Blu-ray Review
OT: Crawl
Der beste Jäger von Allen
Effektiver Tierhorror vom französischen Horrorspezialisten.
Inhalt
Hurrican Wendy steuert auf die Küste von Florida zu. Haley hat davon gerade nichts mitbekommen, weil sie als Leistungsschwimmerin beim Training war. Als ein Anruf ihrer Schwester reinkommt, macht diese sich Sorgen um den gemeinsamen Vater Dave, von dem sie ebenfalls nichts mehr gehört hat und dessen Haus in dem Bereich liegt, wo das Unwetter auftreffen wird. Haley hat zwar schon lange keinen Kontakt mehr zum Daddy, fährt aber hin und kämpft sich durch den unfassbaren Regen. Während um sie herum alle anderen durchdrehen und die Ortschaft evakuiert wird, schlägt sie sich durch die aufgeschwemmte Pampas und sieht bereits die ersten Häuser im Wasser versinken. Als sie den Papa in seinem Domizil nicht findet, fährt sie zum gemeinsamen Ex-Elternhaus. Das steht derzeit zum Verkauf und möglicherweise hat sich Dave dorthin zurückgezogen. Tatsächlich entdeckt sie dort den Vater verletzt im Keller liegen. Wobei Keller geschönt ist, denn es handelt sich eher um eine matschige Kriechebene, die natürlich als erstes vollläuft, wenn das Wasser kommt. Und das Wasser kommt. Und nicht nur das, sondern mit ihm auch angriffslustige Alligatoren aus einer nahen Alligatorfarm, die von der Überschwemmung ebenfalls heimgesucht wurde …
Der Name Alexandre Aja lässt Genrefans aufhorchen. Zu Recht. Denn gemeinsam mit Pascal Laugier oder Xavier Gens gehörte er zu der Riege junger Regisseure, die maßgeblich dazu beitrug, dass aus Frankreich eine neue Härte in den Horrorfilm Einzug hielt, die man so nicht erwartet hatte. Sein High Tension war 2003 die perfekte Verquickung aus beklemmender Spannung, schneidender Atmosphäre und unerbittlicher Gewalt. Kein Wunder, dass Hollywood schnell auf Aja aufmerksam wurde und ihm in einer Zeit der Remakes die Neuverfilmung von The Hills Have Eyes anbot. Nicht wenige Zuschauer attestierten seiner Neuverfilmung des Originals von Wes Craven aus dem Jahre 1977 eine mindestens ebenbürtige Stimmung und Qualität. Es folgte mit Mirrors ein ordentlicher Mystery-Grusler (übrigens ebenfalls ein Remake) und mit Piranha 3D eine weitere Neuverfilmung. In Letzterer übte sich Aja schon mal im Subgenre des Tierhorrors, unterscheidet sich aber von Crawl in einem entscheidenden Punkt: Wo Piranha die absurde Prämisse für ein sarkastischen und schwarzen Humor nutzt, bleibt der Alligator-Horror frei von jeglicher Komik.
Aja nimmt das Szenario todernst, was anhand der durchaus realistischen Ausgangslage auch Sinn macht und seine Wirkung nicht verfehlt. Ganz im Gegenteil. Durch das reduzierte Setting im Keller ist die Spannung zum Greifen nahe. Von sämtlichen Tierhorror-Filmen der letzten Jahre dürfte Crawl nicht nur der fesselndste, sondern vor allem auch der härteste sein. Wenn Aja etwas weiß, dann, wie man Wirkungstreffer landet – und das trotz seines verhältnismäßig geringen Budgets.
Denn, so realistisch muss man sein: 13 Mio. Dollar sind nicht gerade viel, wenn man auch visuelle Effekte wie düster-graue Wolkengebilde oder kampfbereite Alligatoren integrieren muss. Ganz nebenbei brauchte man noch reichlich Regen während der Außenaufnahmen, was sicherlich auch nicht kostengünstig zu haben ist. In Anbetracht dieser schmalen Ausgaben ist das Ergebnis umso beachtlicher. Denn die Angriffe der gepanzerten Viecher geraten effektiv und realistisch. – okay, die Spinnen nach gut 43 Minuten dann eher nicht. Aber welcher Schauspieler lässt sich schon gerne handtellergroße Achtbeiner über den Rücken laufen.
Dennoch: Bedingt durch die extremen engen Platzverhältnisse im Keller ergeben sich spätestens nach Eintreffen des zweiten Alligatoren derart packende Momente, dass einem schon mal der Atem stockt. Und je mehr es draußen regnet, desto höher steigt in dem Kellergewölbe das Wasser und desto spannender wird’s. Erstaunlich dabei, dass Aja es immer wieder schafft, schlüssig zu erklären, warum die Tiere für den Moment abgeschüttelt werden können. Wirklich tiefe Logiklöcher hat Crawl nicht aufzuweisen.
