Blu-ray Review
OT: Temnye vody
Geschwister
Spätes und (fast) vergessenes Italo-Horror-Werk.
Inhalt
Elizabeth ist extra aus England angereist, um auf einer gottverlassenen Insel nach dem Grund zu suchen, der zum Tod des Vaters geführt hat. Sie kommt bei einem ziemlich stürmischen Wetter an, findet aber dennoch jemanden, der sie in seinem Boot zu dem kleinen Eiland übersetzt. Sämtliche Menschen begegnen Elizabeth feindselig. Nur die junge Sarah, die sie in einem Kloster unterbringt, erscheint freundlich. Dort stellt Elizabeth ihre ersten Nachforschungen an, denn die Tatsache, dass ihr Vater das Kloster zu Lebzeiten finanziert hat und sie selbst dieses Geld als Erbe weiter bezahlen soll, lässt sie zumindest stutzig werden. Doch bald geht es nicht mehr um die Finanzen. Denn Elizabeth beobachtet Rituale und wird bald von den Nonnen des Klosters selbst bedroht. Doch das ist noch gar nichts gegen das, was sie erwartet, als sie tief in ihre Kindheit vordringt …
Mariano Baino hat genau einen Langfilm auf dem Konto: Dark Waters. Sein 1993 von ihm selbst geschriebenes Werk ist ein Kuriosum. Baino ist Italiener, sein Film ein Spätwerk des Italo-Horrors. Finanziert wurde er größtenteils von russischen Produzenten (was die Drehorte in Moskau und auf der Krim erklärt) und darstellerisch geben sich vor allem ukrainische Schauspieler die Ehre. Die Story indes atmet die Motive eines H. P. Lovecraft. Das gibt auch der Regisseur selbst in seinem (sehr empfehlenswerten) Audiokommentar zu Protokoll – allerdings fiel es ihm stärker auf, je öfter er sich den Film am Ende ansah.
Stilistisch darf man sich auf ein Werk freuen, das Bilder über Dialoge setzt – weit über Dialoge. In stimmungsvollen und aufwändig produzierten Kulissen fängt die Kamera in Brand gesteckte Kreuze, blutige Messer, tausendfach brennende Kerzen und okkulte Rituale ein, während in den ersten 17 Minuten genau ein Satz gesprochen wird. Frei nach Alfred Hitchcock, den Baino im Audiokommentar mit den Worten zitiert, dass Dialoge immer nur “der letzte Ausweg” sein sollten und man einen Film über Bilder erzählen sollte, wenn man es kann.
Zu den visuellen Szenen schwebt ein keyboardlastiger Orgelsound über dem Geschehen und der rote Regenmantel der Protagonistin (ein starkes Symbol als Reminiszenz an die Märchen der Gebrüder Grimm) fängt den Blick des Zuschauers ein. Als Ankerpunkt dient dieser in einem düsteren Setting, das von Unheil kündet.
Der Ankerpunkt wird noch dadurch unterstützt, dass Hauptdarstellerin Louise Salter weit über dem Niveau vergleichbarer Produktionen der Zeit spielt. Das brachte ihr immerhin noch die Rolle eines Blutsaugers in Interview mit einem Vampir ein, während sie später vornehmlich in TV-Serien auftrat. Als Elizabeth schaut sie zwar ein wenig zu oft mit leicht geöffnetem Mund wie ein Modell der 90er in die Kamera, aber ihre Dialoge und ihr Verhalten wirken authentisch. Glücklicherweise fällt Dark Waters auch nicht in die klischeehafte “Frauen-sind-alle-panisch-kreischende-Opfer”-Schublade, die man von Horrorfilmen aus der Zeit kennt.
Elizabeth stellt in den alten Gemäuern des Klosters ihre Nachforschungen an und die Kamera fängt das in sehr atmosphärischen, gruseligen Bildern ein. Unvergleichlich bspw. die Szene, in der die Kamera per Steadycam durch dunkle katakombenähnliche Gänge fährt, die von tausenden erleuchteter Kerzen gesäumt wird.
Offenes Feuer ist ein Thema in Dark Waters – ein Thema, das als Gegenpol zum Wasser fungiert. Wasser ist in unterschiedlichen Formen praktisch dauerhaft vorherrschendes Element in diesem Film – ob durch die starken Regenfälle, den Ozean um die Insel selbst oder auch die unterirdischen Flüsse unter dem Kloster.
