Blu-ray Review
OT: Blade Runner 2049
Im Angesicht des Pferdes
35 Jahre nach dem Original nun die Fortsetzung.
Inhalt
Dreißig Jahre ist es her, dass Rick Deckard Jagd auf Replikanten machte und sie in den Ruhestand versetzte. Seitdem hat sich einiges geändert – zumindest im Hinblick auf die künstlichen Menschen. Diese hegen keine aufbegehrenden Gedanken gegen ihre Erschaffer mehr und sind in die Bevölkerung weitgehend integriert – zumal sie nun WIRKLICH nur so lange in Betrieb sind, wie ihre Programmierung es zulässt. Dennoch gibt es noch vereinzelte alte Modelle, die sich aufgrund ihrer unbeschränkten Lebenserwartung in den Untergrund verkrochen haben. Diese macht Replikant „K“ ausfindig und – Überraschung: Schickt sie in den Ruhestand. Um sich von seinem Alltag abzulenken, lebt er mit Joi, einer holografischen Frau zusammen. Mit der unterhält er sich und lässt sich von ihr virtuelles Essen kredenzen. Dann jedoch passiert etwas Außergewöhnliches: Es werden Überreste eines weiblichen Replikanten gefunden, der offenbar Leben geboren hat. Das ist für den neuen Chef der Tyrell Corporation, Niander Wallace, ein historischer und bedeutsamer Fund. Andere, wie Ks Polizeichefin Lieutenant Joshi fürchten, dass dieser Fund einen Krieg zwischen Replikanten und Menschen auslösen könnte. Sie schickt „K“ auf die Suche nach dem mittlerweile erwachsenen Nachkommen, um ihn zu liquidieren. Diese Suche wird „K“ allerdings auf eine äußerst delikate Wahrheit führen …
Ganze 35 Jahre nach dem Original erscheint nun die Fortsetzung eines DER Kultstreifen des Sci-Fi-Genres. Lange spielte man mit dem Gedanken, die Geschichte von Blade Runner fortzusetzen, was nicht zuletzt auch daran scheiterte, dass man wusste, wie viel man den Fans schuldete und wie sehr diese Sturm laufen würden, beginge der zweite Teil Verrat am Erstling. Nun ist er da, Blade Runner 2049, dessen Jahreszusatz darauf schließen lässt, dass er exakt 30 Jahre nach der Geschichte von Rick Deckard ansetzt. Dreieinhalb Jahrzehnte sind eine lange Zeit und vielleicht ist der zweite Blade Runner damit sogar die Fortsetzung eines Originals, auf die man aus filmhistorischer Sicht bisher am längsten warten musste. 35 Jahre, in denen sich bei der Zuschauer-Wahrnehmung viel getan hat – wenngleich auch Scotts Film heute durchaus noch visionär erscheint. Dennoch wusste man natürlich, dass man zeitgleich neue Fans würde gewinnen müssen, während man dem Original über möglichst respektvoll arbeiten müsste. Die Voraussetzungen erschienen gut, hatte man mit Denis Villeneuve doch einen Regisseur gefunden, der sich mit Prisoners, Enemy und Sicario doch einen außerordentlich guten Ruf erarbeitet hatte. Noch dazu bewies er, dass er gerade das Düstere in seinen Geschichten beherrscht. Es wird wohl keiner glaubwürdig behaupten können, dass Prisoners ein sonderlich optimistischer Film ist. Der frankokanadische Regisseur hat ein Gespür für die Abgründe seiner Figuren und diese Fingerfertigkeit in Sachen „dunkle Seele“ beherrscht er eben auch in Blade Runner 2049.
Allerdings hatte er dabei Hilfe. Denn was Kameramann Roger Deakins und Szenenbildner Dennis Gassner hier gemeinsam entwerfen, steht dem Look und der visuellen Gewalt des Originals in Nichts nach. Konsequenterweise wirkt die Erde, wirkt das Los Angeles des Jahres 2049 noch trostloser und leerer. Pflanzen und Tiere sind mittlerweile völlig ausgestorben und ein smogartiger Nebel hängt über dem Geschehen. Dennoch hat sich die Technik noch weiterentwickelt, was die Macher zur Idee mit den Hologrammen geführt hat und auch den Alltag noch stärker technologisiert schildert. Man merkt Blade Runner 2049 in jeder Einstellung an, dass er den Geist des Originals atmet und konsequent fortführt, ihn nicht etwa verrät. Das macht sich im Übrigen auch im Erzähltempo bemerkbar. Man sollte so ehrlich sein und konstatieren, dass auch das Original kein rasanter Film mit aneinandergereihten Actionszenen war. Auch Scott ging es primär um die philosophischen und technologiekritischen Aspekte der Vorlage von Philip K. Dick. Villeneuves Film nimmt sich für seine Geschichte noch wesentlich mehr Zeit und breitet sein Szenario auf epischen 164 Minuten aus. Heutigen Sehgewohnheiten entspricht das nicht (immer) und auch hier muss man sich auf die zahlreichen Meta-Ebenen einlassen.
