Cobbler – Der Schuhmagier

Blu-ray Review

Cobbler Der Schuhmagier Blu-ray Review Cover
Ascot Elite, ab 15.05.2015

OT: Cobbler

 


Neue Perspektiven

Von Gurken und Bestimmungen.

Inhalt

Max Simkin betreibt den Schusterladen seiner Familie nun schon in der vierten Generation – allerdings eher gezwungenermaßen. Eigentlich würde er lieber raus aus der Lower Eastside. Trotz seines nicht mehr ganz jungen Alters hat er seinen Platz im Leben offensichtlich noch nicht gefunden, zumal er seinem Vater nie verziehen hat, dass er die Familie hat sitzen lassen. Während sein guter Bekannter Jimmy, der Friseur von nebenan, Max immer mal wieder dazu animiert, doch endlich mal eine Frau anzusprechen, schützt sich Max lieber hinter seiner Fassade aus Missmut, Resignation und Selbstmitleid. Als er eines Tages die Schuhe des Kleingangsters Ludlow reparieren soll, gibt seine Nähmaschine den Geist auf. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Uraltmodell seines Vaters zu reaktivieren und die Schuhe damit zu fertigen. Die reine Neugier lässt ihn Abends beim Warten auf Ludlow die teuren Ledertreter anziehen, und was dann passiert, hätte er sich nicht zu träumen gewagt: Kaum die Schuhe an den Füßen, sieht er aus wie Ludlow selbst. Offenbar verwandelt er sich in die Besitzer derer, deren Schuhe er mit der alten Maschine genäht hat. Von nun an sieht Max sein Leben mit anderen Augen – oder vielmehr durch die Augen anderer, was ihm vielseitige Einblicke gewährt. Gut, manchmal nutzt er es auch einfach, um sich unbemerkt das Laufwerkzeug auszuziehen und unerkannt zu verschwinden, nachdem er teuer gegessen hat. Blöd ist nur, dass er bei der Eroberung der hübschen Nachbarin die „geborgten“ Schuhe ihres Freundes anlassen müsste, wenn’s dann doch intim würde – naja, man kann nicht alles haben. Zumal Max irgendwann merkt, dass die Körperwechselei noch andere Möglichkeiten bietet, als einfach Spaß zu haben. So beginnt er sich für die Aktivistin Carmen zu interessieren – und die könnte durchaus ein bisschen magische Hilfe beim Schutz der traditionellen Atmosphäre und Geschäfte der Lower East Side gebrauchen …

Thomas Mccarthy, der häufiger als Darsteller denn als Regisseur in Erscheinung tritt (und das in so unterschiedlichen Filmen wie Jacksons In meinem Himmel, Emmerichs 2012 oder Tony Gilroys Duplicity), nimmt nach drei absoluten Independent-Highlights (Station Agent, Ein Sommer in New York, Win Win) eine leichte Kehrtwendung und inszeniert eine Body-Switch-Komödie – noch dazu mit Adam Sandler. Doch Stopp! Wer jetzt voreilige Schlüsse zieht, sollte noch mal kurz innehalten und reflektieren, dass Cobbler – Der Schuhmagier nicht mal ein Kinostart in den USA vergönnt war. Drüben wie hier war nicht mehr drin als eine Direct-to-Video-Veröffentlichung. Was für diverse Filme mit großen Stars ein vernichtendes Urteil sein könnte (Ausnahmen wie Lucky # Slevin bestätigen die Regel), könnte im Falle von Adam Sandler ein Indiz dafür sein, dass es mal nicht um dessen typischen und infantilen Pipi-Kacka-Humor geht. Und richtig: Zwar gibt die Körper-Wechsel-Geschichte immer wieder auch Anlass für humorvolle Szenen, doch Adams Rolle in Cobbler ist ernsthaft und tiefgründig angelegt, der Humor ist bittersüß und verschmitzt, zu keiner Zeit schenkelklopfend. Selbst die ersten Body-Switch-Szenen sind eher dezent und nicht auf die übliche chaotische Panik ausgelegt. Schon fast liebevoll sind die Szenen, in denen Max dann allerhand Schuhmodelle aus seinem Laden ausprobiert, diese noch mal mit der alten Maschine bearbeitet und sich in zig anderen Körpern wiederfindet – das hat inszenatorisch rein gar nichts mit bekannten Werken wie 30 über Nacht oder Switch – Die Frau im Manne zu tun (kleiner Coup am Rande: Thomas McCarthy hat Ellen Barkin, die seinerzeit den Körper mit Jimmy Smits wechselte, in einer Rolle besetzt). Sandler selbst agiert sensibel, feinfühlig und zurückhaltend. Manchmal könnte man meinen, sein Max ist schon ein alter und gebrochener Mann. Erstaunlicherweise ist der Darsteller offenbar immer dann gut, wenn er tragische Figuren spielt, wie es zuletzt in #Zeitgeist der Fall war. Es ist Cobbler gar nicht hoch genug anzurechnen, dass er die Körper-Wechsel-Momente nicht für billige Gags oder flache Zoten ausnutzt, sondern seinen Figuren stets mit Respekt begegnet. Wie zum Beispiel in der berührenden Szene, in der Max seiner Mutter ein letztes Date mit ihrem vor Jahren abgehauenen Mann Abraham beschert.