Und während man all diese visuellen Stilmittel beobachtet, sich von den Ideen und extra gebauten Sets gefangen nimmt, entwickelt Dark Waters tatsächlich ein eigentümliches Flair. Man sollte allerdings konzentriert bei der Sache bleiben, denn nicht jede Überraschung des Films erschließt sich, wenn man den Film “so nebenbei” konsumiert. Lässt man sich aber drauf ein, intensiviert sich die Geschichte bis zum lovecraft’schen Ende mit
Bild- und Tonqualität
Dark Waters kommt im Mediabook von Wicked-Vision als deutsche Erstveröffentlichung. Deren Bild ist erstaunlich defektfrei und lässt nur hier und dort mal kleinere Blitzer erkennen. Das Korn des auf 35mm gedrehten Films wird authentisch reproduziert und nur in der Eröffnungseinstellung wirkt es etwas gefiltert. Ansonsten bleibt es griffig und im besten Sinne analog. Dazu kommt ein erstaunlich hoher Kontrastumfang, der ordentliches Schwarz liefert und die Farben ziemlich satt reproduziert. Dass die Produktion nicht mit dem hochwertigsten Material geschah, lässt sich an der etwas schwachen Schärfe in Totalen ablesen. Close-ups und Halbtotale gefallen indes mit einer wirklich guten Auflösung – immer eingedenk der Tatsache, es mit einem 93er Genrefilm zu tun zu haben.
Beim Ton, der in dts HD-Master 2.0 (vermutlich gedoppeltem Mono) vorliegt, muss man gegenüber dem Bild ein paar Abstriche machen. Er klingt dann doch nicht ganz so offen und voluminös wie heutige Produktionen – was ja auch nicht zu erwarten ist. Hier und da gibt’s ein paar kurze Aussetzer und die Musik klingt etwas wackelig und belegt. Aber ansonsten lässt sich mit dieser Tonspur sehr gut leben.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Dark Waters wartet zunächst mit einem dicken 48-seitigen Booklet im Inneren des Mediabooks auf, das neben Original-Storyboards auch eine Kurzgeschichte von David Renske enthält. Dazu kommen die Hintergrundinformationen zum Film von Michele De Angelis, einem italienischen Filmproduzenten, der zahlreiche Gespräche mit Baino führte und auch dessen Audiokommentar auf der Disk begleitet.
Die Disk selbst beginnt mit einem Vorwort des Regisseurs und enthält neben zahlreichen Promo-Clips und Trailern noch fünf Featurettes. In “Lovecraft made me do it” schildert Baino, dass man als guter Filmemacher von Genrewerken die Angst kennen muss, um sie glaubhaft zu vermitteln. Natürlich geht er auch auf seine Lovecraft-Einflüsse ein. “Let there be water” nimmt noch mal die Zerstörung der Kirch unter die Lupe und “Controlling the Uncontrollable” führt aus, dass Baino ein ziemlich selbstkritischer Regisseur ist, dem bewusst ist, dass er gerne alles kontrollieren würde, aber beim Filmemachen auch gerne mal daran scheitert. “The Darkest Water” ist ein neues Making-of, das den Regisseur in derselben Aufmachung zeigt wie für das Intro, das er vor dem Film einspricht und das sich explizit auf die neue, deutsche Version bezieht. Es handelt sich also um ein Making-of, das bishr noch keiner gesehen hat.
Beneath Dark Waters wiederum ist ein Video-Essay von Pelle Felsch, einem freiberuflichen Autoren und Radiomoderator, der immer wieder kurze Abhandlungen für Heimkinoauswertungen von B-Movies verfasst.
Auf der zusätzlich enthaltenen Bonus-Disk liefert Anbieter Wicked-Vision dann richtig ab. Weitere drei Featurettes/Making-of warten hier sowie sieben Minuten an entfernten Szenen. Dazu gibt’s Versprecher/Bloopers und drei der Kurzfilme des Regisseurs. Zudem wurde ein Making-of zu “Never Ever After”, einem der Short-Films, integriert.
Diverse Bildergalerien komplettieren das reichhaltige Angebot.
Im eigentlichen Making-of “Deep Into the Dark Waters”, das gut 50 Minuten läuft und schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, kommen die Darsteller und natürlich auch der Regisseur ausgiebig zu Wort.
In “Dar Wasters Destroys Churches” erzählt Baino, wie sie die anfängliche Kirchenzerstörung in einem Schwimmbad filmten. “All Lovecraft’s Fault” schildert der Regisseur, wie er schon als Kind Horror-Literatur verschlang und die Angst ein treuer Begleiter wurde.
Sämtliche Extras sind deutsch untertitelt.
Fazit
Dark Waters mag hier und da etwas zerfahren inszeniert sein, weil das Geld dann doch an ein paar Ecken fehlte. Doch visuell gehört Bainos Film zum atmosphärischsten der damaligen Zeit. Die Blu-ray liefert dazu nicht nur die erstmalige Veröffentlichung in Deutschland, sondern ist technisch sehr gut und voller interessantem Bonusmaterial.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 100%
Film: 70%
Anbieter: Wicked-Vision Media
Land/Jahr: Italien 1993
Regie: Mariano Baino
Darsteller: Louise Salter, Mariya Kapnist, Venera Simmons, Lubov Snegur, Albina Skarga
Tonformate: dts HD-Master 2.0: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 92
Codec: AVC
FSK: –
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Wicked-Vision)