Bridge of Spies – Der Unterhändler

Blu-ray Review

OT: Bridge of Spies

Bridge of Spies - Der Unterhändler Blu-ray Review Cover
20th Century Fox, seit 12.05.2016

Am Tage des Sturms

Spielberg inszeniert erneut ein Stück Nachkriegshistorie.

Inhalt

Ende der 1950er liegen die USA mit der Sowjetunion im Kalten Krieg. Jeder fürchtet den nächsten Schritt des Anderen und um diesem einen Schritt voraus zu sein, vertrauen beide Nationen auf Spione. 1956 tritt man an den erfolgreichen US-Anwalt James Donovan heran und bittet ihn, den Spezialist für Versicherungsfälle, einen soeben gefassten russischen Spion namens Rudolf Abel zu verteidigen. Nicht ganz ohne Grund wählt man Donovan, erwartet man von ihm doch, dass er in diesem, ihm vollkommen fremden Metier nicht wirklich Chancen auf Erfolg haben würde. Gegen den Willen seiner Familie, die fürchtet, dass aus Donovan dann direkt nach Abel der zweit meist gehasste Mann der USA wird, übernimmt er den Fall und schlägt sich besser als erwartet. Er erwirkt, dass Abel nicht hingerichtet, sondern „nur“ lebenslänglich in Haft geht. Während die Öffentlichkeit Donovan daraufhin mit Abel auf eine Verräter-Stufe setzt, schickt die CIA etwa zur gleichen Zeit einige Kampfpiloten auf eine Mission, in der sie mit U-2-Fliegern aus höchster Höhe und mit Spezialkameras ausgerüstet, Fotos von feindlichem Gebiet machen sollen. Während einer dieser Flüge wird der Pilot Francis Gary Powers abgeschossen und inhaftiert. Um Powers frei zu bekommen, geht das CIA tatsächlich auf die prophetische Annahme Donovans ein, dass man Abel im Gegenzug austauschen könne. Doch ganz ungefährlich wird dieses Unterfangen, das den Anwalt ins zerrissene Berlin führt, nicht werden …

Steven Spielberg ist ohne Übertreibung durchaus ein Phänomen: Einerseits liefert er immer wieder spektakuläre Rein-Unterhaltungsfilme ab, die Kino und Heimkino zum Beben bringen und auf der anderen Seite setzt er zwischendrin immer wieder Geschichten um, deren Anspruch höher ist und die eher dem sozialpolitischen Thema verpflichtet sind. Das alleine wäre noch nicht außergewöhnlich besonders. Dass der Regisseur es aber schafft, die anspruchsvolleren Werke mit hohem Unterhaltungswert zu präsentieren – das machen ihm nur wenige nach. Und exakt das passiert auch in seinem jüngsten Film Bridge of Spies – Der Unterhändler wieder. Schon die ersten neun Minuten, in denen er (fast dialoglos) schildert, wie Rudolf Abel seinem Spionage-Werk nachgeht, bevor er in Gewahrsam genommen wird, sind ebenso spannend geraten wie sie dem traditionellen Spionagefilm verpflichtet sind. Diese großartige Eröffnungssequenz wirkt schon alleine deshalb so fesselnd, weil Spielberg erneut mit seinem Lieblingskameramann Janusz Kamiński zusammenarbeitete. Dessen Aufnahmen wirken wie aus einem Guss und fahren immer wieder smart um die Protagonisten herum. Natürlich, immerhin befinden wir uns in einem Polit-Thriller, wird über die Laufzeit von 140 Minuten viel geredet, gibt es viele sehr ruhige Szenen. Doch gerade diese sind packend, sofern man sich drauf einlässt. Herausragend ist die Tatsache, dass Bridge of Spies sich während der Gespräche zwischen Donovan und Abel nicht auf ein simples Gut-und-Böse-Spiel einlässt, sondern vielmehr eine sehr persönliche Ebene nutzt, die fernab von irgendwelchen Spionage-Fakten und politischem Geplänkel bleibt. Recht und Unrecht, wahr und falsch – all das sind Fragen, die in dem auf einem Skript der Coen-Brüder basierenden Film nicht verhandelt werden. Denn wie so oft geht es Spielberg vielmehr um die Menschen und deren Schicksale hinter der gesellschaftspolitischen Fassade.