Von denen gibt es abermals gleich mehrere: Vornehmlich geht es auch hier um die Menschlichkeit, um das Menschsein. Stärker noch als im Original verfolgt Blade Runner 2049 die Möglichkeit, dass die Replikanten „more human than human“ sind, es möglicherweise überhaupt keine Menschen mehr gibt, die sich menschlich verhalten. Zudem kann man die Replikanten auch sehen als Metapher für den im Moloch der Zukunft verkümmerten Menschen. Dieser sehnt sich danach, wieder frei und unbestimmt zu sein, aus der Versklavung der Technologisierung herauszutreten – etwas, nach dem sich auch die Replikanten sehnen. Im besten Sinne darf man eine Interpretation zulassen, nach der der Film ein Weckruf ist für die Menschheit, sich wieder auf das zu konzentrieren, was sie ausmacht – eine Seele zu haben, den Wunsch nach Liebe und Schönheit. Interessanterweise geht dieser Gedanke gleichermaßen im Verlaufe des Films in eine neue Ebene über, je mehr K vermutet, tatsächlich geboren worden zu sein.
Doch es gibt ja nicht nur die innewohnenden Interpretationsebenen, sondern auch eine ganze Menge Film. 165 Minuten Film, wie bereits erwähnt. Und in dieser wahrlich nicht kurzen Laufzeit bekommt der Zuschauer zwei vorherrschende Stilmittel: Langsame Erzählstruktur und visuelle Einzigartigkeit.
Beides bedingt sich allerdings mitunter gegenseitig. Während viele Action-/Sci-Fi-Filme der letzten Zeit vornehmlich hektisch und schnell sind, nimmt sich Blade Runner 2049 alle nötige Zeit, um seine Geschichte zu erzählen und mit Bildern anzureichern, die gerade deshalb wirken, weil sie nicht in ultraschnellen Schnitten vor dem Auge herumflimmern, sondern weil man sich auf sie konzentrieren kann. Das Innere von Wallace‘ Quartier mit seinen Ockertönen und der allgegenwärtigen Spiegelung einer Wasseroberfläche ist dermaßen berauschend und schön, dass man sich gar nicht daran satt sehen kann. Glücklicherweise darf man sie sich lange genug anschauen und wird nicht von Schauplatz zu Schauplatz gehetzt. Schon der Gang durch die Archive auf der Suche nach Daten von Rachael ist ein absoluter Augenschmaus. Was die Langsamkeit angeht, werden sicherlich viele Sci-Fi-Fans zwischendurch ungeduldig werden. Villeneuve lässt seine Figuren fast ausnahmslos in gefühlter Zeitlupe und zudem meist flüsterleise sprechen. Das hat bisweilen etwas Esoterisches, unterstreicht aber die Konzentration auf das transzendentale Element der Geschichte. Mit anderen Worten: Ein hektisch geschnittener Blade Runner würde das Original in höchstem Maße disrespektieren.
Wer das langweilig findet, für den ist die Welt, die Scott seinerzeit erschaffen hat und die Villeneuve nun erweitert, schlicht nichts. Alle anderen dürfen sich auf einen Sci-Fi-Sequel freuen, das heute genauso wegweisend sein sollte wie das Original damals. Und auf einen Film, dessen Hauptdarsteller die perfekte Besetzung darstellt. Er ist letztlich der emotionale Ankerpunkt in einem Film, der von kühlen Figuren beherrscht wird. Ryan Gosling stellt die Wandlung seiner Figur glaubwürdig dar und sein verträumter Blick passt gut zu seinem Alltag, der zunächst stumpfen Abläufen folgt. Neben Harrison Ford, dessen Gastauftritt natürlich eine Freude für die Fans ist, überzeugt einer, von dem man es eigentlich so gar nicht unbedingt erwarten würde. Aber gerade Ex-MMA-Fighter Dave Bautista etabliert sich mit fortschreitendem Alter als ernstzunehmender Schauspieler. Seine Rolle mag kurz sein, sie ist aber voller Seele und Menschlichkeit. Schön fies und kaltblütig sind Robin Wright als Lieutenant Joshi und Sylvia Hoeks in der Rolle der gnadenlosen Luv.
