Darlin‘ 4K UHD

Blu-ray Review

Capelight Pictures, 29.11.2019

OT: Darlin‘

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Ungezähmt

Zum dritten Mal bekommen wir Einblicke in das Leben der Kannibalin aus Jack Ketchums Debütroman.

Inhalt

Darlin‘ ist verwahrlost und spricht nicht

Als der Pfleger Tony das verwahrloste Mädchen vor dem Krankenhaus aufsammelt, hat er keine Ahnung, mit wem er es zu tun hat. Er ahnt nichts davon, dass die Namenlose und des Sprechens nicht fähige junge Frau in der Wildnis bei einer Kannibalin groß wurde. Dennoch versucht er, freundschaftlichen Kontakt zu ihr aufzunehmen. Selbst dann noch, als sie ihm mehrfach aggressiv begegnet. Tony kann indes nicht verhindern, dass man das Mädchen in ein katholisches Heim steckt, das von einem zwielichtigen Bischof geführt wird. Dieser ist weniger interessiert daran, dem Mädchen zu helfen, als vielmehr aus ihre eine große Story zu machen. Ihre „Heilung“ soll als Aushängeschild für das Heim und einen Gewinn an Reputation und Achtung dienen. Währenddessen freundet sich das Mädchen mit einer weiteren Heiminsassin an, da Tony aufgrund seiner Homosexualität der Zugang zum Heim verwehrt bleibt. Was weder der Bischof noch Tony wissen: Die Mutter der Kleinen ist noch am Leben und möchte ihre Tochter zurück – koste es, was es wolle …

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Der Bischof will sie für seine eigenen Zwecke missbrauchen und domestizieren

Jack Ketchum hatte 1979 mit Beutezeit einen derart kontroversen Horror-Roman verfasst, dass Ballantine Books nach anfänglich guten Verkäufen das Buch nicht mehr weiter publizierte. Ketchum, der als Sohn deutscher Einwanderer in New Jersey lebte, führte seine Geschichte um einen kannibalistischen Clan jedoch weiter. Mit Beutegier fokussierte er sich noch mehr auf die kannibalistisch lebende Gruppe und erzählte, dass diese neue Babys brauchten, um ihren Fortbestand zu sichern. The Woman beschloss dann die unter der Dead-River-Buchserie bekannte Reihe, die man daraufhin als Trilogie ansehen durfte – auch wenn der letzte Teil wohl nur deshalb zustande kam, weil Filmemacher Lucky McKee dazu stieß und die Story bei Ketchum anstieß.
Verfilmungen gab es auch, allerdings begannen diese 2010 mit Beutegier und gingen zwei Jahre später mit The Woman weiter. Zu Beutezeit gibt es bis dato keine filmische Adaption. Schaut man sich aber die beiden vorhandenen Filme an, fällt bis heute (neben teils expliziter Gewaltdarstellungen und einer bedrückenden Atmosphäre) vor allem eins auf: Hauptdarstellerin Pollyanna McIntosh. Die gebürtige Schottin spielte in den Filmen die namenlose Hauptfigur mit einer teils entfesselten und extrem leidenschaftlichen Performance. Die mittlerweile durch ihre Rolle als Schrottplatz-Diktatorin Jadies aus The Walking Dead einem größeren Publikum bekannte Darstellerin ist so etwas wie die Konstante in der Filmreihe. Deshalb erscheint es auch nicht verwunderlich, dass sie die Geschichte nun zu Ende bringen darf.
Als Regisseurin und Autorin ersetzt sie Lucky McKee und Jack Ketchum. Ketchum selbst durfte die Veröffentlichung des Films nicht mehr miterleben – er verstarb im Januar 2018 an Krebs.

Schwester Jennifer hat an ihrer eigenen Vergangenheit mit dem Bischof zu knabbern

Inhaltlich weicht McIntosh in Darlin‘ deutlich vom bisherigen Stil der Vorlagen ab, reflektiert aber auch hier gesellschaftliche Aspekte kritisch. Waren die Vorgänger beispielsweise Metaphern auf die Gewalt, die sich hinter der bürgerlichen Fassade verbirgt, ist dies hier zwar auch ein Motiv. Gleichzeitig knöpft sie sich aber noch die Scheinheiligkeit der Kirche vor und erzählt parallel eine Coming-of-Age-Story.
Indem die Geschichte – ausgehend von The Woman – einige Jahre vorwärts springt, bietet sich die Möglichkeit zu ergründen, was aus Baby „Darlin'“ geworden ist, nachdem sie von der namenlosen Kannibalin mitgenommen wurde und ihre Familie zuvor durch deren Hand verloren hatte. Aufgewachsen in der Wildnis hat sie die rudimentären Sprachbrocken ihrer Kindheit schnell verlernt und findet sich nun in einer Zivilisation wieder, die sie nicht kennt und in der sie nicht zurecht zu kommen scheint.
Dass sie überdies ausgerechnet in die Obhut eines katholisch geführten Kinderheims gegeben wird, macht ihre Lage nicht besser. Zumal die gehorsamen Nonnen unter der Fuchtel des Bischofs stehen, der das verwahrloste Mädchen gerne für seine Zwecke missbrauchen würde.
An Darlin‘ möchte er die Heil- und Wunderkraft seiner Einrichtung beweisen, um wieder Anerkennung (und mehr Geld im Klingelbeutel) zu erzielen. Leider bleibt die Charakterisierung des Geistlichen nicht klischeefrei und bedient sich allzu gerne den gängigen Stereotypen (sexueller Missbrauch inklusive). Natürlich ist das immer noch ein verwerfliches Thema, das es zu verachten und kritisieren gilt. Allerdings wirkt es in einer filmischen Aufbereitung mittlerweile ein bisschen simpel.

