Blu-ray Review
OT: Bright
Von Nebelzähnen und magischen Elfen
Mit Bright erblickt die erste wirklich richtig große Neflix-Filmproduktion das Licht der Welt.
Inhalt
Daryl Ward hat nur noch fünf Jahre, bis er seinen LAPD-Dienst quittieren und sich in den Ruhestand verabschieden kann. Dumm, dass er seit einiger Zeit mit einem neuen Partner an seiner Seite zurechtkommen muss, der ihn noch dazu vor Kurzem in einer Gefahrensituation im Stich gelassen hat. Noch dümmer, dass der der erste Ork-Cop ist, den L.A. je gesehen hat. Weder kann Ward etwas mit den grobschlächtig wirkenden Wesen anfangen, noch wird Jakoby in den schlimmen Gegenden der Stadt respektiert. Immerhin gilt er bei den Ork-Gangs als Verräter und Halbblut. Außerdem leistet er sich einen Lapsus nach dem nächsten. Ward muss also gleichzeitig auf seinen Rookie-Kollegen aufpassen, während er aus der Schusslinie rausbleiben muss, weil der Ork an seiner Seite die Streife nicht gerade ungefährlicher macht. Eins immerhin haben sie aber gemeinsam: Die Verachtung auf die Elfen. Denn die leben im reichen Teil der Stadt und kontrollieren nicht nur das Finanzwesen. Eines Tages stoßen die beiden Cops auf nächtlicher Streife auf ein Magie-Nest und eine ziemlich derangierte Elfe namens Tikka. Die ist auf der Flucht vor einer anderen, die auf den Namen Leilah hört. Letztere ist aber nicht irgendeine Elfe, sondern eine ziemlich böse. Und sie will ihr „Wand“ wieder – ein Relikt, das in den falschen Händen die ultimative Zerstörung bewirken kann …
90 Mio. Dollar ist ein sattes Budget für eine Filmproduktion, die ausnahmsweise mal nicht von einem der großen Studios Hollywoods finanziert und produziert wurde. Bright ist der erste wirklich große Film, der den Kino-Blockbustern die Stirn bietet und den Streaming-Dienstleister Netflix seinen 109 Mio. Kunden quasi exklusiv anbietet. „Quasi“ deshalb, weil der Film mit Will Smith und Joel Edgerton zumindest in ausgewählten US-Kinos gezeigt werden wird. Aber warum ins Kino gehen, wenn man das Ganze auch bequem zu Hause haben kann? Am heutigen 22.12.2017 war es dann soweit und Regisseur Ayer ist vor allem begeistert darüber, dass man die Möglichkeit habe, zeitgleich in nahezu allen Sprachen an den Start zu gehen. Wie sagte Will Smith während der Produktion so schön: „Die Möglichkeit, eine solche Menge von Leuten in einer solche kurzen Zeit zu erreichen, wie es mit Netflix möglich ist, ist schlicht fantastisch“.
„Fantastisch“ ist ein gutes Stichwort, denn das ist Bright selbst auch. Angesiedelt in einem parallelen Los Angeles entwirt der Film ein Szenario, nachdem Menschen in (mehr oder weniger) friedlicher Eintracht mit Orks und Elfen leben. Wobei „friedlich“ immer relativ ist. Denn wo es in unserer Welt Rassismus zwischen Schwarz und Weiß oder zwischen Latino und Asiaten gibt, lässt der von David Ayer inszenierte Film keine Zweifel daran, dass der von Smith gespielte Cop Ward mit seinem Ork-Kollegen Jakoby so gar nicht kann. Es hat schon einen ziemlich großen Reiz, dass man ausgerechnet einem afroamerikanischen Polizisten einen Counterpart an die Seite stellt, gegenüber dem er mit Voruteilen agieren kann. Smith war dankbar für diese Rolle – eben weil er sich sonst eigentlich immer in der Position Jakobys befand. Wobei er da sicherlich etwas über seine Figur in Alex Proyas‘ I, Robot hinwegsieht, wo er sich gegenüber den Androiden ganz ähnlich verhalten hatte. Dennoch: Bright ist ein Film, der Rassismus beständig widerspiegelt. Wards Kollegen sind noch weitaus feindseliger gegenüber der nicht humanoiden Rasse und so steht er selbst als Puffer dazwischen. Das erinnert an die guten Cop-Filme, in denen Weiße mit ihren noch jung im Dienst stehenden afroamerikanischen Kollegen auf Streife fahren mussten und sich das gleiche von ihresgleichen anhören mussten.