Bild- und Tonqualität BD
Blade Runner 2049, das ist schon von der ersten Einstellung an klar, gibt sich visuell keine Blöße. Bis auf eine bewusst etwas hochgefahrene Helligkeit und einen damit etwas reduzierten Kontrastumfang während gut ausgeleuchteter Momente, gehört das Bild der Blu-ray zum absolut Besten, was man zuletzt in Sachen Realfilm sehen durfte. Die Bildruhe ist bestechend – gerade in ruhigen Aufnahmen kann man jeden Umriss absolut klar erkennen. Selbst in Bewegungen allerdings gibt’s keine Probleme und keinerlei Nachwischen oder ähnliches. Dazu gesellt sich eine exorbitant gute Schärfe, die in Close-ups selbst beim (noch) jungen Ryan Gosling entsprechende Fältchen sichtbar werden lässt. Aber auch feine Details in der Ausstattung werden plastisch herausgearbeitet. Die Farbgebung ist natürlich bisweilen bewusst an die Stimmung und Atmosphäre angepasst. So sind bspw. viele Szenen in ein grünliches Licht getaucht, wiederum andere wurden bewusst kühl gehalten. In der Außenwelt dominierten dann wieder leichte Brauntöne das Geschehen. Stets ist das aber passend gewählt und niemals überdramatisiert – wenngleich es in Deckards Behausung schon sehr rotgold leuchtet. Das Schönste zum Schluss: Zuletzt so oft gesichtete Randunschärfen gibt’s hier gar nicht.
Beim Sound muss man sich für die Blu-ray noch mit hochwertigem 2D-Ton begnügen. Beide Tonspuren von Blade Runner 2049 liegen in dts-HD-Master vor und geben dort ihr Bestes. Und das tun sie (fast) ohne Einschränkungen. Mit „fast“ ist dann die deutsche Synchro gemeint, die zwar einerseits sehr hochwertig umgesetzt wurde, es bei den verhallten Szenen zwischen Niander Wallace und Luv aber übertreibt. Während die Originalfassung hier noch gut verständlich bleibt, ist es im Deutschen dann doch mit etwas zu viel Nachhall belegt (37’30).
Das war’s aber auch mit Kritik. Denn das, was der Film ansonsten an Basswucht, Dynamik und Effektreichtum abfackelt, ist in der Form lange schon nicht mehr ans Gehör gelangt. Die Soundkulisse in den verregneten Straßen von L.A. ist allgegenwärtig, der geniale Score legt sich weit gefächert auf allen Lautsprechern nieder und die Szenen, in denen tatsächliche Action-Elemente das Geschehen bestimmen, gehören akustisch zur allerersten Sahne – inklusive vehement eingesetztem Subwoofer in diversen Szenen und während einiger Bass-Sweeps (bspw. .während der Explosion bei 107’20).
Bild- und Tonqualität UHD
Abseits vom (etwas) besseren Bild der UHD hat die 4K-Scheibe einen unbestreitbaren Vorteil: Sie liefert Dolby Atmos für den Originalton – jedoch leider nicht für die deutsche Fassung. Glücklicherweise wird diese aber nicht downgegradet, sondern bleibt der hervorragenden dts-HD-MA-Spur der BD treu. Aber zurück zur 3D-Soundfassung des Originals.
