Blu-ray Review
OT: Blair Witch
Sieh sie nicht an!
16 Jahre nach den Vorfällen in den Black Hills Wäldern spukt die Hexe wieder.
Inhalt
James findet im Netz ein Video, das angeblich in den Black Hills Forest aufgenommen wurde. Eben dort, wo seine Schwester Heather vor 16 Jahren verschwand. In einer kurzen, wackligen Szene meint er sie darin erkannt zu haben, weshalb er seine Freundin und ein befreundetes Paar dazu überredet, mit ihm in den Wald zu fahren und zu recherchieren. Vor Ort treffen sie auf diejenigen, die das Tape gefunden haben. Die machen zwar für das Preisgeben ihrer Geheimnisse zur Bedingung, ebenfalls mit in den Wald kommen zu dürfen, doch sechs Augenpaare sehen ja ohnehin mehr als vier. Allerdings sind die zwei Einheimischen ein wenig strange, was gerade bei James‘ Kumpel Peter die sarkastische Ader weckt. Während man sich also nicht so ganz grün ist, dringt man tiefer und tiefer in den Black Hills Forest ein und verirrt sich schließlich. Während der Nacht beginnt der Wald dann ein mysteriöses Eigenleben zu entwickeln und einer Teilnehmerin der Gruppe geht es nach einer Verletzung zunehmend schlechter. Werden James und seine Freunde überhaupt wieder den Weg hinaus finden?
Wie man aus 60.000$ Produktionskosten einen weltweiten Erlös von knapp 250 Mio. Dollar macht, haben 1999 die beiden Regisseure Daniel Myrick und Eduardo Sanchez eindrucksvoll bewiesen. Ihr Blair Witch Project stellte den Beginn des Found-Footage-Horror-Booms dar, der bis heute anhält und damals zigtausende Kinozuschauer verängstigt aus dem Kino entließ. Vielleicht war es auch die konsequenteste Herangehensweise an das Thema, hatte man die Schauspieler doch mit den Kameras und etwas Proviant im Wald tatsächlich alleine gelassen und nur kleinere Drehbuchanweisungen gegeben. Einziger Kontakt zur Außenwelt war ein Walkie-Talkie. Dass man im Vorfeld der Kinoauswertung zudem bewusst lancierte, es handle sich um echtes Dokumentarfilm-Material, heizte die Reaktionen noch weiter an. Im Jahr darauf folgte dann eine Fortsetzung, die weder sonderlich erfolgreich war, noch künstlerisch überzeugen konnte. 16 Jahre später nun folgt mit Blair Witch ein weiteres Sequel, das sich etwas näher am Original hält, bzw. dessen Geschichte auf persönlicher Ebene aufgreift. Um auch hier ein wenig Mysterium im Vorfeld zu initiieren, kannten nur wenige das Drehbuch und die Produktion lief lange unter dem Titel „The Woods“, damit die Verbindung nicht geknüpft werden konnte. Erst kurz dem Kinostart ließ Regisseur Adam Wingard, der zuvor schon kleine Genre-Highlights wie You’re Next inszenierte, die Katze aus dem Sack. Ebenfalls filmte man wieder ähnlich. Zwar ließ man die Darsteller dieses Mal nicht alleine im Wald, doch auch hier durften die Protagonisten mit diversen unterschiedlichen Kameras selbst Kameramann spielen. Und weil man heutzutage 16 Jahre mehr an technischer Entwicklung aufzuweisen hat, kommen natürlich auch neumoderne Drohnen zum Einsatz, was noch mal für interessante Blickwinkel sorgt.
Während man allerdings dieses Mal nette Bilder aus der Vogelperspektive zusätzlich bekommt, bleibt die Spannung zunächst auf der Strecke. Es dauert schon eine Weile, bis sich im Wald so etwas wie Angst breitmacht und das Geplänkel der Gruppe, das man bis dahin zu hören bekommt, ist eben schlicht belanglos. Warum sollte es da Blair Witch aber auch anders gehen als dem Original. Bei aller Bedeutung, die man dem Film für das Lostreten eines Subgenres beimessen muss – wirklich spannend war Blair Witch Project nicht. Sicherlich gibt es Menschen, die stärker auf diese Art von Grusel ansprechen als der Autor dieser Zeilen, doch selbst wenn es im Original endlich aufregend zu werden begann, nervte dessen Hauptdarstellerin mit enervierendem Gekreische und Rumgeheule. Heather Donahue mag seinerzeit so etwas wie eine neue Screem-Queen gewesen sein, die Nerven der Zuschauer strapazierte ihr Agieren dennoch massiv. Tatsächlich funktioniert der Grusel in Blair Witch teilweise sogar besser, was unter anderem auch den modernen technischen Aspekten und dem höheren Budget zu verdanken ist. Denn das versetzte Wingard in die Lage, mit Soundeffekten zu spielen, die von sich aus schon für Jumpscares sorgen und die Anspannung in entsprechenden Momenten lösen. Um es möglichst realistisch und im Dokustil zu halten, verzichtete man zudem auf klassischen Filmscore und reduzierte die Akustik auf Klangteppiche. Mal ist es ein tieffrequentes Grummeln, mal ein glockenartiger Ton. Egal, welcher Art dieser Sound ist, er verfehlt seine Wirkung nicht. Ebenso wenig wie die nächtlichen Waldgeräusche, die umstürzenden Bäume oder das Tiergegrunze, das hier für Panik sorgt. Glücklicherweise bleiben die Darsteller dieses Mal erfreulich auf dem Teppich und vermitteln glaubwürdige Angst, ohne vollständig hysterisch zu werden. Und, so viel muss man Blair Witch lassen: Die finalen Szenen in und unter der (ziemlich großartig designten und auf alt getrimmten) Hütte sorgen für einen deutlich erhöhten Adrenalinpegel – vor allem Klaustrophobiker werden hier mit Urängsten konfrontiert.
