Blu-ray Review
OT: Marrowbone
Wir sind eins!
Mal wieder ein Highlight aus spanischer Produktion.
Inhalt
Das Jahr 1969: Die Brüder Jack, Billy und Sam sowie Schwester Jane fliehen gemeinsam mit der Mutter vor dem Zugriff des Vaters. Unter dem Namen „Marrowbone“ beginnen sie im Elternhaus der Mutter ein neues Leben. Dort lernen sie auch die junge Allie kennen, die in der Nachbarschaft wohnt. Doch die Mutter ist krank und stirbt bald. Was für die verbliebenen Kinder allerdings bedeutet, dass sie noch stärker zusammen halten und sich schwören, dass sie nichts trennen kann. Sie verschweigen, dass die Mutter gestorben ist, um nicht Gefahr zu laufen, in Waisenhäuser abgeschoben zu werden – immerhin ist Jack, der Älteste der Geschwister, noch nicht 21 und damit nicht erziehungsberechtigt. Doch das ist nicht die einzige Sorge der vier Kids. Denn offenbar scheint ein Geist im Haus umherzugehen, der sich vor allem dann zeigt, wenn die Spiegel an der Wand nicht abgedeckt sind …
Spanien hat in Sachen Gruselfilm und Haunted-House-Subgenre den USA längst den Schneid abgekauft und mit Das Geheimnis von Marrowbone zementieren sie diesen Ruf erneut. Sergio G. Sánchez, der schon die Drehbücher zu den Genre-Hits Ende, Das Waisenhaus und The Impossible schrieb, darf nun nach eigenem Skript seinen ersten Langfilm inszenieren. Dabei nahm er sich erneut einen Gothic-Geschichte mit einem geheimnisvollen Haus als Motiv. Doch selbst wenn das Genre ein kleines bisschen ausgelutscht ist, kann man mit Atmosphäre und geschickter Inszenierung durchaus noch für Spannung sorgen. In Marrowbone beginnt Sánchez mit einer sorgfältig beschriebenen Farmiliengeschichte und stellt augenblicklich einen Bezug zu den Figuren her. Wie gut er dabei Spannung erzeugt, merkt man schon nach etwas über 30 Minuten – und in dieser Szene geht es „nur“ um eine Unterschrift. Doch selbst das inszeniert der Regisseur dermaßen packend, dass man gebannt an den Bildschirm gefesselt wird. Und je länger der Film dauert, desto atmosphärischer und spannender wird er. Das Gute daran: Die scheinbare Länge, die sich bei knapp zwei Stunden Laufzeit auftut, nutzt Das Geheimnis von Marrowbone geschickt mit der melancholisch angehauchten Story über die vier zu Waisen gewordenen Kinder, die sich zusammenraufen und zugleich aufkommende Spannungen bewältigen müssen. Und das würde nicht so gut funktionieren, wenn die Darsteller nicht so perfekt besetzt wären. George MacKay (11.22.63, Captain Fantastic) ist als Jack eine Wucht und der immer etwas irre wirkende Charlie Heaton (Shut in) ist ebenfalls vortrefflich als aufbegehrender Zweitgeborener. Wie die Schauspieler die inneren Konflikte und die Schmerzen ihrer Figuren verkörpern – das hat große Klasse. Und weil hinter der vermeintlichen Spuk-Geschichte wesentlich mehr steckt, tischt uns Sánchez nach gut 80 Minuten eine faustdicke Überraschung auf, die man weder kommen sieht, noch augenblicklich versteht. Umso bemerkenswerter ist es, wie der Film in der Folge Zeitsprünge und Scheinbarkeiten so verknüpft, dass man nach und nach alle Fäden miteinander verbinden kann.
Bild- und Tonqualität
Das Geheimnis von Marrowbone nutzt verschiedene Farbfilterungen, um entsprechende Stimmungen zu erzeugen. Die anfängliche Begehung des Hauses ist sichtbar in Grüne Töne eingetaucht, während andere Innenraum-Szenen braungold leuchten. Außen-Aufnahmen hingegen sind oft von erstaunlicher Natürlichkeit und Authentizität. Dazu ist das Bild blitzsauber und extrem laufstabil. Rauschen oder Körnung gibt’s praktisch nicht und die Kontrastgebung sorgt mit knackigem Schwarz und hellen Spitzlichtern für einen sehr dynamischen Bildeindruck – insgesamt ein herausragend gutes visuelles Erlebnis.
Auch beim Sound setzt Marrowbone viele Akzente. Die Stimmen sind schon äußerst gut verständlich und werden vom räumlichen Score unterstützt, der sich auf alle Lautsprecher legt. Die genutzten direktionalen Effekte sorgen für eine kristallklare und griffige Räumlichkeit. Wenn der Gewehrschuss nach etwas über zehn Minuten durch die Scheibe schlägt, flitzt er direkt am Zuschauer vorbei auf den rechten Rearspeaker (11’10). Ebenfalls großartig ist das Kratzen des Spiegels an der Wand, das so unmittelbar auf den Rears abgelegt wird, dass man eine Gänsehaut bekommt (ab 35’37). Und wenn der „Geist“ im späteren Verlauf poltert, wird es gar richtig dynamisch (81’47).
Bonusmaterial
Abgesehen von den Originaltrailern und Programmtipps bleibt das Bonusmaterial von Das Geheimnis von Marrowbone leider leer.
Fazit
Wenn gute Geschichten packend gespielt und inszeniert werden, kommt Genre-Kino oftmals aus Spanien. So auch in Das Geheimnis von Marrowbone, das ebenso spannend wie tragisch und traurig ist – ein echtes Gothic-Grusel-Highlight.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 90%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 10%
Film: 85%
Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: Spanien/USA 2017
Regie: Sergio G. Sánchez
Darsteller: George MacKay, Anya Taylor-Joy, Charlie Heaton, Mia Goth, Matthew Stagg, Nicola Harrison
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 111
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universum Film)
Gute Filmbeschreibung und Empfehlung. Der Film hat mir sehr gut gefallen. Eine Kritik muss ich (gerade weil mir der Film gefallen hat) aber loswerden. Deine Einordnung des Filmes in das Genre Horror halte ich genau so falsch wie das Marketing rund um den Trailer. Hier haben wir es mit einem waschechten (Familien) Drama zu tun.
Das ist absolut korrekt, Markus.
Ein Horrorfilm ist es nicht. Eher ein Grenzgänger zwischen Drama und dem im Text erwähnten Gothic-Grusler.
Im Review ist ja von Horror dann auch die Rede nicht. Was die Übersichtsseite angeht, wo die einzelnen Filme in Genres unterteilt sind, steht er nun auch in der Kategorie „Drama“.