Trotz aller Dialoglastigkeit (gerade während der ersten Hälfte) zeigt Spielberg natürlich dennoch, dass er es auch ordentlich krachen lassen kann. Das vor allem, wenn er die U-2 ebenso überraschend wie bombastisch vom Himmel holt – eine beeindruckende Absturzsequenz. Und wenn sich der optisch und atmosphärisch zweigeteilte Film dann nach gut 65 Minuten ins gespaltene Berlin begibt, dürfte dem einen oder anderen deutschen Zeitzeugen ganz anders werden. Denn dermaßen gespenstisch hat man die Situation des Mauerbaus in einem Film wohl noch nicht reproduziert gesehen. Natürlich ändert sich mit dem Wechsel nach Deutschland auch die Stimmung von Bridge of Spies grundlegend. Zuvor ein distinguiertes, ruhig erzähltes Gerichts- und Politdrama wird aus dem Film mit Ankunft Donovans im geteilten Berlin ein echter Spionagethriller. Die Stimmung ist stets feindlich und Vertrauen bleibt Mangelware. Dazu die Bilder von Menschen, die beim Versuch der Flucht über den Todesstreifen erschossen werden. Eindrücke die sich tief ins Bewusstsein des Anwalts und gleichsam auch in den Köpfen der Zuschauer einbrennen. Nach Schindler’s Liste schafft es Spielberg erneut, Zeitgeschichte mit Bildern aufzuladen, die von emotionaler Wucht sind und die man so schnell nicht vergisst. Natürlich kann sich Spielberg auch auf erstklassige Darsteller verlassen. Tom Hanks, mit dem er nun zum vierten Mal zusammenarbeitet, ist ideal- wenn auch nicht gerade überraschend besetzt. Sein Donovan ist ein souveräner Typ, der zwischen die Fronten gerät und dabei stets integer bleibt – trotz der Gefahren, die ihm und seiner Familie drohen. Erfrischend ist sein Faible für sarkastischen Humor – beispielsweise was die Eiseskälte in Berlin angeht. An seiner Seite ist es allerdings Mark Rylance, der als Rudolf Abel derart nuanciert agiert, dass man eine Gänsehaut bekommt. Absolut zu Recht mit einem Oscar als bester Nebendarsteller ausgezeichnet, sagt sein Gesicht (dessen Stirn er oft in Falten legt) mehr aus als zu viele verschwendete Worte. Vollkommen unaufgeregt gibt er den Spion, der soeben gefasst wurde und auf den ein hartes Urteil wartet. Flankiert von bekannten deutschen Gesichtern (Sebastian Koch als Vogel und Burghart Klaußner als Harald Ott) ist Bridge of Spies auch schauspielerisch ein Glücksfall.

