Blu-ray Review
OT: Carrie
Abnabelungsprozess
Remakes kultisch verehrter Filme stoßen nicht immer auf Gegenliebe. Wie sehr darf man die Neuverfilmung von “Carrie” mögen?
Inhalt
Carrie ist 16 Jahre alt, wird von ihren Klassenkameradinnen gehänselt und erlebt eines Tages nach dem Schwimmunterricht einen Alptraum: Da ihre absurd-religiöse Mutter sie nicht aufgeklärt hat und ihr ohnehin alles Übel der Welt die Schuld in die Schuhe schiebt, rechnet das verängstigte Mädchen nicht damit, dass das Blut, welches ihr an den Beinen herunterläuft, nicht bedeutet, dass sie sterben muss, sondern schlicht ihre erste Periode darstellt. Während die ignoranten Schulkolleginnen die höchst unangenehme Situation mit ihren Handys filmen und anschließend ins Internet stellen, beginnt Carrie eine Kraft zu spüren, mit der sie mächtige Dinge anrichten kann – Telekinese. Zuerst ist es nur ein berstender Spiegel, weil sie ihr Antlitz nicht ertragen will, doch bald schon setzt sie sich damit gegen die immer gemeiner und gehässiger werdenden Menschen um sie herum zur Wehr. Besonders die fiese Chris, die Carrie die Schuld dafür gibt, nicht zum Abschlussball zu dürfen, macht immer weiter mit ihren Gemeinheiten. Bis es bei eben jenem Ball zur Katastrophe kommt …
Brian de Palmas Adaption des ersten Stephen-King-Romans genießt einen Ruf wie Donnerhall und so war es für Kimberly Peirce sicher nicht einfach, hier eine zeitgemäße Neuverfilmung zu realisieren, die dennoch den Geist des Originals bewahrt. Seinerzeit traf der Film über ein völlig normales Mädchen, das von seinen Mitmenschen schikaniert wird und nach und nach seine telekinetischen Fähigkeiten gegen ihr Umfeld einsetzt, den Nerv der Zeit und Sissy Spacek als Hauptdarstellerin erlangte schlagartig Berühmtheit.
Inszenatorisch beginnt Peirce’ Carrie atmosphärischer und böser als das Original, hält sich ansonsten aber eng an De Palmas Verfilmung und noch enger an den Roman. Die Regisseurin bindet moderne Kommunikationsformen schlüssig ein und zeigt damit, dass das fast 40 Jahre alte Thema noch heute aktuell, ja vielleicht aktueller ist denn je. Denn mit Facebook, YouTube & Co. sind die Möglichkeiten, junge Menschen vorzuführen und zu denunzieren heute schneller und weitreichender als je zuvor. Wie häufg hört man Meldungen, dass Schüler/innen in den Selbstmord getrieben wurden, weil sie öffentlich der Lächerlichkeit preisgegeben wurden. Hier darf Carrie durchaus als kritischer Kommentar verstanden werden.
Hüben wie drüben ist Kritik angebracht: Während im De-Palma-Original mitunter zuviel Hysterie herrschte, darf man dem Remake durchaus vorwerfen, dass Chloe Grace Moretz eigentlich ein bisschen zu hübsch ist, um als Mobbingopfer durchzugehen. Auch hätte man sicher nicht drei unterschiedliche Einstellungen gebraucht, um den Eimer mit Schweineblut fallen zu sehen. Kritik, die sich schon der King-Roman gefallen lassen muss, gilt dafür für beide Filme, denn es ist schon höchst unwahrscheinlich, dass zuvor kratzbürstige Schulkolleginnen Carrie und ihren Abschlussballpartner plötzlich zur Siegerin kühren, damit sie zufällig auf DER Bühne steht, wo später das Schweineblut auf sie hernieder geht – zumal nie geklärt wird, ob im Voting vielleicht auch Chris ihre Finger im Spiel hat. Die Blu-ray enthält auch eine (nicht synchronisierte) Fassung mit alternativem Ende, das aus filmischer Sicht des Remakes sogar schlüssiger wirkt.
Bild- und Tonqualität
Leicht bräunliche Filter bewirken einen erdigen Look, die Farben wirken dazu ein wenig verwaschen und schmuddelig. So entsteht eine optische Nähe zum 70er-Jahre-Look des Originals. Der Kontrastumfang in Carrie ist deshalb eher mittelprächtig und die Schärfe könnte gerade in Halbtotalen noch besser sein. Bei Close-ups sieht es etwas knackiger aus.
Akustisch gelingen sowohl die deutsche dts- als auch die englische dts-HD-Masterspur sehr gut. Dialoge und Stimmen kommen in Carrie hervorragend eingebettet aus dem Center, die Musik, oftmals dezent, gelangt stimmungsvoll in den Raum und die Tricksequenzen, die Carries Telekinese begleiten, werden erstaunlich effektvoll und mit ordentlich Nachdruck transportiert. Immer wieder grummelt es bedrohlich aus dem Subwoofer. Und wenn ab Minute 75 Carries Wut ihren Lauf nimmt, feuern die Speaker aus allen Rohren.
Bonusmaterial
Der Audiokommentar von Regisseurin Kimberly Peirce ist eher sachlich gehalten, aber dennoch sehr informativ. Neun entfernte Szenen ergänzen den Kommentar und vier Featurettes gesellen sich hinzu. So erfahren wir, wie der Stunt mit dem brennenden Mädchen auf der Prom-Night realisiert wurde und bekommen knapp 20 Minuten Einblick darin, wie “Carrie” realisiert wurde. In “The Power of Telekinesis” wird dann näher auf die entsprechenden Fähigkeiten der Hauptfigur eingegangen und “Telekinetic Coffee Shop Surprise” zeigt, wie sich das Drehteam einen Spaß mit ahungslosem Publikum machte, nachdem sie einen Raum so präparierten, dass telekinetische Fähigkeiten simuliert und vorgeführt werden konnten.
Fazit
Das Remake von Carrie begeht nicht den Fehler, die heutigen Techniken zum Selbstzweck verkommen zu lassen, sondern konzentriert sich ebenfalls auf das Psychogramm eines gemobbten und von der Mutter im Käfig religiösen Fanatismus gehaltenen Käfigs. Beide Filme haben ihre starken und ihre schwachen Seiten und gleichermaßen Existenzberechtigung.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalfassung): 85%
Bonusmaterial: 50%
Film: 65%
Anbieter: 20th Century Fox
Land/Jahr: USA 2013
Regie: Kimberly Peirce
Darsteller: Chloe Grace Moretz, Judy Greer, Portia Doubleday, Julianne Moore
Tonformate: dts HD-High Resolution 5.1: en // dts 5.1: de, fr
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 100
Codec: AVC
FSK: 16