Der große Trip – Wild

Blu-ray Review

Der große Trip - Wild Blu-ray Review Cover
20th Century Fox, ab 21.05.2015

OT: Wild

 


Ein langer Weg

In Der große Trip begleiten wir Reese Witherspoon auf eine beschwerliche Reise zu sich selbst.

Inhalt

Cheryl hat ihre Mutter verloren, eine Ehe durch ihre ausschweifende Lebensart in den Sand gesetzt und auch sonst das Ziel vor Augen verloren. Ihr Entschluss ist zwar spontan, doch gesetzt: Sie wird den 1.800km langen Pacific Crest Trail bewandern. Drei Monate mit einem Rucksack, der schwerer ist als sie selbst und ohne jede Camping-Erfahrung. Schon das Schultern des Gepäcks wird jedes Mal zum Kampf. Doch Cheryl beißt, obwohl sie praktisch alle zwei Minuten ans Aufgeben denkt. Die lange Strecke ist angefüllt mit Reflexionen über ihre Vergangenheit, schmerzhafte Erinnerungssplitter und Begegnungen mit den Tücken der Natur. Erst als sie nach etwas 160km ein Camp erreicht, bekommt sie ein paar wichtige Reisetipps und räumt ihren Rucksack gehörig aus. Gleichzeitig geht sie von da an ein Stück seelisch erleichtert weiter und kämpft sich schließlich bis zum Ziel durch …

Dass Reese Witherspoon nicht nur die süße Blondine aus Natürlich Blond ist, sondern echtes Talent für tiefgründige Rollen hat, bewies sie spätestens mit Walk the Line und zuletzt mit Mud – Kein Ausweg oder The Devil’s Knot. In Der große Trip – Wild legt sie nun allerdings eine schauspielerische Tour de Force hin, die von der ersten Einstellung an beeindruckt. Mit dem Mut zum ungeschminkten, verschwitzten Gesicht und bisweilen eher verzweifelnd als erleuchtet setzt sie einen Schrtt vor den anderen und agiert extrem glaubwürdig. Dabei ist gerade ihre anfänglich noch naive Einstellung zum Packen des Rucksacks oder dem Aufbau des Zelts realistisch, denn so richtig vorbereitet hat sie sich augenscheinlich nicht. Jetzt muss man sich definitiv auf ein langsames Tempo einlassen, denn immerhin geht’s hier um Wandern und Selbstreflexion. Dennoch gibt es Momente, die auflockern. Wie beispielsweise das humorvoll augenzwinkernde Umräumen ihres Reisegepäcks. Sollte man Horror-Vielseher sein, muss man sich etwas von den üblichen Klischeegedanken befreien – nicht jeder Redneck in Der große Trip ist ein vergewaltigender Frauenmörder. Dennoch sorgen solche Situationen aufgrund der Erwartungshaltung auch für Spannung und Nick Hornby, der das Drehbuch nach dem erfolgreichen Buch der echten Cherly Strayed verfasste, nutzt solche Momente, um die Gefahren plakativ darzustellen, mit denen Cheryl konfrontiert war. Witherspoon war an der Geschichte sogar derart interessiert, dass sie sich die Rechte noch vor Veröffentlichung des biografischen Romans sicherte und den Film selbst produzierte.