Bild- und Tonqualität

Entgegen früherer Filme von Spielberg lässt es der Regisseur in Bridge of Spies weniger körnig/verrauscht zugehen. Das ganz dezente Korn (auf Hintergründen sichtbar) trägt zur Atmosphäre bei. Allerdings gefallen die leicht ins bläulich-rote gefilterten Farben etwas weniger. Gesichter erscheinen dadurch etwas weniger natürlich. Mit dem Wechsel nach Berlin ändert sich das Bild ein wenig: Von nun an reißen helle Bereiche zum Teil drastisch aus (Vogels Büro), die Bildschärfe verringert sich in vielen Szenen und das Rauschen wird teilweise deutlich heftiger (95’38). Schade, dass der Eindruck insgesamt so inkonsistent ist – gerade vor dem Eindruck der extrem plastischen und kontraststarken Szenen während des Austauschs auf der Brücke – hier kann man jedes einzelne feine Haar auf dem Mantel Abels erkennen.
Während es die kleineren Anbieter hinbekommen, Dolby-Atmos-Spuren (in deutsch und englisch) zu integrieren, schaffen es die größeren nach wie vor nicht mal, flächendeckend das gleiche, verlustfreie Tonformat auf die Blu-ray zu packen. Leider ist auch Bridge of Spies erneut Opfer dieser Praxis und muss im Deutschen mit einer regulären 5.1-dts-Spur auskommen, während im Original mit 7.1-dts-HD-Master geklotzt wird. Glücklicherweise klingt die deutsche dts-only-Version nur unbedeutend schwächer als das hochauflösende Pendant. Das bedeutet im Klartext, dass schon die anfänglichen Szenen in der U-Bahn und rund um die Haltestation äußerst räumlich und offen wiedergegeben wird. Im Inneren des Waggons meldet sich sogar der Subwoofer zu Wort. Während der ersten Szene am Hangar der U-2 rauscht unvermittelt ein Düsenjet von hinten über die Köpfe, bei dessen überrissenem Sound man als Zuschauer unwillkürlich den Kopf einzieht – so müssen direktionale Effekte wirken (32’02). Auch die Kamerablitze, die abgefeuert werden, wenn Donovan den Prozess „gewinnt“ und die damals noch aus manuell gezündeten Birnen bestanden, hört man regelrecht explodieren (47’15). Die Schüsse auf Donovans Haus geraten dann derart unvermittelt effektvoll, dass man regelrecht erschrickt (50’14) und wenn die U-2 abgeschossen wird, mag man aufgrund der Dynamik kaum glauben, dass es sich „nur“ um eine gewöhnliche dts-Spur handelt (57’42).

Bonusmaterial

Obwohl Steven Spielberg typischerweise auch für Bridge of Spies keinen Audiokommentar eingesprochen hat, ist das Bonusmaterial erstaunlich persönlich geraten. Immer dann, wenn der Regisseur einen Film inszeniert, der historische Aspekte des Zweiten Weltkriegs aufweist, darf man damit rechnen, dass er intime Familienangelegenheiten preisgibt. Im ersten von vier Featurettes kommt dann auch Stevens Vater Arnold zu Wort, der zur Zeit des Abschusses der U-2-Maschine direkten Kontakt als Soldat mit den Russen hatte. Außerdem wird erzählt, wie die Geschichte des Films entwickelt wurde und wie Spielberg vom russischen Spion Abel erfuhr – eine Geschichte, die er zuvor nicht kannte.  „Berlin 1961: Re-creating the Divide“ beschäftigt sich mit der Historie des Mauerbaus sowie dem Setdesign, das die Zeit glaubwürdig wieder aufleben lassen musste. „U-2 Spy Plane“ gibt Einblicke in die authentisch gefilmten Szenen mit der echten U-2, die ohne die Unterstützung des Verteidigungsministeriums wohl nicht möglich gewesen wären – denn immerhin hob für die Aufnahmen eine solche Maschine ab. „Spy Swap: Looking Back on the Final Act“ schließlich kümmert sich um den titelgebenden Austausch der Spione.

Fazit

Im allerbesten Sinne ist Bridge of Spies – Der Unterhändler ein altmodischer Spionagethriller, dessen Atmosphäre vor allem im zweiten Teil herausragt und der sich auf hervorragende Darsteller verlassen kann. In Sachen Kameraarbeit und Setdesign ist Spielbergs jüngstes Werk ohnehin über alle Zweifel erhaben und die historisch auf Fakten basierende Geschichte fesselt bis zum etwas kitschigen Ende.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 60%
Film: 85%

Anbieter: 20th Century Fox
Land/Jahr: USA/D 2015
Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Tom Hanks, Amy Ryan, Mark Rylance, Scott Shepherd, Sebastian Koch, Alan Alda, Austin Stowell, Mikhail Gorevoy
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 141
Codec: AVC
FSK: 12

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