Bright ist also auch eine Polizisten-Buddy-Komödie und erinnert in seinen besten Momenten oft an die Konstellation aus Nick Nolte und Eddie Murphy in 48 Hours. Das wird schon nach acht Minuten deutlich, wenn die zwei ihren gemeinsamen Dienst antreten und sich gegenseitig darin überbieten, den anderen mit sarkastischen Kommentaren zu analysieren. Der Humor kommt also nicht zu kurz, was aber auch nicht verwunderlich ist. Denn für die Story war kein Geringerer zuständig als John Landis‘ Sohn Max. Der hatte mit Chronicle – Wozu bist du fähig bereits einen echten Hit gelandet und überzeugte zuletzt mit den Vorlagen zur Douglas-Adams-Adaption Dirk Gentlys Holistische Detektei, die (ebenfalls von Netflix koproduziert) gerade in die zweite Staffel geht. Max Landis addierte, wie erwähnt, eine große Portion (vor allem schwarzen) Humor in sein Skript. Aber eben auch viele fantastische Elemente. Und um hier möglichst authentisch zu bleiben, hat man für die Orks sogar eine eigene Lin mit entsprechendem Alphabet entwickelt. Die klingt zwar ziemlich nach Wikinger-Vokabular, was aber ganz gut zum martialischen Aussehen der Wesen passt. Wenn man genau hinschaut, sieht man sogar Ork-Werbung und -Literatur, was noch stärker das Gefühl vermittelt, dass sie schon seit Jahrhunderten in die Gesellschaft integriert sind. Zur Authentizität dieser Parallelwelt tragen aber noch weitere Faktoren bei. So entschied man sich explizit dafür, die Ork- und Elfenmasken praktisch zu realisieren und nicht per Motion-Capturing zu visualisieren. Im Fall des Ork-Make-up arbeitete man mit Christopher Nelson zusammen, den Smith und Ayer schon aus ihrer gemeinsamen Zeit bei Suicide Squad kennen.
Um einen ganz eigenen Stil für die fantastischen Rassen zu kreiieren erarbeitete man mit dem Stund Koordinator spezielle Bewegungsabläufe für die Orks und Elfen. Dem nicht genug, mussten alle Darsteller in ihrer Vorbereitung Stunden um Stunden im Gym schwitzen, um sich die Fitness und die Muckis für ihre Figuren anzueignen.
Das steht vor allem Joel Edgerton gut, der schon mal pummeliger war und als Jakoby Will Smith tatsächlich an die Wand spielt. Zum einen liegt das daran, dass seine Maske ihm erstaunlich viel Bewegungsfreiheit lässt und viele Möglichkeiten bietet, Mimik zu beweisen (man beachte das Wackeln der Ohren). Zum anderen ist es aber seiner Figur geschuldet, die viel mehr Tiefe ermöglicht. Jakoby steht zwischen seiner eigenen Rasse und dem Wunsch, ein echter Cop, ja vielleicht sogar ein Mensch zu sein. Das ist ihm wichtiger als alles andere. Deshalb feilt er sich die unteren Stoßzähne ab und agiert menschlicher als seine humanoiden Kollegen, die ihr Menschsein in Zynismus und Hass ertränken. Dass die Rahmenhandlung um magische Figuren, Artefakte und korrupte Cops abseits vom Fantasy-Aspekt nicht so ganz innovativ ist, sei kritisch angemerkt. Ebenso wie die viel zu unterbelichtete Charakterisierung der Jungs von der „magischen Abteilung“ oder die Tatsache, dass man nicht mal ein paar Minuten Zeit dafür aufwendet, diese bunte und auf den Kopf gestellte Parallelwelt zu charakterisieren. Zumal dann auch noch einige Klischees Einzug halten. Dass die Orks sich in Gangs formieren wie diversen ethnischen Gruppen in den Großstädten der USA; dass sie maximal als Hilfsjobber in Küchen oder Schlachthäusern arbeiten; dass sie auf Deathmetal stehen und in Bars Pogo tanzen; dass die Elfen die Macht über Wirtschaft haben und dass Jakoby erzählt, „Hammer Smashed Face“ von Cannibal Corpse wäre einer der schönsten Songs, die je über Liebe geschrieben worden wären, man aber während des ganzen Films nicht einen einzigen weiblichen Ork sieht – nun ja, das darf man schon als ärgerlich bezeichnen. Schade auch, dass ab der Hälfte des Films die guten Ansätze über Integration und Toleranz dem Tamtam zum Opfer fallen.