Bild- und Tonqualität
Wer bei Blair Witch ein lupenreines Bild erwartet, kennt das Genre schlecht. Schon alleine die Nutzung unterschiedlichster Videokameras sorgt für einen inkonsistenten Look. Dazu kommen pseudodokumentarische Aufnahmen der „Ermittlungen“ von damals, die noch schlechter aussehen. Rauschen/Korn ist allgegenwärtig und das ständige Schärferegeln der Optiken intensiviert den Eindruck, dass Amateure hinter den Kameras agierten. Dazu gesellt sich ein vor allem im Wald ziemlich durchschnittlicher Kontrastumfang, der weder Schwarz noch Weiß richtig kräftig darstellen kann. Während sehr gut ausgeleuchteter Tagesszenen ist der Eindruck schon mal richtig gut. Hier stimmen Schärfe, Auflösung und Kontraste (6’48). Aber solche Szenen bleiben die Ausnahme. Wie erwähnt: Für Bild-Feingeister und -ästheten ist das überhaupt nichts, allerdings trägt es zur Authentizität bei. Natürlich muss man hier auch mit der typischen Wackelkamera und viel zu nahen Close-ups leben, die schon mal für leichte Kopfschmerzen sorgen können. Wer mit Found-Footage-Aufnahmen bisher schon Schwierigkeiten hatte, wird auch bei Blair Witch keine Änderung erfahren.
Die schon oben im Text beschriebenen Klangteppiche von Blair Witch gibt die Blu-ray über den dts-HD-Mastersound räumlich und kräftig wieder. Wenn tieffrequente Töne das Zepter übernehmen, grummelt der Subwoofer voluminös vor sich hin und während der Attacken im Wald bleibt dem Zuschauer schon mal der Mund offen stehen. Genau so müssen Horrorsound-Effekte klingen und rübergebracht werden, damit es dem Zuschauer in Mark und Bein fährt. Auch das Surren der vier Drohnen-Rotoren kommt effektvoll aus allen Speakern und vermittelt den Eindruck, dass man mit ihr in der Luft schwebt. Bevor die Szenerie in den Wald wechselt, gibt’s übrigens auch mal richtig fette Beats beim Diskobesuch. Der Bass pumpt hier dermaßen druckvoll, dass man kurz davor ist, ihn etwas herunterzuregeln (5’30). Damit es so richtig authentisch ist, rücken hier auch die Stimmen in den Hintergrund, denn in der Disko kann man natürlich mitunter sein eigenes Wort nicht verstehen.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Blair Witch findet sich neben einem Audiokommentar von Regisseur Wingard und Autor Barrett noch ein Making-of und zwei Featurettes. Das Making-of ist mit knapp drei Minuten allerdings nur eine kleine Zusammenfassung des Films mit Aufnahmen von der Comic-Con in San Diego. Der Hintergrundbericht „House of Horrors“ kümmert sich für ca. eine Viertelstunde um das finale Set des Films, das Horrorhaus. Hier ging es vor allem um die Herausforderung, es vom Design her an das Originalhaus von 1999 anzupassen. „Nerverending Night“ ist dann ein in sechs Teile gegliedertes Behind the Scenes, das sich um einzelne Teilaspekte wie das Casting oder das Sounddesign kümmert, aber wiederum ein „echtes“ Making-of enthält. Hier wird’s für Freunde von Hintergrundmaterial am interessantesten.
Fazit
Blair Witch mag das überraschende und innovative Element des Orginals fehlen, filmisch ist er das reifere und darstellerisch das professionellere Werk. Die deutliche Reduktion des Nervanteils und die nicht ganz so arg wackelige Kameraführung sorgen zudem für weniger Kopfschmerz-Neigung und das viertelstündige Finale liefert sogar echten Nervenkitzel. Auch wenn ich damit die heilige Kuh schlachte: Mir gefällt diese Fortsetzung besser als das Original.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 50%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 70%
Film: 70%
Anbieter: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Adam Wingard
Darsteller: Valorie Curry, Callie Hernandez, Brandon Scott, James Allen McCune, Wes Robinson, Corbin Reid
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 90
Codec: AVC
FSK: 16