Darlin‘ wird beäugt

Um den Rundumschlag komplett zu machen, gibt’s auch noch eine Breitseite gegen Homophobie, was in der Summe gelungener erscheint als das Thema des sexuellen Missbrauchs. Das wiederum liegt auch an Cooper Andrews in der Rolle des Tony. Der ebenfalls aus Walking Dead bekannte Darsteller (dort als Jerry, die rechte Hand von König Ezekiel, am Start) zeigt nach Shazam! erneut, dass er auch abseits von Zombie-Epidemien eine gute Figur abgibt.
Pollyanna McIntosh selbst darf gleichzeitig für den schwarzen Humor und den Horroranteil sorgen. Während sie in einem Moment im Inneren eines Autos durchdreht und für einen Lacher sorgt, erledigt sie im nächsten gleich mehrere Widersacher auf blutige Art und Weise. Das ist in Sachen Gewaltschraube etwas zurück gedreht, wenn man von den düster-blutigen Vorgängern ausgeht, scheint aber ganz bewusst mit einem lockeren Ton unterlegt worden zu sein. Darlin‘ überrascht immer wieder, weil sich Horror, Drama, Gesellschaftskritik und Humor scheinbar nicht vereinen wollen. Allerdings wirkt das bewusst so gestaltet, um den Zuschauer immer wieder ein bisschen in seiner Erwartungshaltung zu unterlaufen.
Dass die eigentlich trashige Story nicht der Lächerlichkeit anheim fällt, liegt neben McIntosh und Andrews aber vor allem an der jungen Lauryn Canny. Sie spielt Darlin‘ mit einer großen Dynamik aus Wut, Neugier, Verzweiflung und sensibler Verletzlichkeit. Und wenn sie mit ihrer Freundin aus dem Heim im Wald einen Joint raucht und zu Rockmusik tanzt, hat Darlin‘ seine besten und wahrsten Momente.
Spätestens nach gut 70 Minuten wird dann auch klar, warum das Mädchen von ihrer Ziehmutter überhaupt erst in Krankenhaus-Nähe gebracht wurde, was zunächst eins der größeren Fragezeichen darstellt, später aber für die dramatischsten Entwicklungen sorgt.

„The Woman“ ist auf der Suche nach Darlin‘

Bild- und Tonqualität BD

Darlin‘ will nicht so enden wie ihre ältere Schwester

Darlin‘ präsentiert sich im ungewöhnlichen Format von 2.00:1 und liefert gleichzeitig sehr ruhige und rauscharme Einstellungen. In den dunkleren Bildern kann man zwar ein geringes Korn ausmachen, doch das nimmt nie Überhand oder wirkt gar störend. Die helleren Einstellungen sind tatsächlich sehr hell und lassen es an Kontrastdynamik vermissen. Im Sinne des Films wirkt das jedoch schlüssig, weil es die scheinbar so heilige Umgebung des katholischen Heims auch visuell unterstreicht.
Farben könnten etwas kräftiger, der Schwarzwert satter sein. Wird’s wieder dunkler geht Letzterer noch in Ordnung, wirklich knackig ist er aber zu keiner Zeit. Close-ups sind ansprechend scharf, ohne bis ins allerletzte Detail zu gehen – hin und wieder gibt’s aber schon mal ein paar unscharfe Randbereiche aufgrund der verwendeten Optiken. Außerdem sind Totale nicht immer gut fokussiert (17’57) und manchmal gibt es bewusst eingesetzte weiche Bilder. Artefakte bleiben trotz einer bisweilen niedrigen Datenrate glücklicherweise meist aus.
Beim Ton liefert die Blu-ray (wie auch die UHD) von Darlin‘ eine unkomprimierte dts-HD-Master-Spur, die auf die sauber akzentuierten Dialoge setzt und den melancholischen Filmscore dezent auf die Surroundspeaker. Dynamisch wird’s vor allem, wenn „The Woman“ ihren blutigen Feldzug startet und ihren Gegnern mit gruseligem Gegrunze an die Gurgel springt. Im Krankenhaus stimmt zudem die Atmosphäre, wenn Türen quietschend öffnen oder im Hintergrund zugeschlagen werden. Der Autounfall und vor allem die Taufe Darlins sorgen dann tatsächlich für eine hör- und spürbare Dynamik (42’24, 73’00). Auch der Schuss im Finale kommt trocken und präzise (90’39). Der gelungenste Sound offenbart sich allerdings im Abspann während des Titelsongs.

