesamte Lautsprecher-Ensemble wird hier wunderbar ausgefüllt – überraschend für einen Film mit einem eher ruhigen Thema. Und ruhig ist er ansonsten hauptsächlich. Außer Dialogen und ein wenig Schafblöken passiert nicht sonderlich viel. Obwohl, das ist ein bisschen gelogen. Denn nach 18’53 donnern ein paar Gewehrschüsse durch den nächtlichen Regen, was für erstaunlich dynamische Momente sorgt. Dialoge bleiben derweil stets gut verständlich und wurden ausgewogen integriert.
- Wunderbare Feelgood-Komödie um zwei sympathische Sturköpfe, die davon handelt, dass man im Leben manchmal über den eigenen Schatten springen muss
- Toller Cast mit dem dreifachen Golden Globe-Nominee Sam Neill, Michael Caton und der zweifach Oscar-nominierten Miranda Richardson
- Inszeniert von Jeremy Sims, der mit LAST CAB TO DARWIN bewiesen hat, dass er einer der australischen Top-Regisseure ist
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Besser wird’s nicht enthält neben einem neunminütigen Interview mit Sam Neill immerhin sechs Kurzfeaturettes, die am Stück abgespielt werden können und sich unter anderem um die Besetzung, das Drehen mit Schafen oder die Inszenierung der Feuerszenen kümmern. Außerdem geht man darauf ein, wie man das Remake gestalten wollte – ausgehend vom isländischen Original. Regisseur Sims gibt zu Protokoll, dass er die Idee zunächst lächerlich fand und erst bei näherem Überlegen darauf kam, dass solche Familiensagen immer und immer wieder erzählt werden können. Insgesamt 20 Minuten laufen die Extras und sind (wie Neills Interview) deutsch untertitelt.
Fazit
Besser wird’s nicht mag langsam erzählt und arm an typischen Höhepunkten sein. Dafür aber erzählt er eine zu Herzen gehende Geschichte über die Einsamkeit zweier entzweiter Brüder. Und das tut er mit ebenso vielen tragischen wie skurril-komischen Momenten. Vielleicht erreicht das Remake nicht ganz die Qualität des isländischen Originals, punktet aber mit zwei tollen Darstellern und dem Setting in Australien.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 50%
Film: 75%
Anbieter: Koch Films
Land/Jahr: AUS 2020
Regie: Jeremy Sims
Darsteller: Sam Neill, Michael Caton, Wayne Blair, Miranda Richardson
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 119
Codec: AVC
FSK: 12
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Koch Films)
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Trailer zu Besser wird’s nicht
So testet Blu-ray-rezensionen.net
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- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
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- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
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