Bushwick

Blu-ray Review

Bushwick Blu-ray Review Cover
Universum Film, 20.04.2018

OT: Bushwick

 


Something like 9/11?

In Bushwick startet eine Invasion aus dem Inneren.

Inhalt

Als Studentin Lucy mit ihrem Freund Jose eine U-Bahnstation in Bushwick/Brooklyn verlassen, sind sie praktisch alleine. Plötzlich rennt ihnen ein Mann in Flammen praktisch in die Arme. Eine Explosion tötet Jose und auch Lucy muss vor irgendwelchen Söldnern fliehen, die sie verfolgen. Mit Mühe und Not findet sie den Weg in ein Haus und wird dort vom Besitzer Stupe vor zwei Plünderern gerettet. Der Ex-Marine hat die Straßenkämpfe natürlich auch schon mitbekommen und will sich zu seiner Frau nach Hoboken durchschlagen. Notgedrungen schließt man sich zusammen und muss feststellen, dass ganz New York unter einer strategischen Invasion zu leiden scheint. Von einem überwältigten Söldner erfahren sie, dass Texas sich von den USA unabhängig erklären will und eine militante Allianz mit anderen Südstaaten eingegangen ist. Von nun an heißt es nur noch: Überleben.

Quadratschädel Dave Bautista ist neben Dwayne Johnson einer der wenigen Ex-Wrestler, die nach und nach schauspielerisch auch abseits der B-Massenware Fuß fassen konnten. Klar, die Guardians-Filme lassen ihn eher in einer Nebenrolle agieren. Aber das immerhin so charmant und mit offensichtlicher Selbstironie, dass sich der muskelbepackte Kerl immer mehr in die Herzen der Fans spielen konnte. In Bushwick darf er nun die Hauptrolle spielen und wird vom Regieduo Cary Murnion und Jonathan Milott (immerhin verantwortlich für den in gewissen Kreisen zum Kult gewordenen Cooties) in eine ziemlich krude Story geschickt, die irgendwo zwischen The Purge und Die rote Flut liegt. Herausragend ist der Einstand, den der Film gibt. Praktisch in Echtzeit verfolgt die Kamera die beiden Protagonisten, die sich ebenso unvermittelt in einem Kriegsszenario befinden wie der Zuschauer. Weil der Kameramann hinter seinen beiden Figuren bleibt und erst einen Blick auf das Gesamtgeschehen zeigt, wenn Lucy selbst die Treppe hochgegangen ist, blickt man fast ungläubig auf das, was sich da vor ihren Augen darstellt: Die Alarmsirenen der Stadt heulen, immer wieder setzt es Explosionen und Söldner schießen alles über den Haufen, was eine potenzielle Bedrohung darstellen könnte.

Minutenlang folgt die Kamera der Situation praktisch in Echtzeit. Sie begibt sich mit den Charakteren in Deckung, sucht Schutz hinter Abfall-Containern und sackt zusammen, wenn Lucy oder Stupe zu Boden gehen. Auf diese Weise vermittelt sie tatsächlich das Gefühl, New York befände sich im Krieg – man fühlt sich glatt an die legendäre Sequenz von Kamera-Virtuose Emmanuel Lubezki aus Alfonso Cuaróns Children of Men erinnert. Herausragend in dieser Szenen ist aber nicht nur die Aufnahme-Virtuosität, sondern auch das intensive Schauspiel Brittany Snows, die innerhalb von dieser Viertelstunde die komplette Dynamik an Gefühlen zeigen darf – von Freude und Glück über Trauer, Furcht und Todesangst. Schon diese Eröffnung ist so gut, dass der oben genannte, fragwürdige Actioner Die rote Flut (sowie dessen ebenso bescheuertes Remake) qualitativ von der Leinwand gepustet werden. Dass Bushwick solche langen Sequenzen mit wenigen Schnitten über die komplette Laufzeit aneinander reiht, weiß man da ja noch nicht einmal.

Und genau das erweist sich als der größte Spannungsbogen des Films. Die Direktheit der Geschehnisse ist wirklich atemberaubend – und forderte den Darstellern einiges ab. Bautista gab in einem Interview preis, dass er genau aus diesem Grund im Film mitspielt – eben, um sich selbst herauszufordern. Wenn Takes zehn Minuten und länger dauern, bedeutet ein Versprecher oder ein Verbocken der Szene, dass alle wieder auf Anfang müssen. Schon alleine aus Budgetgründen möchte man so etwas als Darstellern natürlich vermeiden. Außerdem hielt er es selbst für besser, nicht als Kampfmaschine aufzutreten. Eigentlich hat er nur zwei echte körperliche Szenen und erwirkte eine Drehbuchänderung, die ihn weniger aktiv erscheinen lässt, weil er es für realistischer und dem Thema entsprechender hielt. Snow, die hier maximal weit von ihrem Pitch-Perfect-Image agiert, steigert sich im weiteren Verlauf  zur taffen Kämpferin und darf sogar mehr physische Action hinlegen als Bautista. Und wenn sie nach etwas über 80 Minuten vor eine äußerst unangenehme Überraschung gestellt wird, sollte das eigentlich niemanden kalt lassen. Ebenso wenig wie die wirklich packenden letzten zehn Minuten.

