Big Eyes

Blu-ray Review

Big Eyes Blu-ray Review Cover
Studiocanal, seit 03.09.2015

OT: Big Eyes

 


Die Kunst hinter der Lüge

Tim Burton versucht sich mal an einer ganz konventionellen Geschichte.

Inhalt

Nordkalifornien 1958: Margaret tut, was Frauen zu dieser Zeit eigentlich nicht tun: Sie verlässt ihren ersten Ehemann mitsamt der Tochter und zieht zur Freundin in die große Stadt. Dort muss sich die Künstlerin erst einmal zurechtfinden, hält sie doch einen Cappuccino für „so etwas wie Marihuana“. Sie beginnt in einem Möbelgeschäft und bepinselt die hübschen Holzbetten. Privat geht sie ihrer Leidenschaft nach und malt für ein paar Dollar Porträts vorbeikommender Touristen. Ihre Spezialität sind die riesigen und melancholisch blickenden Augen, die sie ihren Modellen auf den Bildern verpasst. Außergewöhnlich findet das auch der kunstliebhabende Immobilienmakler und Freizeitmaler Walter Keane. Auch Margaret selbst findet er toll und hofiert sie übermäßig. Kein Wunder, dass die bisher vernachlässigte Frau die Avancen aufsaugt wie ein Schwamm und sich kurz darauf in einer neuen Ehe wiederfindet. Ab sofort unterschreibt Margaret ihre Bilder voller Stolz mit dem neuen Familiennamen Keane. Walter, der immer noch Potenzial in den Bildern sieht, stellt sie seinem Galeristen vor, der aber mit den Worten: „Das ist Malen nach Zahlen“ eine rüde Abfuhr erteilt. Doch der findige Marketingmensch in Walter lässt nicht locker. Er mietet die Wände in einem Club, hängt dort seine und die Bilder von Margaret auf und bekommt prompt positive Reaktionen – selbstredend nicht auf seine eigenen, langweiligen Stadtszenen, sondern auf die Porträts seiner Frau. Ein unglücklicher Zufall will es, dass er sich als Urheber der traurigen großen Augen ausgibt, was zum Selbstläufer wird, nachdem plötzlich jeder die Bilder haben will. Während der Konflikt zwischen Walter und Margaret wächst, wächst auch der Erfolg, der noch dadurch gesteigert wird, dass der findige Herr Poster und Postkarten der Motive drucken lässt. Doch irgendwann muss Margaret feststellen, dass die Lüge mit ihren eigenen Bildern nicht die einzige ist, die Walter in seinem Leben und ihr gegenüber getätigt hat …

Wenn ein Film mit den Worten „basierend auf wahren Begebenheiten“ beginnt, darf man schon mal skeptisch sein. Viele Werke versuchen damit lediglich eine schwache Geschichte zu kaschieren oder stehen für Ereignisse, die so berichtenswert dann doch nicht sind. Wovon Tim Burton nun aber in Big Eyes erzählt, ist sicherlich nur wenigen Menschen (vor allem in Deutschland) bewusst – und das, obwohl die Hintergründe beinahe unglaublich erscheinen. Die Tatsache, dass eine Künstlerin sich und ihre Bilder verleugnen musste (selbst vor der eigenen Tochter) und dabei vollkommen unter der Herrschaft ihres Mannes stand, ist umso unglaublicher, da diese Lüge ganze zehn Jahre lang aufrechterhalten wurde und es volle 26 Jahre brauchte, bis 1986 vor Gericht bestätigt werden musste, dass Margaret die Urheberin der Kunst ist. Man stelle sich mal vor: Nach Jahren, in denen beide für sich beanspruchten, die Bilder gemalt zu haben, wurden sowohl Margaret als auch Walter vom Gericht dazu aufgefordert, eins dieser typischen Werke anzufertigen. Erst dann sprach man Margaret die Urheberschaft zu, denn selbstredend flüchtete sich Walter in Ausreden, warum er nun gerade jetzt kein Bild malen könne. Tim Burton vermittelt in Big Eyes zunächst eine betont lockere Stimmung, lässt Christoph Waltz süffisant Marketing in eigener Sache betreiben, streut dann aber unvermittelt bittere Kommentare ein. Großartig beispielsweise, wenn ein Kunstkritiker neben Walter steht und ihn fragt, warum gerade er als erwachsener Mann vor allem Bilder von kleinen Mädchen mit großen Augen male. Erstmals entgleisen dem vorher so souveränen Lügenbaron die Gesichtszüge und er muss erneut Margaret um Hilfe bitte, sich eine plausible Erklärung zusammenzuschustern. Als jedoch die Presse unbarmherzig zuschlägt, kann er seine Frau nicht mehr um Hilfe bitten, sondern macht ihr stattdessen Vorwürfe. Das ist der Moment, in dem Margaret endlich aus ihrem Gefängnis ausbricht und die Flucht ergreift.

