Blu-ray Review
OT: Bone Tomahawk
Troglodyten
Wer einen dreckigen Genremix aus Western und Horror für gewagt hält, sollte sich mit Bone Tomahawk vom Gegenteil überzeugen lassen.
Inhalt
Nachdem die Landstreicher Buddy & Purvis durch einen unbekannten Gegner auf einem Indianerfriedhof im wahrsten Sinne des Wortes entzweit wurden, rettet sich einer von beiden in das nächstgelegenen Dorf. Das ist aktuell aufgrund des Viehtriebs fast entvölkert. Lediglich Frauen, lokale Angestellte, der verletzte Arthur, der Fremde Brooder sowie der Sheriff und sein tatteriger Deputy sind noch zugegen. Als die Killer des Einen des Nachts ebenfalls ins Dorf kommen, töten (besser: zerfleischen) sie einen jungen Afroamerikaner und entführen den Überlebenden sowie Arthurs Frau. Der hinzugezogene Indianer klärt auf, wer dahintersteckt und bezichtigt ein unzivilisiertes Höhlenvolk, die gerne Weiße verspeisen. Da die kräftigsten und stärksten Männer des Kaffs allesamt in der Prärie unterwegs sind, muss Sheriff Hunt auf seinen altersschwachen Deputy, den humpelnden Mann der Entführten und den geheimnissvollen Prahler Brooder vertrauen – nicht gerade ein schlagkräftiges Team gegen blitzschnelle und unberechenbare Naturburschen mit Hunger auf Menschenfleisch …
Welcher Regisseur kann schon von sich behaupten, dass er für sein Debut Kurt Russel, Patrick Wilson, Matthew Fox, David Arquette und Richard Jenkins bekommt – noch dazu für einen Western, der sich im späteren Verlauf eine überraschende Wendung nimmt. S. Craig Zahler ist dies gelungen und er beschert uns mit Bone Tomahawk eine Videopremiere, die mit allen Wassern gewaschen ist. Damit ist nicht mal (nur) Kurt Russell gemeint, dem die Rolle des knorrigen Sheriffs natürlich wie angegossen passt. Vielmehr legt er schon in der ersten Sequenz mit sarkastischm Witz und einem Blutzoll los, der es in sich hat. Sid Haig (Das Haus der 1000 Leichen), gerade mal fünf Minuten vor der Kamera, darf sich mit entrissenem Kehlkopf verabschieden und den von ihm überfallenen Namenlosen wurden zu Beginn alle 16! wichtigen Adern des Halses durchtrennt. Selbst wenn man noch nichts über den weiteren Verlauf des Films weiß, könnte man vermuten, dass hier zumindest nicht alles vollständig in bekannten Bahnen verläuft – und richtig: Bone Tomahawk beginnt zwar (fast) klassisch, ist danach fast 90 Minuten noch klassischer und nimmt dann eine 180°-Drehung hin zu einem blutigen Bastard aus Splatter-Horror und Western. Zuletzt hat man einen solch krassen aber brillant funktioniereden Wechsel bei From Dusk till Dawn gesehen – und auch dort waren beide Genres für sich genommen äußerst stimmig. So ist es auch hier, denn typische Westernthemen wie Einsamkeit, Machismus, Rassismus und Ehre werden auf moderne, teils ironisch brechende und nie zu pathetische Art integriert und später von Horrorelementen abgelöst, die zeigen, dass Zahler ein guter Kenner (und Fan) beider Genres ist. Zimperlich geht es dabei während der letzten halben Stunde kaum zu und die männlichen Zuschauer dürften nach 96 Minuten ein sehr ungutes Gefühl im Unterleib verspüren. Erstaunlich ist, dass Fans beider Genres gleichsam auf ihre Kosten kommen und dabei nicht auf Spannung verzichten müssen. Selbst der durchaus lange Weg bis zur Höhle lebt atmosphärisch von seiner immer stärker werdenden Spannung und Erwartung auf die Begegnung mit dem finalen Feind. Gleichzeitig bietet Zahler seinen Schauspielern die Möglichkeit, ein Wenige-Personen-Stück vor epischer Kulisse und in Maximallaufzeit von gut 132 Minuten zu nutzen, um ihre Charakterköpfe zu zeigen und ihr Können zu demonstrieren. Die vier Hauptdarsteller (bzw. ihre Figuren) könnten dabei kaum unterschiedlicher sein, was für amüsante Verstrickungen sorgt. Und obwohl der Humor oft entwaffnend ist (sensationell komisch, wenn Jenkins Deputy in langen Unterhosen seinem Sheriff zu Hilfe eilt), gibt Bone Tomahawk seine Figuren nie der Lächerlichkeit preis. Im Übrigen fehlt bis zur 122. Minute jede Filmmusik, was ebenfalls zur Authentizität beiträgt und die Atmosphäre gerade in den ruhigen Momenten verstärkt.
