Carnage Park – Willkommen in der Hölle

Blu-ray Review

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Tiberius Film, 02.01.2017

OT: Carnage Park

 


Gott hat keine Lieblinge mehr

Hier kommt ein ganz besonders fieses und außergewöhnliches Stück Genrekost.

Inhalt

Scorpion Joe und Lenny haben irgendwo in der Nähe der mexikanischen Grenze eine Bank ausgeraubt und dabei gleich auch noch Vivian, eine Kundin des Instituts, als Geisel genommen. Während es Lenny auf der Flucht nicht gut ergeht und er bald an einer Schusswunde stirbt, muss die Entführte mit dem durchgeknallten Joe klar kommen. Weil Vivian aber gar nicht daran denkt, sich einfach so in ihr Schicksal zu ergeben, zeigt sie Zähne und wehrt sich, wo sie kann. Dumm, dass Scorpion Joe bald nicht mehr ihr größtes Problem ist, denn urplötzlich schießt ein psychopathischer Kerl dem Verbrecher aus der Entfernung das Gehirn weg. Moss, so heißt der Typ, denkt auch gar nicht daran, die wehrlose Frau aus ihrer Situation zu befreien. Ganz im Gegenteil: Das Martyrium fängt für Vivian jetzt erst an, denn Moss macht sich ein Spielchen draus, sie im Anschluss durch die kalifornische Wüste zu jagen …

Pulp wohin das Auge blickt – Carnage Park spielt nicht nur in den 70ern, sondern atmet mit jeder Sekunde den Geist der Horror- und Schundfilme dieser Zeit. Krasse Weitwinkeleinstellungen, schräge (und laute) Musik sowie das brutale Flackern des eingeblendeten Filmtitels lassen keine Zweifel aufkommen, wovon sich Regisseur Mickey Keaton (Pod) hier hat inspirieren lassen. Gleichzeitig nennt er aber auch die Western des Sam Peckinpah als Vorbild für seinen Film – ersichtlich nicht nur am Look des Abspanns. Ersichtlich ist auch, dass ein Hills Have Eyes oder auch die frühen Werke von Rob Zombie Pate standen. Dabei spart Keaton trotz der zeitweise vorhandenen Terrorstimmung nicht mit Witz oder Slapstick – beispielsweise während des Rückblicks zum Überfall, wenn Lenny seine Sackmaske aufzusetzen versucht. Dazu gesellen sich völlig irrwitzige Szenen, die es glücklicherweise ungeschnitten auf die Blu-ray geschafft haben. Wenn Vivian sich von der an sie geketteten Leiche Joes befreien muss, dann ist das schon ein blutiges Stück Arbeit. Für einige Splatter- und Horrofilmfreunde könnte der mitunter abgedreht wirkende Carnage Park vielleicht etwas zu konfus sein. Doch das ist genau der Grund, warum aufgeschlossene Genrefans hier ein ganz besonderes Stück Film vorfinden. Wirklich keine Figur scheint normal zu sein, selbst Vivian ist irgendwie abgedreht und Wyatt Moss ist gar dermaßen irre, dass er das Zeug zum Film-Serientäter hätte. Das liegt auch am grandiosen Pat Healy (The Inkeepers). Er spielt den Killer, der äußerlich wirkt, als könne er keinem ein Haar krümmen, mit einer Präsenz und diabolischen Ausstrahlung, dass es einem Angst und Bange werden kann. Ihm gegenüber setzt Ashley Bell (Der letzte Exorzismus) erstaunliche Akzente als Vivian. Mit einer Mischung aus berechtigtem Schockzustand und resoluter Ich-zeig’s-dir-Attitüde ist sie geradezu perfekt besetzt.