Jean-Marc Vallée (Dallas Buyers Club) nimmt sich Zeit und inszeniert Strayeds Trip fernab von esoterischem Mumpitz als ebenso anstrengende, wie dramatische, dennoch klärende und manchmal schöne Art. Die Bilder, die sein Kameramann einfängt, sind von epischer Breite, zeigen aber auch die raue Seite der amerikanischen Natur. Um die Dämonen, die Cheryl auf ihrer Reise begleiten, erfahrbar zu machen, nutzt Der große Trip ein effektives Stilmittel: Flüsternde Stimmen aus ihrer Vergangenheit, manchmal singend, manchmal mahnend, begleiten ihren Weg und bewirken tatsächlich, dass man sich selbst besser in ihre Situation hineinfühlen kann. Die in Rückblenden erzählten Vergangenheitsschnipsel fördern zu Tage, mit welchen Ereignissen Cheryl zu kämpfen hatte, bevor sie sich auf ihren Weg begeben hat und werden auch hier von herausragenden Darstellern vorgetragen. Sogar Laura Dern (ebenso oscarnominiert wie Witherspoon selbst) überzeugt als Mutter, die mit dem Krebs zu kämpfen hat. Dass der Film, wie auch das Buch, vornehmlich beschreibt, wie eine junge Frau mit einer schweren Last auf eine Reise geht, an deren Ende sie erleichtert zum Ziel kommt, wird eindrücklich über den schweren Rucksack, das „Monster“ wie ihn die männlichen Wanderer später nennen, veranschaulicht. Cheryl hat ihn zu Beginn derart vollgepackt, dass sie ihn nur unter allergrößter Anstrengung überhaupt stemmen und tragen kann, bis sie sich in Etappen immer wieder ein Stück des Inhalts entledigen kann – eine bessere Metapher für das Seelenleben der Protagonistin hätte es kaum geben können.

Bild- und Tonqualität

Der große Trip – Wild nutzt möglichst natürliche Farben und einen guten Kontrastumfang. Bis auf ein dezentes Korn bleiben die Aufnahmen stets rühig – lediglich in ganz dunklen Szenen wird’s mal etwas wuseliger. Da die Kamera meist ohne große Wackelei oder schnelle Schwenks auskommt, ist die Bildruhe sehr hoch. Hin und wieder saufen ein paar Details in Schattenbereichen ab, dafür präsentiert sich die Schärfe sehr ausgewogen.
Der Ton von Der große Trip wird in vielen der Naturszenen räumlich und lebhaft. Ob es zirpenden Grillen sind oder prasselnder Regen auf der Zelthülle – stets fühlt man sich mitten im Geschehen. Während der dramatischeren Rückblicke nutzt der Film häufig das Stilmittel des dumpfen Sounds, was intensiv über Center und auch über den Subwoofer dargestellt wird. Einen Unterschied zwischen der deutschen dts 5.1-Spur und dem hochauflösenden Originalformat ist nur mit spitzen Ohren wahrnehmbar. Weder sind die Lautstärken sehr unterschiedlich, noch ist im Originalformat mehr los.

Bonusmaterial

Neben einem Audiokommentar von Jean-Marc Vallée sowie fünf entfernten Szenen, die ebenfalls wahlweise kommentiert vorliegen, warten im Bonusmaterial von Der große Trip noch diverse Featurettes auf den Käufer der Blu-ray. Das erste lässt Cheryl Strayed selbst zu Wort kommen. Sie erzählt einerseits von ihren eigenen Erlebnissen und davon, wie es war, nun bei den Dreharbeiten zum Film wieder dabei zu sein. Man sieht ihr bspw. an, wie gerührt sie war, dass ihre eigene Tochter ihr jüngeres Ich im Film darstellte. In „The Real Location is the Best Location“ geht es, der Name sagt es schon, um die Drehorte. Während viele Szenen speziell ausgesucht wurden, entstanden einige der wichtigeren Momente auf dem PCT selbst. „How Much Does a Monster Weigh“ erfahren wir nicht nur, dass Cheryl ihren Reiserucksack immer noch hat – außerdem wird schön veranschaulicht, wie voll er tatsächlich gepackt war. Herausragend auch, dass Regisseur Valée während des Drehs darauf achtete, dass kein zu leichtes Ersatzmodell genutzt wurde, um das schwere Gewicht authentisch rüberzubringen. Mit der interaktiven Karte kann man noch mal den Weg nachvollziehen und die zusätzlichen Promotional Featurettes bringen noch einmal ein paar der Aspekte des Films detailliert näher.

Fazit

Beeindruckend gespielte Selbstfindungsreise einer jungen Frau – Der große Trip ist episches Abenteuerkino mit Tiefgang. Allerdings sollte man keinen dramatischen Actionfilm erwarten.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 70%
Film: 75%

Anbieter: 20th Century Fox
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Jean-Marc Vallée
Darsteller: Reese Witherspoon, Laura Dern, Thomas Sadoski, Michiel Huisman, Gaby Hoffmann
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // dts 5.1: de, it, sp
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 116
Codec: AVC
FSK: 12

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