Denn abseits von Charakteren, Buddy-Aspekten, schwarzem Humor und Rahmenstory gibt’s auch noch eine gute Spur Action. Und die kann sich mit jeder aktuellen Kinoproduktion messen. Egal, ob das die Schießereien sind, die Verfolgungen in dicken SUVs oder die großartigen Choreografien der kämpfenden Elfen (65’00). Gerade die atmosphärischen Situationen in den dunklen Spelunken und Hinterhof-Gegenden erzeugen zudem eine erstaunliche Spannung. Schusswechsel geraten außerdem erstaunlich blutig – auch ein Aspekt der Netflix-Produktion. Für eine Kinoauswertung hätte man hier vermutlich weniger mutig agiert und die berühmte „Schere im Kopf“ angesetzt – was übrigens auch für die eingestreuten Nackedei-Szenen gilt. Apropos Schere im Kopf. Die hatte man wohl auch seitens Warner Music, die den Soundtrack auf CD herausbrachten. Auf dem findet man zwar die „Explicit Lyrics“ der Hip-Hop-Songs, doch die zwei Death-Metal-/Punkrock-Titel des Films wollte man dem geneigten Käufer dann wohl doch nicht zumuten.
Bild- und Tonqualität
Bright liegt bei Netflix in 4K vor und bekam zusätzlich eine erweiterte Bilddynamik (HDR10) verpasst, was ihm vor allem in den dunklen Szenen gut tut. Hier sind Schwarzwerte absolut satt. Während der Tageslichtszenen ist’s ein bisschen flacher, was den Kontrast angeht. Das liegt aber auch an der Stimmung, die der der Film durch eine bewusste Filterung an den Tag legt. Grundsätzlich ist das Bild deutlich ruhiger als es die Szenenbilder vermuten ließen. Dennoch nutzt Bright eine gewisse Körnung, um das L.A. der Parallelwelt schön dreckig zu zeigen. Die Schärfe ist dauerhaft gut, wenngleich das Antlitz von Nommi Rapace und ihrer Elfen-Bande entweder per CGI oder entsprechenden Latex-Prothesen extrem abgesoftet wurde. Lens-Flare-Effekte sind ein kleines Fable von Ayer, der es auch hier ausgiebig nutzt, wenn Lichtkegel in der Dunkelheit erscheinen.
Der Ton von Bright liegt in Dolby-Digital-Plus vor (theoretisch sogar in Dolby Atmos)* und demonstriert schon von Beginn an eine recht beeindruckende Surround- und Druck-Kulisse. Während des Songs im Vorspann bekommt der Subwoofer bereits gut zu tun und schiebt die Beats wuchtig ins Heimkino. Noch krasser wird’s beim Eintritt in die Elfenstadt. Hier gibt’s richtig heftigen Basseinsatz mit staubtrockenen Signalen. Die Stimmen bleiben stets hervorragend verständlich und Netflix hat außerdem Smith‘ angestammten Synchronsprecher organisieren können. Wenn Schüsse fallen, wie nach gut 32 Minuten, fetzen diese effektvoll durch den Raum und wenn man den „Wand“ das erste Mal berührt, elektrisiert es das ganze Heimkino. Sehr cool ist auch die Geräuschkulisse während der Superzeitlupe, die durch den „Wand“ verursacht wird (49’50) oder die magische Stimme Leilahs, die den ganzen Raum erfüllt (93’00).
Fazit
Der erste Netflix-Film mit hohem Budget und durchweg prominenter Besetzung muss sich vor aktuellen Kinoproduktionen nicht verstecken – und das sowohl in Bezug auf die positiven Aspekte wie Spannung, Action und Humor als auch auf die negativen Punkte wie Klischees und nicht zusammenpassenden Story-Elementen. Dennoch macht Bright eine Menge Spaß, wenn man großzügig über die löchrige Geschichte hinwegsieht. Netflix scheint zudem in das Projekt zu vertrauen, denn ein zweiter Teil soll bereits abgesegnet sein.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Film: 70%
Anbieter: Netflix
Land/Jahr: USA 2016
Regie: David Ayer
Darsteller: Will Smith, Noomi Rapace, Lucy Fry, Joel Edgerton, Jay Hernandez, Edgar Ramírez, Veronica Ngo
Tonformate: Dolby Digital Plus 5.1: de, en (Atmos für Besitzer gewisser Hardware mit Netflix-App – bspw. XBox One / One S oder jüngere LG TVs)
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 117
Codec: AVC
FSK: 16
Mit dem neuestem Fire TV sollte Atmos ebenfalls möglich sein.
BRIGHT streamt bei mir in 4K und HDR. Angezeigte Auflösung: 2160p, angezeigte Bitrate: 15,26 MBit/sec. Ansonsten Zustimmung.
Frohes Fest und schönen Gruss
Ingo
Hi
Erstmal Frohe Weihnachten!!
Danke für die Review. Bin schon gespannt auf den Film.
Meine Frage, dachte der liegt in Dolby Atmos vor bei Netflix.
Grüße
Manuel
Hi Manuel.
Korrekt. Hab es ergänzt. Atmos aber nur für Besitzer bspw. von XBox One/One S oder neuere LG TVs. Andere hören leider nur 2D-Sound.
Und leider nur im Original Ton nicht in deutscher Synchronisation