Carnage Park ist voll von diesen Figuren. Auch der lokale Sheriff (pikanterweise der Bruder Wyatts) ist nicht minder durchgeknallt, was Vielfilmer Alan Ruck Möglichkeit für eine eindrucksvolle Darbietung liefert. Wenn man diesem durchaus kranken Stück Film etwas ankreiden möchte, dann vielleicht, dass viele Details nur angerissen und nicht zu Ende geführt werden. Die zahlreichen Wendungen des Films erzählen immer nur kurze unabgeschlossene Geschichten. Die Zusammenhänge dazu muss man sich selbst denken. Was ist das beispielsweise für ein krudes Verhältnis zwischen den beiden Moss-Brüdern? Was geschah wirklich beim Überfall? Was ist mit den Halbtoten passiert, über die Vivian im Verlaufe ihrer Flucht stolpert? Viele dieser Fragen hätte man als Zuschauer gerne geklärt gehabt. Auch die für die Hauptstory verwendeten Rückblenden, in denen vom Banküberfall erzählt wird und davon, was Vivian auf dem Institut zu suchen hatte, wünscht man sich konsequenter/ausführlicher. Die etwas wirre Erzählstruktur verhindert hier und da auch mal das Aufkommen echter Spannung. Die Konzentration auf den Zweikampf zwischen Moss und Vivian hätte für schieren Terror sorgen können, was man spürt, wenn die Heldin erstmals auf das Grundstück des Killers eindringt. Ab hier wird die Atmosphäre zum Schneiden und steigert sich im (ganz schön dunklen) Showdown in der Mine zu echtem Terror nach Haus der 1000 Leichen-Vorbild. Zwischendrin hat man aufgrund der Vielzahl von Charakteren und dem etwas unentschlossenen Drehbuch aber schon mal ein paar Längen zu überwinden.

Bild- und Tonqualität

Sieht man mal davon ab, dass Carnage Park praktisch keine anderen Farben aufweist als Brauntöne (wofür der eingesetzte Sepiafilter verantwortlich ist), ist es äußerst scharf, absolut ruhig und frei von Korn sowie bis in die Randbereiche homogen gleichmäßig. Selbst in dunklen Szenen offenbart sich keinerlei Rauschen. Der Kontrastumfang könnte etwas höher sein, passt sich allerdings dem bewusst genutzten Look an.
Akustisch hört man in Carnage Park die Zikaden atmosphärisch von den Rears zirpen und die Musik eröffnet bisweilen ein kleines Feuerwerk aus allen Lautsprechern. Die Stimmen lassen sich gut verorten, die Synchronisierung ist erstaunlich gut gelungen, allerdings klingen die Organe etwas topfig. Überraschenderweise ist die englische Fassung etwas lauter, obschon beide Tonspuren mit dts-HD-Master-Kodierung aufwarten. Erstmals richtig dynamisch wird’s wenn Moss dem Fluchtwagen den Reifen zerschießt. Die darauf folgende Fahrt in den Graben ist effekt- und druckvoll umgesetzt worden. Auch der kurze Zeit später fallende Schuss trifft effektvoll sein Ziel. Die Feedback-Spielereien sowie die hektischen Geigen, die im späteren Verlauf dazukommen, sorgen für Gänsehaut, wenngleich die reine Effektqualität und Dynamik nicht übermäßig gut ist.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Carnage Park finden sich lediglich die Originaltrailer sowie Programmtipps des Anbieters.

Fazit

Carnage Park ist sicherlich nicht bis ins letzte Detail durchdacht und setzt manchmal zu sehr auf krasse Schockmomente, doch als Fingerübung in Sachen Terror und Exploitation sowie als äußerst ungewöhnlicher Genrebeitrag funktioniert Keatons Film eben trotz dieser Mankos erstaunlich gut. Aber, Zartbesaitete seien gewarnt vor der teils deftigen grafischen Gewalt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 10%
Film: 70%

Anbieter: Tiberius Film
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Mickey Keating
Darsteller: Ashley Bell, Pat Healy, Larry Fessenden, Michael Villar, James Landry Hébert, Darby Stanchfield
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 81
Codec: AVC
FSK: 18 (uncut)

Trailer zu Carnage Park – Willkommen in der Hölle

Carnage Park - Official Trailer I HD I IFC Midnight

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