Parallel erzählt der Film natürlich auch noch eine Vater-Tochter-Geschichte. Eine, die von gewissen Enttäuschungen der letzten Jahre geprägt ist und die erst gewisse Spannungen überwinden muss, bevor man sich gemeinsam aus der misslichen Lage arbeiten kann. Klar, das ist nicht sonderlich innovativ, aber es ist realistisch und nachvollziehbar gespielt.
Barry Pepper als Dave und die aus Maze Runner bekannte Kaya Scodelario als Haley geben ein gutes, kraftvolles und authentisches Gespann ab. Außerdem muss man ihnen Respekt zollen. Gut 2/3 des Films spielen wahlweise im Schlamm oder im Wasser oder im schlammigen Wasser – sicherlich nicht die angenehmste Dreherfahrung, selbst wenn man es angenehm temperiert hatte. Und dass der Dreh kräftezehrend war, kann man gut im Bonusmaterial nachsehen.
Aja hält zudem das Tempo bis zum allerletzten Bild konstant hoch und lässt dem Zuschauer kaum Zeit zum Verschnaufen. Nach ein paar kleineren Durchhängern ist der französische Regisseur damit wieder obenauf, im Genrekino.
Bild- und Tonqualität
Die Blu-ray von Crawl punktet mit messerscharfen Close-ups, in denen man jede Einzelheit auf Gesichtern ablesen kann – unabhängig, ob das in den wenigen gut ausgeleuchteten Szenen geschieht oder im düsteren Keller-Szenario. Farben gelangen zudem allermeist sehr kräftig zum Auge, was man schön am roten Jeep Haleys sowie ihrer orangefarbenen Jacke zu Beginn ablesen kann. Die Kontrastflanken sind bisweilen allerdings etwas steil, was schon mal zu etwas harschen Hell-Dunkel-Übergängen auf Gesichtern führt. Im Sinne der Technik ist das nicht wirklich schön, aber es passt zum Schmuddel-Szenario in den düsteren Gewölben
Die Bildruhe ist derweil sehr hoch – zumindest solange es im Hellen bleibt. Im Keller nimmt dann die leichte Schwäche in der Schwarzdurchzeichnung zu und die Kontraste werden noch etwas steiler – der typische Stil des Horrorfilmers Aja. Rein von der Stimmung passt das hervorragend zum schmutzig-matschigen Setting und steigert die Spannung sogar noch. Selbst wenn das optisch nicht perfekt aussieht, wirkt es passend.
Ganz vereinzelt sind Banding-Artefakte zu sehen, wenn die Kamera mit den Protagonisten unter Wasser geht. Allerdings ist die Datenrate auch dort beständig hoch und anhand solch schwieriger Bilder hält sich das in überraschend engen Grenzen.
Leider (erneut) typisch für Anbieter Paramount: Crawl kommt für die Synchro nur mit einem antiquierten Dolby-Digital-Ton, während die englische Fassung mit unkomprimiertem dts-HD-Master sowie 7.1 Kanälen aufwartet.
In der Praxis bedeutet das im direkten Vergleich, dass die englische Spur eben noch diese hörbar größere Offenheit und Präsenz hat, die der hiesigen Version etwas abhanden kommt. Für eine Dolby-Digital-Spur klingt sie allerdings nicht schlecht und hat vor allem erstaunlich viel Substanz. Schon die anfänglichen Szenen im Schwimmbecken nutzen ein paar wuchtige Bass-Signale für eine eindrucksvollen Einstand. Effektvoll geht es dann in den windigen Szenen zu, die den Sturm recht räumlich ins Heimkino transportieren. Dass die DD-Spur durchaus richtig Pfund hat, merkt man, wenn nach knapp einer Viertelstunde der erste Jumpscare für einen heftigen Hallo-Wach-Effekt sorgt. Hier kann die Kompression zeigen, dass sie zu den gelungeneren ihrer Art gehört. Zwar ist die englische Fassung zum einen lauter und zum anderen noch etwas differenzierter, aber so richtig meckern kann man über die deutsche Tonspur nicht. Immer wieder wechselt das Geschehen von der intimeren und gedämpfteren Keller-Atmosphäre raus in den Hurrican, was für zahlreiche heftige Dynamiksprünge sorgt. Allerdings kann man (für beide Tonfassungen) bemängeln, dass der Sound im Keller bisweilen etwas phasenverschoben klingt. Zwar dürfte das den außergewöhnlichen akustischen Verhältnissen dort unten angepasst sein, die man versuchte, authentisch zu reproduzieren, aber manchmal hat man das Gefühl, dass man sich kurz mal die Ohren durchpusten möchte.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Crawl gibt’s drei entfernte Szenen sowie einen im Comic-Stil gehaltenen alternativen Anfang, den Aja auch persönlich einleitet. Das halbstündige Making-of wartet dann mit zahlreichen Anekdoten auf. So gibt Produzent Sam Raimi preis, dass er schon 15 Jahre zuvor einen Brief an Aja geschrieben hatte, um mit ihm einen Film machen zu können. Während Alexandre sich dann für The Hills Have Eyes entschied, war der Brief noch vorhanden und tauchte wieder auf, bevor man sich gemeinsam Crawl vornahm. Erstaunlich sind dann die Bilder, die man vom Set des Hauses zu Gesicht bekommt, das komplett in einem kontrollierten Studio aufgebaut wurde. Erst recht beeindruckt ist man, wenn man sieht, wie man innerhalb zweier großer Lagerhallen in Belgrad die Soundstages errichtete, die dann mit fünf Mio. Liter Wasser geflutet wurden. Wirklich kaum zu glauben, dass man das Ganze für 13 Mio. Dollar realisiert hat. Und kaum zu glauben, dass die Darsteller diese Tortur über sich ergehen ließen – zumal Barry Pepper auch in den Pausen in seiner Rolle verblieb.