Bild- und Tonqualität
Das Bild von Bone Tomahawk ist ein wenig zweigeteilt: In den nächtlichen Innenraumszenen muss man schon genau hinschauen, um überhaupt etwas zu erkennen. Zahler verzichtete praktisch vollständig auf künstliche Lichtquellen und filmte ausschließlich mit vorhandenem natürlichem Licht. Glücklicherweise bleibt die Bildruhe dennoch sehr hoch und das Geschehen versumpft nicht in brutalem Rauschen. Die Außenaufnahmen blenden dazu im Vergleich schon fast. Mit hohem Kontrastumfang, warmer Farbgebung und hellen Lichtern punktet es hier. Die Schärfe ist dann auch durchgängig gut, während in den Inneraumszenen schon mal Fokusprobleme auftauchen. Hin und wieder geht in dunklen Bereichen auf Gesichtern schon mal die Durchzeichnung verloren.
In Sachen Raumakustik liefert Bone Tomahawk genau das, was man von einem Western erwartet: Zirpende Zikaden allumherum, prägnanten Dialoge und vereinzelte Schüsse, die kilometerweit zu hallen scheinen (64’35). Jedes Mal, wenn einer der Protagonisten am Hahn seines Colts zieht, fühlt man sich praktisch live in die Zeit des Wilden Westens – wenigstens aber an ein Lagerfeuer mitten in der Prärie versetzt. Wenn die fiesen Bösewichte im Finale dann mit ihren handgemachten Äxten zuschlagen, wird der Subwoofer ebenso gut bedient wie bei den Schüssen aus dem Repetiergewehr. Unterschiede zwischen der dts-HD-Master-Spur des Originals und der High-Resolution-Variante im Deutschen sind nicht hörbar. Wohl aber, dass Kurt Russell nicht seine angestammte Synchronstimme hat, was dem Film leider ein gutes Stück Flair nimmt. Jetzt könnte man auf den O-Ton wechseln, um das wiederum zu umgehen. Dafür sollte man des Englischen allerdings sehr gut mächtig sein, da leider keine Untertitel implementiert wurden.
Bonusmaterial
Leider hält das Bonusmaterial von Bone Tomahawk außer einigen Programmtipps nichts Weiter bereit.
Fazit
90 Minuten lang klassischer Charakterwestern und dann blutiger Höhlensplatter – Bone Tomahawk ist genau DIE Art Film, die eingetretene Pfade verlässt und für frischen Wind sorgt. Weil S. Craig Zahler ein Händchen für Atmosphäre hat und seine Hauptdarsteller nicht nur prominent, sondern auch gut aufgelegt sind, ist sein Regiedebut ein rundum gelungener Genrebastard.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 5%
Film: 80%
Anbieter: Highlight Communications
Land/Jahr: USA 2015
Regie: S. Craig Zahler
Darsteller: Kurt Russell, Patrick Wilson, Matthew Fox, Lili Simmons, David Arquette, Richard Jenkins, Sid Haig, Sean Young
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // dts HD-HR: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 132
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)