Ohnehin sind es die zahlreichen, sehr gut besetzten Nebenrollen, die Cobbler zusätzlich gut tun. Dass keine der Figuren, in deren Körper Max schlüpft, lächerlich oder überhöht wirkt, liegt an den sorgsam ausgewählten Darstellern – einzig Method Man als Gangster Ludlow ist klischeehaft geraten. Gerade dessen Rolle gibt dem Rapper/Schauspieler aber die Möglichkeit, zwei sehr unterschiedliche Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Allerdings, und das ist das größte Manko des Films: Der Nebenplot mit dessen Ganoven ist für den Film entbehrlich und scheint für die Komödienfraktion hineingeschrieben worden zu sein, denn letztlich geht’s vor allem um die Selbstfindung eines Menschen und um das Schützen von Traditionellem, nicht um einen Kleinganoven, der seine Freundin schlägt und krumme Geschäfte macht. Der Ton während dieser Szenen mag nicht so ganz zum Rest des Films passen. Was hingegen sehr wohl passt, ist die (nicht ganz so) überraschende Schlusspointe, die sich längere Zeit ankündigt und den Film dennoch zu einem sehr versöhnlichen und schlüssigen Ende verhilft – leichter Märchentouch inklusive.
Was Cobbler ebenfalls ausmacht, ist sein Schauplatz der New Yorker Lower Eastside und seine authentische Ausstattung. Die Atmosphäre, die durch die kleinen Handwerksläden auf den Nebenstraßen des Big Apple erreicht wird, ist unvergleichlich. Stets meint man, dass es aus den Gullideckeln feucht dampft und der Himmel immer etwas wolkenverhangen und grau ist. In der Originalfassung kommt in der Eröffnungsszene sogar noch das Flair des Yiddish hinzu, das die deutsche Synchronisation an dieser Stelle schlicht ignoriert. Gerade in diesen ersten fünf Minuten des Films wird klar, dass man alles, was man bisher an Vorurteilen über Sandler-Filme angesammelt hatte, über Bord werfen sollte. Dazu trägt im Übrigen auch die Kameraarbeit von W. Mott Hupfel III (Geschwister Savage) bei, der immer wieder wunderschöne Einstellungen der arbeitenden Nähmaschine einfängt und einen liebevollen Blick fürs Detail hat. Und um das Ganze komplett abzurunden, begleitet die im aschkenasischen Judentum verwurzelte Klezmer Filmmusik die Einstellungen kongenial.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Cobbler ist geprägt von einer warmen Farbgebung, bräunlichen Filtern und einem eher weichen Look. Die Schärfe ist deshalb eher mittel und lässt Details nur bedingt prägnant erscheinen. Durch den etwas geringen Kontrastumfang wirken die Einstellungen immer etwas schwachbrüstig. Ebenso gibt es eine dezente Unruhe rund um die Figuren.
Beim Ton von Cobbler gibt’s zumindest keine offensichtlichen Fehler zu bemängeln. Die Stimmen könnten zwar etwas harmonischer eingefügt sein und weniger hallend rüberkommen, doch ansonsten gehen Atmosphäre, Musikwiedergabe und der eine oder andere direktionale sowie viele Stereo-Effekte schon in Ordnung. Dass es hier nicht brutal dynamisch oder effektlastig wird, dürfte anhand des Filmthemas klar sein.

Bonusmaterial

Neben Original- und Alternativtrailern gibt’s im Bonusmaterial von Cobbler noch ein 15-minütiges Behind the Scenes, das die Entstehung der Geschichte beleuchtet, die Darsteller zu Wort kommen lässt und auch die Schauplätze, bzw. deren Entwicklung werden porträtiert.

Fazit

Cobbler – Der Schuhmagier bringt gleich zwei Kunststücke fertig: Zum einen ist es der charmanteste aller Körper-Wechsel-Filme und zum anderen zeigt er Adam Sandler in einer seiner bemerkenswertesten Rollen. So ist McCarthys jüngste Regiearbeit vielleicht nicht auf dem qualitativ gleichen Niveau wie Station Agent, dafür aber vollkommen anders als man zunächst erwartet hätte – und das ist ausnahmslos positiv gemeint.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 30%
Film: 75%

Anbieter: Ascot Elite
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Thomas McCarthy
Darsteller: Adam Sandler, Dustin Hoffman, Method Man, Ellen Barkin, Steve Buscemi, Dan Stevens
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 98
Codec: AVC
FSK: 12

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