Bild- und Tonqualität UHD

Showdown in der Kirche

Darlin‘ ist ein kleiner Independent-/Genrefilm. Das macht sich auch in den verfügbaren Informationen bemerkbar. Abseits dessen, was die Disk selbst hergibt, waren keine weiteren Informationen zu den verwendeten Kameras oder gar zum genutzten Digital Intermediate heraus zu bekommen.
Aus diesem Grund beschränken sich die Infos zur Disk auf die entsprechend auslesbaren. Die geben an, dass die Scheibe mit einem im Rahmen von Rec.2020 erweiterten Farbraum sowie mit der statischen HDR-Funktion HDR10 abgemischt wurde.
In der Praxis sind die Bildunterschiede zur BD oft so gering, dass man den Eindruck hat, hier wäre lediglich eine HDR-Automatik drüber gehuscht. (Zu) Hell sind beide Disks in den meisten Szenen immer noch. Klar, das ist Stilmittel des Films, aber die UHD kann hier nur marginal mehr Dynamik erzeugen. Tut sie es, dann durch eine Anhebung der hellen Bereiche, um mehr Leuchtkraft zu entwickeln. Das ist in der Tat im direkten Vergleich am auffälligsten und sorgt für das plastischere Bild. Eine ganz dezent wärmere, bzw. leicht gelbliche Farbgebung geht damit einher, was aber den arg blassen Gesichtern der BD subjektiv überlegen ist.
Kommen Farben hinzu wie die rote Robe des Kardinals, werden diese knackiger und kräftiger dargestellt. Die Schwarzwerte bleiben allerdings mau und wirklich satte Kontraste erzielt auch die UHD nicht. Insgesamt läuft sie dafür noch etwas ruhiger und bei genauem Hinsehen auf Schriften und Detailhintergründen ist sie auch schärfer.

Blu-ray (16’08): (Slider ganz nach rechts): In den meisten Einstellungen bleibt die Blu-ray etwas schwächer ausgeleuchtet.

UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD bietet hier mehr Helligkeit, fällt dadurch aber in einen ganz dezent gelblichen Ton.

Blu-ray (89’05): (Slider ganz nach rechts): Beide Disks bieten eher helle und leicht überstrahlende Bilder.

UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD zeigt aber auch hier einen wärmeren Teint und ist etwas dynamischer im Licht.

Blu-ray (88’34): (Slider ganz nach rechts): Eine der kontrastreicheren Einstellungen des Films.

UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Hier ist die UHD dann tatsächlich sichtbar dynamischer und zeigt des Kardinals Robe satter und strahlender.

Blu-ray: (Slider ganz nach rechts): Die Auflösungsunterschiede zwischen BD und UHD sind im laufenden Bild nicht sehr auffällig.

UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Zoomt man etwas ins Bild, werden Schriften von der UHD aber klarer und besser lesbar dargestellt.

Zum Vergleich das Bild in voller Größe
Keine Änderung beim Ton. Auch die UHD kommt mit den dts-HD-Masterspuren der Blu-ray.

Bonusmaterial

Zwei entfallene Szenen sowie ein einminütiger Musikclip zum Titelsong warten neben Programmtipps im Bonusmaterial von Darlin‘.

Fazit

Darlin‘ ist anders als die beiden filmischen Vorgänger. Ihm fehlt sicherlich das Kontroverse, das The Woman ausmachte, was vor allem diejenigen enttäuschen könnte, die erneut einen Gewaltexzess erwartet haben. Im Gegensatz dazu spielt Pollyanna McIntosh verstärkt mit gesellschaftspolitischen Themen und mit den Ängsten, die junge Mädchen haben. Das wirkt zwar nicht immer schlüssig, überrascht dafür immer wieder.
Die UHD bietet die etwas größere Dynamik in den hellen Szenen und wärmere Hauttöne. Dazu gibt’s für die wenigen Farb-Elemente mehr Kraft.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität BD: 75%
Bildqualität UHD: 70%

Tonqualität BD/UHD (dt. Fassung): 70%
Tonqualität BD/UHD (Originalversion): 70%

Bonusmaterial: 20%
Film: 60%

Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Pollyanna McIntosh
Darsteller: Bryan Batt, Pollyanna McIntosh, Lauryn Canny, Nora-Jane Noone, Cooper Andrews
Tonformate BD/UHD: dts-HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,00:1
Laufzeit: 101
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Disk-Kapazität: BD-66
Real 4K: Ja/Nein (?? DI)
High Dynamic Range: HDR10
Maximale Lichtstärke: 889
FSK: 16

(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots liegt bei Anbieter: Capelight Pictures)

Trailer zu Darlin‘

DARLIN' Trailer (Deutsch)

 

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