Weitere elf Minuten kümmern sich um die beeindruckend realistischen CGI-Alligatoren und in noch einmal anderthalb Minuten gibt’s einen Zusammenschnitt der blutigen Angriffe selbst.
Fazit
Wenn schon Tierhorror, dann so! Höllisch spannend, gut gespielt, atmosphärisch gefilmt – Alexandre Aja holt aus dem begrenzten Szenario und Budget das Maximum raus. Bild und Ton unterstützten das mit überdurchschnittlichen guten Werten.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 70%
Film: 80%
Anbieter: Paramount Home Entertainment Germany
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Alexandre Aja
Darsteller: Kaya Scodelario, Barry Pepper, Ross Anderson, Anson Boon, George Somner, Ami Metcalf
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // Dolby Digital 5.1: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 88
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder: © Paramount Pictures – Alle Rechte vorbehalten)
Trailer zu Crawl
Endlich wieder ein echter Aja, kompromisslos und gnadenlos, dazu brutal spannend. Jetzt hoffe ich doch auf eine knackige UHD, denn das Bild ist schon auf BD sehr gut.
Bis jetzt habe ich ihn nur über den iTunes Store in 4K/DV gesichtet. Kann mir nicht vorstellen, dass man ihn noch auf UHD bekommen (wird)…
Das würde ich sehr bedauern, obwohl die BD schon einen sehr guten Job macht. Könnte mir aber vorstellen, dass die UHD noch eine Schippe drauf legen würde.
Mir unbegreiflich, warum die nicht gleich eine UHD raus bringen.
Sam Raimi als Produzent und Aja auf dem Regiestuhl – das ist für jeden Horrorfan absolutes Pflichtprogramm. Dazu kommen noch all die Meisterwerke, mit denen sich Aja schmücken darf. Der Vollständigkeit halber möchte ich hier unbedingt noch das Remake von „Maniac“ erwähnen…wobei High Tension für mich eine der Terror- und Splattergranaten schlechthin ist neben „Inside“, und „Martyrs“. Das nur mal by the way. Zu „Crawl“ selbst muss ich sagen, dass mich tatsächlich schon lange kein Film mehr dermaßen mitgerissen und emotional gepackt hat. Aja hat es einfach drauf. Bei jedem einzelnen, perfekt platzierten Jumpscare sehe ich auch mal über die dünne Tonspur hinweg. Der wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.
Und natürlich mal wieder ein wirklich tolles Review, lieber Timo. 🙂
Tierhorror gehen immer,aber zugegeben gibt es da schon wenige gute Vertreter dieser Sparte.Und das Schweinchen Babe oder Free Willy zählen nun mal leider auch nicht dazu oder?
Nach der damals recht gut gelungen Anaconda oder dem augenzwinkernden Krokohorror Lake Placid war es doch schon sehr überschaubar im Genrebegriff Tierhorror.Und wenn man sich all die Billigproduktionen anschaut,ist da nicht viel dabei,was mir pers.gefällt.
Black Water oder Rogue-Im falschen Revier war ein erneuter Versuch diesen Aspekt wiederzubeleben.
Aber so richtig zügig zur Sache geht es endlich mal wieder in Crawl.Hier gefällt mir einfach „rundum alles“
Ich mag solche Art Filme mit Wassermassen,Schlamm,Unwetter und verstopfte Gullys 😉 (Hard Rain,The Impossible,The Finest Hours,San Andreas u.s.w) bei Crawl bekommt man gleich noch ein paar böse Alligatoren mit serviert.Perfekt!einfach perfekt.
Crawl begibt sich ganz weit nach oben ins Reich der Rangliste des Tierhorrors.
Klar,was mich begeistert, kann andere völlig kalt lassen.Für mich jedoch ist Crawl eine kleine Filmsensation geworden.
Grundsätzlich gebe ich Dir recht, nur nicht bei den: „bösen Alligatoren“.
Ich fand gerade toll, dass die Tiere so unaufgeregt waren. Die sind nicht böse, die sind nicht gut, die haben Hunger und schnappen sich was ihnen vor’s Maul kommt. Gerade der Mangel an Emotionen unterstrich den Horror noch mal.
Der film hat mir sehr gut gefallen. Die spannung war zum greifen nah und immer wieder zuckt man zusammen. Ganz klar der beste horror seit jahren.