Denn was fackelt dieser Atmos-Soundtrack für ein Feuerwerk ab. Vom ersten Moment des Augenaufschlags an, der mit einem vehementen Bass-Sweep ins Heimkino gelangt und bereits den Soundtrack über ALLE Lautsprecher zum Zuhörer befördert über Ks Gefährt, das dröhnend über den Köpfen anhält und landet (3’35) bis hin zum leichten Wind, der ebenfalls raumfüllend wiedergegeben wird. Wer mal so RICHTIG Alarm machen möchte und wer sowohl in Sachen 2D- als auch 3D-Sound eine Referenz braucht – hier ist sie. Weiter geht’s mit Ks Anflug auf die Basis des LAPD und die unglaublich zahlreichen elektronischen Geräusche sowie die Computerstimme, die den Blade Runner prüft – alles kommt mit unfassbar direktionalen Geräuschen. Die Stimmen in den Schluchten der düsteren Stadt – eine Atmosphäre wie diese hat man bisher noch in keinem Film mit Atmos-Sound erlebt. Wenn das Geschehen in das Gebäude von Wallace wechselt, wird auch der Hall der Stimmen dezent von oben wiedergegeben und das sägende Geräusch auf den verregneten Straßen von L.A. ist dermaßen wirkungsvoll, dass man als Zuschauer das Frösteln bekommt (43’00). Über allem schwebt zudem der Score von Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch, der sich ganz bewusst und sehr deutlich an jenem von Vangelis orientiert und im Original für Furore sorgte. Auch in Blade Runner 2049 stellen die elektronischen Töne eine großartige Atmosphäre her und kommen schwebend von überall, steigern sich bisweilen zu einem infernalischen Chor (59’20). Sensationell sind die auf K und Joi abgefeuerten Geschosse, die den Gleiter zum Absturz bringen – eine richtig geniale Soundsequenz (ab 60’30). Selbst wenn es danach storybedingt mal für eine Dreiviertelstunde etwas zurückhaltender bleibt (wozu Soundeffekte, wenn die Story es nicht benötigt) geht es spätestens während der Attacke in Kapitel 12 wieder richtig los (ab 118’00) und auch die Flugsequenz in Kapitel 15 langt richtig zu (ab 138’30).
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Blade Runner 2049 wartet zunächst mal das Featurette: „Die Entstehung der BLADE RUNNER Welt“, die beschreibt, wie sich die Optik vom Original zur Fortsetzung unterscheidet und warum das so ist. Ridley Scott entfährt hier schon mal ein leidenschaftliches (und überpiepstes) „F*ck“, wenn er sagt, warum es in seinem 82er Film ständig regnete. Gut 22 Minuten läuft dieses Extra. In „Prolog“ gibt’s die drei Kurzfilme 2022: Blackout, 2036: Nexus Dawn und 2048: Nowhere to Run. Die wurden auf Initiative von Villeneuve angefertigt, um die Events zu porträtieren, die zwischen dem Originalfilm und der Fortsetzung passierten. Während 2022 von Watanabe im Anime-Stil gehalten ist, setzt Ridleys Sohn Luke Scott in 2036 und 2048 auf Realfilm-Aufnahmen mit den Darstellern aus dem Feature-Film. Wer also ein paar mehr Infos haben möchte, bevor (oder nachdem) er 2049 gesehen hat, der schaut hier auf jeden Fall rein. „Blade Runner für Anfänger“ ist dann ein sechsteiliges Featurette mit einer Gesamtlaufzeit von elf Minuten. Hier erfährt der bisher vom Universum unbedarfte Zuschauer, wie die Welt funktioniert, wer die Blade Runner sind und was hinter der Wallace Corporation steckt.
Fazit
Blade Runner 2049 ist eine würdige Fortsetzung des Originals und visuell ein absoluter Leckerbissen. Die langsame Erzählform passt zur Geschichte und dem Universum, das Ridley Scott seinerzeit erschuf, wird aber sicherlich nicht jedem passen.
Für Heimkino-Fans absolut passend sind Bild und Ton der BD und UHD. Beide erreichen fast Referenzwerte und werden von einem extrem räumlichen dts-HD-Mastersound in Deutsch und einem der besten Atmos-Scores fürs Original (nur UHD) begleitet, den man bisher gehört hat.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität BD: 90%
Bildqualität UHD: 90%
Tonqualität BD/UHD (dt. Fassung): 95%
Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 100%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 85%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 100%
Bonusmaterial: 80%
Film: 85%
Anbieter: Sony Pictures Entertainment
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Denis Villeneuve
Darsteller: Ryan Gosling, Harrison Ford, Ana de Armas, Jared Leto, Robin Wright, Dave Bautista, Edward James Olmos, Carla Juri, Sylvia Hoeks, Elarica Johnson, Mackenzie Davis,
Tonformate BD: dts-HD-Master 5.1: de, en
Tonformate UHD: Dolby Atmos (True-HD-Kern): en // dts-HD-Master 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 163
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Real 4K: Jein (4K DI vom 3,4K-Master)
High Dynamic Range: HDR10
FSK: 16
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots: © 2017 Warner Bros. All Rights Reserved.)