Während die Darsteller durchweg überzeugen können und Bautista, wie erwähnt, erstaunlicherweise nicht der unbesiegbare Kampfkoloss ist, gibt es ein paar kleinere Storybereiche, die nicht zwingend überzeugen können. So wirkt die Episode mit Lucys Schwester ziemlich unglücklich und ein paar Logiklücken gibt es durchaus.
Umso packender sind die Scharmützel auf den Straßen und die Tatsache, dass das Eindringen der Söldner eine völlige Zersplitterung der Gesellschaft zur Folge hat. So ballern verschiedene Ethnien und sogar orthodoxe Juden um ihr Leben und ihr Viertel, machen aber gleichzeitig keinen Halt davor, Läden zu plündern und pfeifen gleichzeitig auf vormaliges Gesetz.
Aufgrund der nahtlosen Inszenierung hat man in Bushwick schon mal das Gefühl, dass die Produzenten einen ganzen Stadteil abgeriegelt hätten, was das immersive Gefühl noch verstärkt.
Noch erstaunlicher ist nur die Tatsache, dass der Ende 2015 inszenierte Streifen völlig absurd scheint – und es heute gar nicht mehr wirklich ist.
Denn wie eine Prophezeiung wirkt es aus heutiger Sicht, dass Amerika in einen Bürgerkrieg verfällt. Nichts anderes passiert, seitdem ein Ex-Unternehmer im Weißen Haus das Sagen hat, der nicht dafür sorgt, dass Amerika wieder „great“ wird, sondern die Bevölkerung in einen noch tieferen Graben treibt als es vorher schon der Fall war. Die Kluft zwischen arm und reich wird größer, der Rassismus hat seit den 60ern nicht mehr so eine Hochkonjunktur gehabt und die Ignoranz gegenüber friedlichen Demonstranten, die für schärfere Waffengesetze auf die Straße gehen, ist erbärmlich. So weit hergeholt scheint es also gar nicht, dass die USA wieder in eine Art Sezessionskrieg (zurück)fallen.

Bild- und Tonqualität

Analog und körnig zeigt sich das Bild von Bushwick und lässt aufgrund seiner sichtbaren Braunfilterung keinen Zweifel dran, dass man hier ein bisschen schmuddeliger wirken möchte als das typische Hollywood-Hochglanz-Projekt. Auch der Kontrastumfang ist bewusst reduziert. Die dunklen Bereiche in der U-Bahn zu Beginn sind maximal braun und nicht schwarz. Die Körnung nimmt in den ganz düsteren Szenen übrigens noch mal zu, sodass sogar Gesichter langsam unscharf erscheinen.
Akustisch fällt zunächst das sehr authentisch Flappen der Hubschrauber auf, die zu Beginn des Films über die Außenbezirke von New York fliegen. Direktional sehr gut ortbar und fast schon dreidimensional klingen die Rotoren der Helis. Gleiches gilt für die fallenden Schüsse, die sehr authentisch wirken, ohne es mit Druck zu übertreiben. Der wird allerdings durchaus erzeugt, wenn irgendwo auf den Straßen Explosionen von den Unruhen verkünden, während sich die Protagonisten in Innenräumen aufhalten. Die Stimmen bleiben in Bushwick sehr gut verständlich – egal, ob in der deutschen oder englischen Fassung.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Bushwick findet sich ein kurzes, tonal zu Beginn ganz mies ausgesteuertes Featurette, in dem die beiden Regisseure etwas über die Idee zum Film erzählen und man ein paar Einblicke hinter die Kulissen bekommt. Dazu gesellt sich ein viereinhalbminütiges Interview mit Brittany Snow, von dem Teile allerdings schon im Featurette zu sehen sind.

Fazit

Bushwick hat trotz kleinerer Längen das Zeug zum Kultfilm. Innovativ gefilmt, intensiv gespielt und mit einem äußerst atmosphärischen Setting fesselt der Thriller von Murnion/Milott – auch weil er so weit hergeholt gar nicht scheint.

Bushwick ist auch als Video-Review auf meinem YouTube-Kanal online. Wer sich das zusätzlich anhören möchte, darf das gerne unter diesem Link tun und mir ein Abo und ein Like dalassen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 30%
Film: 80%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Cary Murnion, Jonathan Milott
Darsteller: Dave Bautista, Brittany Snow, Arturo Castro, Angelic Zambrana, Christian Navarro, Jeremie Harris
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 94
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Bushwick

Bushwick - Trailer (deutsch/german; FSK 12)


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