So ist Big Eyes dann nicht nur ein sehenswerter Film mit biografischen Zügen, sondern auch ein flammendes Plädoyer für die Selbstbestimmung der Frauen in den 50er und 60er Jahren – einer Zeit, in der Damen noch gefragt wurden, ob ihre Männer es okay finden würden, wenn sie einen eigenen Job annehmen. Während Burton den Fokus auf die Story legt und die Konzentration eigentlich auf Amy Adams in der Hauptrolle liegen sollte, fegt Christoph Waltz seine Schauspielkollegin (leider) ebenso dominant beiseite wie Walter seine Margaret. Seine extrovertierte Darstellung ist zweifelsohne erneut eine Meisterleistung, sorgt aber dafür, dass während der ersten 70 Minuten die Sorgen und Nöte Margarets etwas zu kurz kommen. Natürlich liegt das auch an der zurückhaltend agierenden Adams, die auf diese Weise klarmacht, wie sehr sich Margaret Keane untergeordnet haben muss. Die letzte halbe Stunde fängt sich das Ganze wieder etwas, wird aber von einer arg albernen Darbietung Waltz‘ vor Gericht auf ärgerliche Art und Weise ins Lächerliche gezogen. Hier hätte Burton ein wenig mehr Ernsthaftigkeit anordnen können. Gut, dass sich der Richter irgendwann besinnt und dem sich selbst verteidigenden Walter ein herzhaftes „Es reicht!“ entgegenschmettert, was der Zuschauer schon einige Minuten zuvor gerne gesagt hätte. Während des finalen Mal-Contests der beiden vor den Geschworenen passt der Humor dann wieder, denn das, was sich in Wahrheit abgespielt hat, gleicht eben jener Farce, die auch hier inszeniert wird. Optisch nimmt sich Tim Burton in Big Eyes übrigens stark zurück, lässt seine üblichen Skurrilitäten beiseite und stellt sich ganz in den Dienst der Geschichte. Einzig die bunte Hochzeit von Walter und Margaret erinnert an die übliche Bildsprache des Regisseurs. So ganz ohne Stilmittel kann er dann aber doch nicht, denn viele der jüngeren Darstellerinnen haben ganz bewusst große Augen und wurden entsprechend unterstützend geschminkt.

Bild- und Tonqualität

Während der erwähnten Szenen der Eheschließung zwischen Margaret und Walter regieren die bunten Bonbonfarben, die kräftig und kontraststark rübergebracht werden. Die Bildruhe ist zwar hoch, eine gewisse Körnung ist aber dennoch auszumachen. In Sachen Schärfe könnte Big Eyes jedoch etwas krisper sein, bleibt meist weich und wischt auch schon mal etwas nach. Akustisch ist in Big Eyes natürlich kein Effektfeuerwerk zu erwarten, jedoch sind die Filmscore-Sequenzen sehr räumlich und auch dynamisch geworden. Die Stimmen der deutschen Synchro sind zwar gut verständlich, allerdings verzerrt das Organ von Christoph Waltz während dessen emotionaler Ausbrüche schon mal. Lobenswert ist erneut, dass der Schauspieler sich selbst synchronisiert hat, was ihm, wie zuvor schon in Django Unchained, sehr gut gelungen ist.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Big Eyes wartet ein gut 20-minütiges Making-of, das recht entspannt rüberkommt und vor allem die Arbeit zwischen Burton und seinen Hauptdarstellern beschreibt. Auch erzählt der Regisseur, dass die Geschichte hinter Keane ihn schon immer interessiert hat. Zum Making-of gesellt sich dann noch ein Question and Answers nach einer Vorführung des Films in den USA. Anwesend sind die Produzenten, die Hauptdarstellerin sowie Margaret Keane selbst.

Fazit

Big Eyes ist Tim Burtons bisher geradlinigster Film und kommt überraschend gewöhnlich daher – selbst Big Fish war seinerzeit trotz konventioneller Geschichte noch geradezu abgedreht gegenüber Big Eyes. Dafür unterhält er aber durch seine unglaubliche Geschichte und zwei sehr gute Darsteller. Das nächste mal darf Burton aber gerne wieder ein bisschen skurriler oder wahlweise gruselig-düsterer werden.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 30%
Film: 70%

Anbieter: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Tim Burton
Darsteller: Amy Adams, Christoph Waltz, Danny Huston, Jon Polito, Krysten Ritter, Jason Schwartzman, Terence Stamp, Delaney Raye
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 106
Codec: AVC
FSK: 6

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